Zwischenruf: Soll das Streikrecht eingeschränkt werden?

Der Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst nimmt Fahrt auf. Es könnte dieses Mal ein langer und harter Arbeitskampf der Beschäftigten des Bundes und der Kommunen werden. Versprechungen der Coronazeit, die Erwartungen geweckt haben, Inflation, aber auch angespannte Arbeitsbedingungen infolge von Fachkräftemangel und steigende Belastungen in Schulen, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen sind mögliche Gründe. Und wie nicht anders zu erwarten, melden sich Stimmen zu Wort, Streiks im Öffentlichen Dienst gesetzlich einzuschränken. Wortführer sind die CDU-nahe Mittelstands- und Wirtschaftsunion sowie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Als Schreckgespenst wird der übermäßige Tarifabschluss der damaligen ÖTV von 1974 an die Wand gemalt, wobei die Zuwächse damals über dem Inflationsausgleich lagen – anders als die ver.di-Forderungen aktuell.

Die Argumente sind hinreichend bekannt: Streiks im Öffentlichen Dienst treffen die Allgemeinheit, nehmen die Bevölkerung in Geiselhaft, wie gern gesagt wird, damit es dramatischer klingt. Doch stimmt das? Auch Streiks in der Wirtschaft können die Bevölkerung treffen, etwa in Form von Lieferschwierigkeiten, geplatzten Fristen und Handwerkerterminen. Der Unterschied mag sein, dass die Auswirkungen bei Streiks im Öffentlichen Dienst für den Einzelnen unmittelbarer spürbar sind. Doch wenn davon die Rede ist, solche Streiks richteten sich gegen die Bevölkerung, nicht gegen die Dienstgeber, ist das mindestens nur die Hälfte der Wahrheit.

Denn die Dienstgeberseite wird nicht in eigenem Auftrag tätig. Die öffentlichen Dienstgeber verdanken sich demokratischer Legitimation und haben letztlich ihren Auftrag, den Staat zu führen und zu gestalten, durch den Souverän erhalten. Und dieser ist eben nicht allein Betroffener eines Streiks im Öffentlichen Dienst. Nein, auch die Kehrseite ist zu beachten: Wie ein Arbeitskampf verläuft, hängt von Gewerkschafts- und Dienstgeberseite ab. Wenn der Souverän nun meint, die Dienstgeber hätten in einem Arbeitskampf anders verhandeln sollen, damit dieser sich etwa nicht über Gebühr ausweitet, dann müssen Sie bei der Wahl für andere politische Mehrheiten sorgen.

Auch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst müssen das Recht haben, für angemessene Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Wer staatliche Daseinsvorsorge von Arbeitsniederlegungen verschonen will, muss verbeamten. Es geht nicht, immer höhere Erwartungen an den Staat zu richten, der für immer mehr gesellschaftliche Bereiche zuständig sein soll, und Staatsaufgaben auszuweiten, den dort Beschäftigen dann aber Misstrauen entgegen zu bringen und deren Rechte zu beschneiden. Vielmehr hat der Souverän, der sich über Streiks beklagen mag, auch die Verpflichtung, für angemessene Arbeitsbedingungen der öffentlich Beschäftigten zu sorgen. Und um diese ist es nicht zum Besten bestellt, wie die Personalnot in Kindertageseinrichtungen oder der zu einem großen Teil politisch verursachte Lehrermangel an Schulen zeigen. Nur ein Beispiel: Es reicht eben nicht, „Wir schaffen das“ zu rufen, die Schulen dann aber mit den Folgen einer ungesteuerten Migrationspolitik allein zu lassen.

Die Forderungen, das Streikrecht im Öffentlichen Dienst einzuschränken, laufen Gefahr, den sozialen Zusammenhalt im Land und die Loyalität seiner öffentlich Beschäftigten, auf die ein leistungsfähiger Staat unverzichtbar angewiesen bleibt, zu gefährden. Beides sind hohe Güter, die nicht dadurch aufs Spiel gesetzt werden sollten, dass die öffentliche Gewalt ihre Rolle als Tarifpartner und Gesetzgeber vermischt. Tarifpolitik sollte Tarifpolitik bleiben. Noch hält sich der Bundeskanzler aus der aufkeimenden Debatte heraus – und das ist grundsätzlich richtig.

Zwischenruf: Universitätsgründer hat als Name ausgedient

Meine Alma mater, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wird aller Wahrscheinlichkeit nach, den Namen ihres Gründers, Kaiser Wilhelms II. verlieren. Dies ergab eine Probeabstimmung im Senat. Die endgültige Abstimmung soll am 5. April 2023 erfolgen. Der Rektor hat das Ergebnis der Probeabstimmung begrüßt und eine zügige Umsetzung der Namensänderung gefordert. Zuletzt hatte sich auch der RCDS gegen Wilhelm II. ausgesprochen und den Namen Edith-Stein-Universität ins Spiel gebracht.

Die Namensänderung, an der kaum noch Zweifel bestehen, ist ein weiterer Belege für den allerorten zu beobachtenden Verlust an Geschichtsbewusstsein. Identität soll nun auch in Münster entsorgt werden, auch wenn der Senatspräsident, Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, betont, die Auseinandersetzung mit derselbigen, „zu der auch Wilhelm II. gehört“, bleibe für die Münsteraner Universität „eine wichtige Aufgabe“. Was nun rauskommt, ist ein gesichtsloser und geschichtsloser Allerweltsname, auch wenn der Präsident des Senats – wenig glaubhaft – beteuert: „Der Namen ‚Unviersität Münster‘ ist keineswegs der kleinste gemeinsame Nenner, sondern ein positiver Vollnahme, hinter dem sich alle Gruppen der Universität versammeln können.“

Wo Geschichte entsorgt wird, bleibt kein Gemeinsames mehr. Der Name zeigt, wie wenig die Mitglieder der Universität noch verbindet. Die Universität wird zu einer austauschbaren Ausbildungsstätte, die am Ende auch kein akademisches Bewusstsein mehr zu prägen und keine Bindung mehr herzustellen vermag – auch wenn sich Alumnibüros noch so sehr darum bemühen werden. Ohne Identität, akademische Haltung und Bindung wird es auf Dauer aber auch kein Renommee mehr geben.

Zwischenruf: … hat mit dem Beutelsbacher Konsens nichts mehr zu tun

Der Neuen Zürcher Zeitung ist zuzustimmen: Eine solche „Pädagogik der Überwältigung“ hat mit dem Beutelsbacher Konsens nichts mehr zu tun. Und es ist nicht allein grober Unfug im pädagogischen Umgang mit Sechsjährigen. Auch sonst gilt. Erzwungene Werturteile sind moralische wertlos.

Auf anderen Seiten: Juristische Aufarbeitung der Coronapolitik

Günter Roth, engagiert im Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, weist in seinem Block auf ein aktuelles Gerichtsurteil hin, das er am 10. Januar gegen den Freistaat Bayern erstritten hat:

https://einfachkompliziert.de/verteidigung-der-meinungs-und-wissenschaftsfreiheit-gegen-herdentrieb-cancel-culture-und-mobbing-an-hochschulen/

Widerstand gegen eine freiheits- und menschenwürdefeindliche Coronapolitik lohnt sich, auch wenn die Aufarbeitung nur in sehr kleinen (juristischen) Schritten vorangeht. Es stellt die Verfassungs- und Rechtsordnung auf den Kopf, wenn der Freistaat seine in Teilen verfassungswidrige Coronapolitik gerade dadurch absichern will, dass er einem Kritiker mangelnde Verfassungstreue unterstellt. Wenn das Recht auf körperliche Unversehrtheit angegriffen wird, muss Widerspruch erlaubt sein – wann denn sonst!? Und noch etwas lehrt die Auseinandersetzung: Das Recht auf Wissenschaftsfreiheit muss weit ausgelegt werden, sonst ist es am Ende nicht mehr viel wert. Dem geschätzten Kollegen gebührt volle Hoachtung für seine Klage. Er wäre ein würdigerer „Hochschullehrer des Jahres“ als Drosten & Co., die vom Deutschen Hochschulverband politisch hofiert wurden.

Zwischenruf: Freiheit – nur eine Floskel?

„Floskelwolke“ (https://floskelwolke.de/) nennt sich ein Blog, der mit Methoden der „Digital Humanities“. Riesige Datenmengen werden mit Algorithmen digital ausgewertet. Das ist in den Geisteswissenschaften gegenwärtig sehr en vogue, dafür gibt es viele Drittmittel. Man verspricht sich durch die technische Auswertung großer Datenmenge, was jetzt digital möglich ist, neue Erkenntnis. Ich bleibe skeptisch, da Digital Humanities vielfach hermeneutisch naiv bleiben. Eine Gewichtung der Daten wird so von vornherein gar nicht wahrgenommen.
Pünktlich zum Jahresbeginn kürte das Blog nun „Freiheit“ zur Floskel des Jahres 2022. Doch auch damit ist Floskelwolke alles andere als innovativ: Gegenwärtig wird im politischen, medialen und wissenschaftlichen Diskurs versucht, einen individuellen Freiheitsbegriff zu denunzieren (als unverantwortlich, egoistisch, unsozial …) und durch ein soziales Freiheitsverständnis zu ersetzen. Wir erleben das Heraufsteigen eines neuen autoritären Kollektivismus in Politik und Gesellschaft. Nicht mehr der starke, leistungsbereite, originäre Einzelne zählt, sondern die Anpassung an das Kollektiv. Nicht mehr der kreative Gedanke, sondern das kollektive Bedürfnis. Der Einzelne wird zur politisch beliebigen Verfügungsmasse politischer Funktionäre. Erwünscht ist, was sich dem vermeintlich demokratischen Mainstream anbiedert. Von Stauffenberg und andere wären nach einem solchen Freiheitsverständnis ausgesprochene dumme Leute gewesen.

Die aggressive Impfnötigungspolitik hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass selbst die körperliche Unversehrtheit nicht mehr tabu ist. Doch der Beispiele sind viele. Die Grünen beginnen das neue Jahr mit neuen Verbots- und Verteuerungsvorschlägen für Alkohol. Die C-Parteien haben ihren christlichen Personalismus längst aufgegeben, weshalb Merz in einer staatlich verordneten Zwangsimpfung im April v. J. auch keine Gewissensfrage mehr zu erkennen vermochte. Verfechter der Gendersprache wollen sogar den Gebrauch der Sprache dem Einzelnen wegnehmen und kollektivieren. Die Kirchen machen sich zu Fürsprechern eines radikalen Klimaaktivismus. Politisch und medial werden immer mehr Haltungen gesteuert und damit kollektiviert, egalisiert, nivelliert. Selbst dem Selbstverständnis nach „klassische Liberale“ sprechen davon, dass Freiheit in Deutschland nur noch als Egoismus auf Kosten der Allgemeinheit verstanden werde. Und,  und, und. Ich denke, dass wir in Kürze in Davos noch weitere Angriffe auf die Freiheit des Einzelnen hören werden.

Ich hatte die Grundrechte unserer Verfassungsordnung bisher immer anders verstanden. Selbstverständlich endet die eigene Freiheit dort, wo die Freiheit des anderen beginnt – aber eben auch nicht früher. Ein sozialer Freiheitsbegriff läuft darauf hinaus, dass der Gebrauch der Freiheit von sozialer Erlaubnis abhängig gemacht werden soll. Das ist das Ende des Individuums. Und deshalb sage ich: Nicht diejenigen, die an einem starken, widerständigen, individuellen Freiheitsbegriff festhalten, sondern die Vertreter einer sozial umdefinierten Freiheit machen diese zur Floskel.

Denn mit einem sozialen Freiheitsbegriff, der jetzt öffentlichkeitswirksam propagiert wird, bleibt von der Freiheit nichts mehr übrig. Daher sollte auch zwischen „liberal“ und „freiheitlich“ unterschieden werden. Die Polarisierung durch die Coronapolitik, die politisches und soziales Vertrauen unwiderbringlich zerstört hat, war nur ein Anfang, wir werden noch heftigere Kulturkämpfe erleben, wenn wir die affektgeleitete Politik der letzten Jahre weiterfahren und auch künftig so fahrlässig mit den geistig-moralischen Grundlagen unseres Zusammenelebens umgehen.

Erst im Dezember wurde von der Sprecherin der AG Christliche Sozialethik, der Würzburger Sozialethikerin Michelle Becka, in der Grünen Reihe der Katholisch-sozialwissenschaftlichen Zentralstelle ein sozialer Freiheitsbegriff an prominenter Stelle propagiert (https://www.gruene-reihe.eu/artikel/herausgeforderte-freiheit/). Verräterisch ist etwa folgender Satz aus dem Text: „Die Freiheit der Einzelnen ist immer soziale Freiheit und als solche institutionell verfasst. Axel Honneth spricht von sozialer Freiheit, um deutlich zu machen, dass Freiheit auf die Beziehungen mit anderen Menschen und auf Institutionen nicht nur angewiesen ist, sondern erst durch sie ermöglicht und konstituiert werden kann.“ Wenn wir Freiheit so konstruieren, entscheiden am Ende Kollektive, seien es Parteien, Gremien, Impfkommissionen …, darüber, welchen Gebrauch wir überhaupt noch von unserer Freiheit machen dürfen. Nicht die Inanspruchnahme von Freiheit ist rechtfertigungsbedürftig, sondern deren Einschränkung um des Gesamtsysstems der Freiheit willen.

Wenn wir uns von der Freiheit des Individuums verabschieden, wie wir es gegenwärtig tun, werden über kurz oder lang politische, soziale und kulturelle Verteilungskämpfe beginnen. Wir werden uns auf einen Verfall unserer Kultur, einen Verlust an Lebensqualität und Wohlstand einstellen müssen, die schon längst begonnen haben. Ein sozialer Freiheitsbegriff versteht unter Freiheit am Ende nur noch sozialstaatliches Anspruchsdenken (der Begriff „Bürgergeld“ ist im Grunde pervers, weil dieses Bürgergeld mit produktiver Bürgerlichkeit nichts zu tun hat), jene bürgerliche Produktivität, die unsere Gesellschaften einmal groß gemacht hat, wird hingegegen erstickt. Die Aussichten zu Beginn des neuen Jahres stimmen leider alles andere als zuversichtlich.

Daher sei es gesagt: Nein, Freiheit ist keine Floskel. Freiheit bleibt die wichtigste Grundlage eines humanen Zusammenlebens. Und diese Grundlage verspielen wir gegenwärtig.

Auf anderen Seiten: „Deutschland ist bunt. Langsam aber wird es zu bunt“

Kollege Peter J. Brenner hat für seinen Bildungsblog so etwas wie eine pädagogische „Neujahrsansprache“ verfasst.

https://imsw.de/2022/12/farblose-menschen-oder-der-fluch-des-normalseins/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=der-bildungsblog-or-date-mtext_1

Hoffen wir, dass am Ende noch genügend bürgerliche Tugend vorhanden sein wird, die Gesellschaft wieder ans Laufen zu bringen, wenn es zu bunt geworden und die „schöne neue Welt“ trotz großzügiger politischer Aliementierung zusammengefallen sein wird. Wem Bildung am Herzen liegt, sollte seinen Teil dazu beitragen.

Zwischenruf: Preispolitik des Deutschen Hochschulverbandes verwechselt Wissenschaft und Politik

Der Deutsche Hochschulverband, die wichtigste berufsständische Vertretung im Universitätsbereich, zeichnet jährlich einen Kollegen oder eine Kollegin als „Hochschullehrer des Jahres“ aus. Die Auszeichnung ist mit zehntausend Euro dotiert. In den Vorjahren waren die Preisträger 2021 der Virologe Christian Drosten, 2022 Özlam Türeci und Ugur Sahin. Drosten bestimmte maßgeblich die coronapolitische Linie der Bundesregierung und bestimmte durch eigene Podcasts dann auch noch gleich selbst wesentlich deren wissenschaftsjournalistische Kommentierung. Türeci und Sahin waren über ihre Firma BioNTech maßgeblich an der Entwicklung der neuen umstrittenen Coronaimpfstoffe auf Basis der mRNA-Technologie beteiligt. Dass sowohl Drostens wissenschaftliche Haltung als auch die intransparente Rolle von BioNTech in der Coronakrise bis heute umstritten ist, ficht den Deutschen Hochschulverband, der mit seiner Preispolitik einseitig Position für die aggressive deutsche Impfnötigungspolitik bezogen hat, in keiner Weise an.

Nun steht fest, wer die Auszeichnung im kommenden Jahr erhalten wird: Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Die wissenschaftliche Leistung der Preisträgerin soll nicht in Abrede gestellt werden, keineswegs. Doch auch dieses Mal ist die Preisverleihung offenbar in erster Linie politisch motiviert.

Denn der Präsident des Verbandes, Bernhard Kempen, verweist in der Bekanntgabe zur Preisentscheidung ausdrücklich darauf, dass die Geehrte als „Anwältin der Meere und herausragende Wissenschaftskommunikatorin“ ausgezeichnet werde. Aha! Wer meinte, die Hauptaufgabe von Hochschullehrern seien Forschung und Lehre, muss sich wohl irren. Nach Ansicht des Hochschulverbandes sind offenbar politisches Agendasetting und Wissenschaftskommunikation wichtiger. Der Auszeichnung erweist der Verband damit einen Bärendienst.

Wem pädagogische und wissenschaftsethische Standards am Herzen liegen, sollte den Preis künftig eher meiden. Einmal mehr verwechselt der Deutsche Hochschulverband bei seiner Preispolitik Wissenschaft mit Politik. Seriöse Politikberatung ist etwas anderes als ein wissenschaftliches Expertentum, das als Sprachrohr der Politik ausgegeben wird. Ein Wissenschaftsfunktionär wie Kempen tut der Kollegin keinen Gefallen, diese in eine politische Rolle zu drängen. Und Expertise ist noch keine Entscheidung.

Die Wissenschaft kann nicht politische Abwägungen vorwegnehmen und der Politik die Aufgabe aus der Hand nehmen, verbindliche Entscheidungen zu formulieren und parlamentarisch zu legitimieren. Umgekehrt kann die Politik ihr abverlangte Wertentscheidungen nicht unmittelbar aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten und sich dadurch zu entlasten suchen, dass sie allein Expertenmeinungen umsetze. Wo die Unterscheidung zwischen Beratung und Legitimation verkannt wird, tun sich weder Politik noch Wissenschaft auf Dauer einen Gefallen. Politik bedarf der wissenschaftlichen Beratung von außen, aber aus ihr lassen sich nicht gleichsam wie mit einer mathematischen Formel politische Entscheidungen ableiten. Wo das versucht wird, verkehren sich wissenschaftliche Argumente zu politischen Sachzwängen, die sich am Ende politischer Verantwortung entziehen. Umgekehrt erstirbt auf Dauer der wissenschaftliche Diskurs, wenn durch eine Verwechslung der Handlungsebenen Argumente, denen die Politik nicht folgt, auch zugleich als unqualifiziert oder unmoralisch aus dem wissenschaftlichen Diskurs ausgeschieden werden.

Hochschullehrer, die sich wissenschaftlich und pädagogisch verdient gemacht haben, sollen durchaus geehrt werden. Aber dann auch als Hochschullehrer, und nicht als politische Anwälte, Aktivisten oder Wissenschaftsjournalisten. Eine solche Preispolitik verträgt sich nicht mit den ethischen Maximen eines fairen, unparteiischen und ergebnisoffenen wissenschaftlichen Diskurses.