Vielleicht kann der folgende Text einen geistlichen Impuls für die herausfordernden Zeiten setzen, die wir gegenwärtig durchstehen müssen:
Wüstenerfahrungen gibt es viele – im Leben der Kirche wie im Leben des Einzelnen. Jeder von uns wird möglicherweise eine andere Erfahrung vor Augen haben, die er als Wüstennot und Durststrecke erlebt hat – etwa eine tiefe Enttäuschung, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Schule, eine Krankheit, Phasen der Einsamkeit oder der Verlust eines lieben Menschen, Glaubenszweifel und sinkenden Lebensmut.
Die Kirche in unserem Land scheint gegenwärtig auch eine Wüstenzeit zu durchleben. Die Zahl der aktiven Gläubigen sinkt. Immer mehr Menschen leben ohne kirchliche Bindung so, als würde ihnen nichts fehlen.
Aber auch diese Erfahrung ist nicht neu, wie die Mahnung des Mose in der heutigen Lesung zeigt. Er schärft dem Volk ein, die Erinnerung an die Wüstenjahre im Wohlstand nicht zu vergessen. Es geht um wertvolle Erfahrungen mit Gott, die auch für das Leben im Land ihre Bedeutung besitzen. Es geht um die Erfahrung, dass Gott mitgezogen ist in die Wüste. Ausdruck seiner liebenden Sorge sind das Manna und das Wasser aus dem Felsen, mit dem Gott den Hunger des Volkes gestillt hat.
Aber es geht nicht allein um körperliche Bedürfnisse. Im Menschen ist eine Sehnsucht lebendig, die über die bloßen Mittel zu seiner Daseinserhaltung hinausgehen. Die Sehnsucht nach Liebe und Gemeinschaft, nach Freiheit und Sinn – und nicht zuletzt die Sehnsucht nach Gott. Unsere Sehnsucht ist größer als das, was wir Menschen einander versprechen können. Daher lebt der Mensch nicht allein vom Brot, so wichtig dieses für unser Leben auch ist, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund.
Wüstenerfahrungen können existentiell sehr wichtige Erfahrungen sein. Wir müssen auf vermeintliche Sicherheiten und Annehmlichkeiten verzichten. Aber gerade dann kann die Sehnsucht nach dem Mehr in unserem Leben wieder neu entfacht werden. Hieran erinnert Mose das Volk mit eindringlichen Worten: Nimm dich in Acht, werde nicht hochmütig, vergiss Gott nicht in den Zeiten, in denen es dir gut geht.
Die Mahnung bleibt auch für die Kirche aktuell. Diese lebt nicht aus eigener Kraft, sie lebt aus dem, was sie von Gott empfängt. Wo die Kirche zum Selbstzweck wird, wird ihre Botschaft hohl und leer. Die Kirche bleibt vielmehr angewiesen auf die dauernde Verbundenheit mit Jesus Christus. Nur in ihm und durch ihn wird sie lebendig bleiben. Jesus Christus selbst ist das lebendige Brot, von dem die Kirche lebt, die Kraft, aus der sie Nahrung und Leben erhält.
(von Axel Bernd Kunze; aus einem Predigtvorschlag zum diesjährigen Fronleichnamsfest, veröffentlicht in: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen, 17. Jg., H. 3/2020, S. 559 ff.)
Bleiben Sie alle wohlbehütet! Hoffen und beten wir für unser Land und für die, für die wir pädagogisch Verantwortung tragen, damit wir diese Zeit der Krise durchstehen. Und stellen wir anschließend die richtigen Fragen, damit wir aus den Erfahrungen lernen.