Gedanken zum Jahresschluss: „Wer zweitausend Jahre Abendland hinter sich hat, muss die Zukunft nicht scheuen, aber er muss sich vor ihr verantworten.“

Die Debatten des heute zu Ende gehenden Jahres werden uns auch im neuen Jahr begleiten. Dies betrifft leider auch die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht. Ein Philosoph hat sich zur Impfpflichtempfehlung des Deutschen Ethikrates geäußert und auf kluge Weise aufgezeigt, warum eine solche Stellungnahme den gesellschaftlichen Diskurs nicht wird befrieden können:

https://norberthaering.de/medienversagen/die-impfpflicht-empfehlung-des-deutschen-ethikrats-unter-der-lupe-kein-schoener-anblick/

Es ist bezeichnend, dass der Beitrag anonyom veröffentlicht wird. Dies ist verständlich angesichts einer Politik der Hetze, Diffamierung und Ausgrenzung. Noch bezeichnender ist aber, dass der Deutsche Ethikrat die abweichenden Voten nicht selbst veröffentlicht hat. Dies beschädigt die Glaubwürdigkeit des Gremiums in erheblichem Maße, zerstört weiteres Vertrauen, das wir für eine Überwindung dieser nationalen Krise dringend brauchen, und demonstriert sehr deutlich, wie vermachtet der Coronadiskusrs geführt wird.

Dies setzt sich auch in der Medienberichterstattung über die Coronaprosteste fort, wenn öffentlich-rechtliche Medien einseitig über die Gewaltbereitschaft der Demonstranten berichten, nicht aber über das fragwürdige Vorgehen des Staates. Heute erhielt ich von kollegialer Seite den Hinweis auf eine alternative Darstellung der Münchner Ereignisse während der dortigen Coronaproteste am vergangenen Mittwoch. Ich urteile jetzt nicht über die Qualität der Internetseite – aber um sich ein eigenes Bild zu machen, sollte der Grundsatz „audiatur et altera pars“ gelten:

https://netzwerk-linker-widerstand.ru/magma/2021/12/der-polizeistaat-zeigt-sein-haessliches-gesicht-wildwest-in-der-muenchner-innenstadt/

Peter Brenner hat seine neue Glosse in seinem Bildungsblog dieses Mal schon einen Tag früher online gestellt, mit Bezug auf Odo Marquardt: Zukunft braucht Herkunft. Marquardt zeigt, was Bürgerlichkeit bedeutet und welche freiheitliche Widerständigkeit mit recht verstandener Bürgerlichkeit verbunden ist (mit einem entsprechenden Zitat hatte ich seinerzeit auch die Festrede zum 150-jährigen Jubiläum meiner lb. Alemannia in Bamberg beschlossen). Was es bedeutet und welche Verrohung damit einhergeht, wenn Bürgerlichkeit im Land schwindet, erleben wir gegenwärtig. Wie immer sehr lesenswert:

https://imsw.de/2021/12/zukunft-braucht-herkunft/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=der-bildungsblog-or-date-mtext_1

„Wer zweitausend Jahre Abendland hinter sich hat, muss die Zukunft nicht scheuen, aber er muss sich vor ihr verantworten.“ Hoffen wir, dass es uns im neuen Jahr gelingt, wieder etwas mehr zu dieser Verantwortung zurückzukehren und an Lebensnähe in der Gestaltung unseres Zusammenlebens zurückzufinden.

In diesem Sinne lautet der heutige Silvestergruß am Ende eines moralisch schweren Jahres: Alles Gute, Herkunft und Gottes Geleit für die Zukunft im kommenden Jahr.

Schlaglicht: Gesellschaftliche Befriedung in der Impfdebatte verlangt mehr

„Tichys Einblick“ kommentiert die Rolle des Deutschen Ethikrates in der Debatte um eine Impfpflicht:
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/knauss-kontert/ethikrat-impfpflicht/

Das Vorgehen des Ethikrates wird in keinster Weise die gesellschaftliche Stimmung im Land befrieden. Ähnliche Einschätzungen habe ich auch schon von anderen gehört. Ganz abstrus wird es, wenn der Ministerpräsident im Südwesten glauben machen will, eine allgemeine Impfpflicht werde das Land befrieden, weil dann alle gleich(gemacht) seien. Ein solches Menschenbild offenbart, wie sehr die K-Gruppen-Vergangenheit dieses Politikers noch nachwirkt. Aber auch der neue Bundesjustizminister glaubt, dass eine parlamentarisch beschlossene Impfpflicht das Land befrieden werde. Dafür sind durch einen De-facto-Impfzwang mit üblen Mitteln und die erste Regierungserklärung des neuen Kanzlers die Gräben schon viel zu tief aufgerissen worden. Auf so einfache Weise wird ein nationaler Aussöhnungsprozess nicht zu haben sein.

Passend zur Stimmung im Land, noch ein Leserbrief aus der F.A.Z. vom 29. Dezember 2021 (= Dr. Thomas Weinsberg, Arzt):
https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/der-mensch-jesus-17705546.html

Der Ethikrat soll nach der Devise handeln: Wess‘ Brot ich ess‘, dess‘ Lied ich sing. Ein Wissenschafts- und Demokratieverständnis, dass Abweichler mit gesellschaftlicher Ächtung bedroht, erinnert eher an einen Demokratischen Zentralismus als an die differenzierte Güterabwägung in einer freiheitlichen Gesellschaft. Besser könnte man die zuerst genannte Kolumne nicht bestätigen.

Reihe Archivfachliche Beiträge

Kurz vor Weihnachten ist ein neues Beiheft der Reihe „Archivfachliche Beiträge“ erschienen. Die Hefte werden von Dr. Dr. Helge Kleifeld (Stadtarchiv Mönchengladbach) herausgegeben.

Das neue Beiheft Nr. 7 beschäftigt sich u. a. mit folgenden Themen: Briefe aus der Gladbacher Provinz – Post und Provenienz, Die Geschichte der Bibliothek „Wissenschaft und Weisheit“ im Kloster Mönchengladbach, Auswertung der Verfahrensakten des Erbgesundheitsberichts Mönchengladbach im LAV NRW, Amtsarzt Dr. Ernst Holländer im Neuburger Gesundheitsamt 1931 bis 1946 sowie Genealogie, Erbenermittlung und die Staatsbibliotheken in München und Berlin.

Die Hefte können via E-Mail beim Verlag Akadpress kostenfrei abonniert werden. Bestelladresse: beihefte@akadpress.de.

Vorankündigung: Bildung und Religion. Die geistigen Grundlagen des Kulturstaates

Axel Bernd Kunze:

Bildung und Religion. Die geistigen Grundlagen des Kulturstaates

Mit einem Geleitwort von Bernd Ahrbeck

(Berlin: LIT 2022)

Pädagogische und religiöse Fragen hängen eng zusammen. Dieses Verhältnis bleibt auch für den weltanschaulich neutralen Staat bedeutsam. Denn zur Sorge um dessen Kontinuität gehört die Sorge um seine kulturelle Wurzeln. Diese sind politisch-geschichtlich gewachsen und religiös geprägt.

Der Band zeigt auf, welch bleibende Bedeutung Bildung und Religion auch in Zeiten gesellschaftlicher Pluralität für einen freiheitlichen, vitalen und tragfähigen Kulturstaat besitzen. Wo die Sorge um seine geistigen Grundlagen erlahmt, werden über kurz oder lang kulturelle und soziale Verteilungskämpfe ein­setzen.

Axel Bernd Kunze ist Sozial- und Bildungsethiker. Er lehrt als Privatdozent für Erziehungswissenschaft in Bonn und ist als Schulleiter tätig.

WEITERE INFORMATIONEN: https://www.lit-verlag.de/detail/index/sArticle/87573/sCategory/6624

Segenswünsche zum Jahresschluss

Liebe Leser und Leserinnen von „Bildungsethik“,

am Ende dieses Jahres danke ich sehr herzlich für alle Unterstützung, Zusammenarbeit und allen pädagogischen, theologischen oder sozialethischen Austausch im zu Ende gehenden Jahr. Der streitbare, akademische Diskurs um Bildungsfragen wird weitergehen.

Die Pflege christlich-abendländischer Werte und eines humanistischen, am freien Subjekt und seiner Selbstbestimmung orientierten Bildungsverständnisses bleiben weiterhin ein Auftrag, der nichts an Bedeutung verloren hat. So erlaube ich mir noch einmal auf einen neuen Titel hinzuweisen, der im neuen Jahr erscheinen wird:

Axel Bernd Kunze:

Bildung und Religion. Die geistigen Grundlagen des Kulturstaates.

Mit einem Geleitwort von Bernd Ahrbeck.

LIT-Verlag, ISBN: 978-3-643-15081-3

Reihe: Zeitdiagnosen , Bd. 60  

Weitere Informationen:

https://www.lit-verlag.de/detail/index/sArticle/87573/sCategory/6624

Für Anfragen oder Anregungen stehe ich gern zur Verfügung.

So wünsche ich Ihnen sowie Ihren Angehörigen einen guten Beschluss des alten Jahres sowie alles Gute, Gesundheit, Zuversicht und Gottes Segen für 2022, damit es ein Jahr des Herrn werde.

Ihr Axel Bernd Kunze

Kommentar: Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates zur Impfpflicht wird gesellschaftliche Debatte nicht befrieden

Am 22. Dezember 2021 verabschiedete der Deutsche Ethikrat eine neue Ad-hoc-Empfehlung zu einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht:

https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/ad-hoc-empfehlung-allgemeine-impfpflicht.pdf

Mit dem Instrument einer Ad-hoc-Empfehlung verabschiedet sich der Nationale Ethikrat von seiner bisherigen Forderung nach einem breiten gesellschaftlichen Diskurs. Selbst wenn in der Frage Zeitdruck bestehen sollte, müsste zumindest kurzfristig ein solcher Diskurs organisiert werden (hierfür plädierte vor kurzem auch der ehemalige Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages Eckhard Nagel). Eine Entscheidung von solch gewaltiger Tragweite ohne Transparenz und Breite durchzudrücken, gefährdet den ohnehin schon bedrohten gesellschaftlich-politischen Frieden noch weiter.

Üblicherweise veröffentlicht der Deutsche Ethikrat abweichende Voten. Das ist bei gravierenden ethischen Wertkonflikten auch zwingend geboten. Nur dann ist auch eine differenzierte persönliche Gewissensentscheidung möglich – und vor einer solchen stehen schon allein die Parlamentarier, da bei der geplanten Abstimmung zur Impfpflicht der Fraktionszwang ausgesetzt sein wird. Jetzt werden vier abweichende Voten genannt, aber zunächst nicht publiziert (wer will, kann diese mit etwas Verspätung mittlerweile hinter einer Bezahlschranke im Onlineauftritt der F.A.Z. nachlesen). Das vermachtet den ohnehin schon polarisierten öffentlichen Diskurs noch weiter.

Auf den ersten Blick wirkt die Stellungnahme schwammig, unmotiviert und intransparent. Hierzu trägt auch bei, dass im Literaturverzeichnis keine ethische Fachliteratur im engeren Sinne aufgeführt ist (wenn man von den selbstreferentiellen Verweisen auf die Eigenpublikationen absieht). Und es fehlt nicht nur eine wissenschaftliche Referenz auf ethische Positionen oder Methodik, sondern auch auf die Verfassung.

Das Papier vermittelt einen enttäuschenden Eindruck und wird den aufgeheizten, vermachteten Diskurs über die Coronapolitik vermutlich nicht nennenswert befrieden können. Es entspricht damit der polarisierten politischen Grundlinie, welche der neue Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung vorgegeben hat. Für das weitere Debattenklima im Land verheißt dies nichts Gutes. Über gravierende Freiheits- und Wertkonflikte sollte ein Gremium mit dieser Verantwortung und Reputation sorgfältiger und transparenter urteilen.

Ein Bespiel höherer Dialektik in der Kirche: Spaltung durch Ausgrenzung bekämpfen – oder: ein kritischer Kommentar zum Offenen Brief an Papst Franziskus zu aktuellen Äußerungen von Kardinal Müller

Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, ist durchaus ein kantiger Kirchenmann, an dem sich die Geister scheiden. Vor kurzem äußerte sich Müller in einem Videointerview mit dem Institut St. Bonifatius erneut zu gravierenden Wertkonflikten, die Kirche und Gesellschaft gegenwärtig spalten. Impfzwang, eine chaotische staatliche Coronapolitik,  2G-Regel in Gottesdiensten (für Müller unmissverständlich ein Verrat der Kirche am Auftrag ihres Herrn), das Buch von Klaus Schwab und Thierry Malleret „COVID-19. Der große Umbruch“ sind nur einige der heißen Eisen, zu denen Kardinal Müller Position bezieht. Und er äußert „Kapitalismuskritik“ von rechts – wie gefährlich! So wirft Müller im Interview die Frage auf, ob eine derart gewaltige Kapitalkumulation, wie wir sie bei einigen Unternehmensgründern erleben, zum demokratietheoretischen Problem werden könne – über diese Frage wird durchaus sozialethisch diskutiert und über diese Frage kann und sollte seriös diskutiert werden.

Doch es kam, wie es kommen musste. Schnell waren die üblichen Vorwürfe von Verschwörungstheorien und antisemitischen Klischees zu vernehmen. Allesamt Ad-hominem-Argumente die drauf zielen, die moralische Integrität des Gegenüber zu beschädigen und eine sachliche ethische Debatte zu unterlaufen. Lassen wir einmal außen vor, ob viele Vorwürfe, die Kardinal Müller mit seinem Interview auf sich gezogen hat, nicht eher Projektion sind. Der Kardinal bedient Verschwörungstheorien oder Antisemitismen im Interview in keiner Weise, aber er äußert sich zu brisanten Themenfeldern, bei denen es solche im öffentlichen Diskurs durchaus gibt. Dass darf aber kein Grund sein, die Debatte über diese Themen zu beenden, sondern vielmehr für einen sachlichen, differenzierten und angemessenen Ton innerhalb der sozialethischen Debatte zu sorgen. Beides macht einen Unterschied.

Müller weicht heiklen Themen nicht aus – und gibt so jene geistlich-moralische Orientierung, die gegenwärtig so viele schmerzhaft von der Kirche vermissen. Müller tritt für eine funktionierende Gewaltenteilung ein, eine unabhängige Judikative, eine Wahrung der Wert-, Grundrechts- und Menschenrechtsordnung, für die Freiheit des Gewissens, für ein freiheitliches Diskursklima an den Universitäten (hier fällt seine Kritik durchaus sehr scharf und schonungslos aus, immerhin war Müller selbst einmal Professor gewesen), für die Freiheit Andersdenkender, etwa im universitären Raum, und er wendet sich im Einklang mit der Glaubenskongregration seiner Kirche gegen eine Impfpflicht im konkreten Fall. Alles in allem eine starke christliche Freiheitslehre, die Müller vertritt. Man muss Müller nicht in jedem Detail politisch zustimmen, aber man sollte sein Anliegen unvoreingenommen würdigen.

Umgekehrt gehört schon viel Chuzpe dazu, wenn die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ in einem am 23. Dezember veröffentlichten offenen Brief, für den um weitere Mitzeichner geworben wird, den Kardinal gerade im Namen der Freiheit mundtot machen will: „Wir appellieren eindringlich an Papst Franziskus, dafür Sorge zu tragen, dass dem unverantwortlichen Treiben von Kardinal Gerhard Ludwig Müller umgehend Einhalt geboten wird.“ Ja, mehr noch: Der Kardinal solle aus dem Kreis der Papstwähler ausgeschlossen und aus dem Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur verbannt werden. Die Begründung der Kirchenaktivisten ist bemerkenswert: Ein Kardinal sollte alles tun, „um Spaltungen in Gesellschaft und Kirche zu vermeiden.“ Das nennt man wohl höhere Dialektik. Spaltung soll mit einem Aufruf zur Ausgrenzung beantwortet werden, im Namen der Pluralität, versteht sich.

Hier soll ein streitbarer Kirchenmann, dessem Ansichten vielen zu freiheitlich oder konservativ sind, sozial vernichtet werden. Das Urteil steht schon im Voraus fest. Da kann der Kardinal machen, was er will, selbst wenn er unmissverständlich vor der Gefahr einer Spaltung infolge einer polarisierenden Coronapolitik warnt. Streitbar und prinzipienfest, wohl auch ein wenig stur, so lässt sich Müller beschreiben – für die einen ein Überzeugungstäter, für die Kirchenaktivisten ein notorischer Wiederholungstäter.  Denn, so die Kritik im Offenen Brief: Medienkritik ficht ihn nicht an, im Gegenteil: Sie führt nur dazu, noch einmal nachzulegen, zu bekräftigen, sogar zu verschärfen.

Aber Müller trägt die rote Farbe gerade nicht allein als Schmuck. Nein, hier ist ein Kardinal zu erleben, der Widerspruch, Bekenntnis und Klarheit um der Wahrheit willen nicht scheut – aus gläubiger Verantwortung. Ein Kardinal, der für seine Positionen streitet, und nicht bereit ist, gravierende Wertkonflikte vorschnell unter den Teppich zu kehren, bis man nur noch gebückt unter der kirchlichen Zimmerdecke laufen kann. Chapeau!

Neue Internetseite wirbt für freie Impfentscheidung

Mediziner und Wissenschaftler setzen sich mit dem neuen Internetportal www.impfen-wer-will.de für Impffreiheit und die individuelle Impfentscheidung ein. Initiatoren sind der Mediziner Ulrich Keil (Universität Münster) und der Chemiker Andreas Schnepf (Universität Tübingen). Neben einer ausführlichen Stellungnahme von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen bietet das Internetportal auch die Möglichkeit, einen Flyer und ein Flugblatt zur Weiterverteilung herunterzuladen.