Rezension: Integrationsfaktor Religion

Axel Bernd Kunze bespricht in der neuen Ausgabe der internationalen Zeitschrift für Christliche Sozialethik, AMOSinternational, den Band Integrationspotenziale von Religion und Zivilgesellschaft. Theoretische und empirische Befunde von Edmund Arens, Martin Baumann und Antonius Liedhegener (Zürich: Pano; Baden-Baden: Nomos 2016, 184 Seiten).

Die Rezension (AMOSinternational, 11. Jg., H. 2/2017, S. 47 f.) ist auch online verfügbar:

http://www.kommende-dortmund.de/kommende_dortmund/6-Ver%F6ffentlichungen/71-AMOSint./868,Heft-2-2017-Europa-und-Afrika-%96-Partnerschaft-auf-Augenh%F6he.html

 

Stellenausschreibung: Mathematik- und Sportlehrkräfte gesucht

Die Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik Weinstadt sucht zum 1. September 2017 neue
Lehrkräfte (Honorartätigkeit, Möglichkeit zur Teilzeit) mit folgenden Fachrichtungen:
· Mathematik
· Sport (+ ggf. weiteres Fach)

Zum Aufgabenbereich gehört der Unterricht in der Erzieher- und Kinderpflegeausbildung. Voraussetzung für eine Lehrtätigkeit ist ein Diplom-, Masterabschluss oder die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den genannten Fachrichtungen.

Bewerbungsschluss ist am 30. Juni 2017. Weitere Informationen finden Sie unter:

http://www.grossheppacher-schwesternschaft.de/evang-fachschule-fuer-sozialpaedagogik-aktuell/

Überlegungen zu Chancen und Grenzen der Demokratiepädagogik und Menschenrechtsbildung in der Lehrerbildung

Seit rund fünfzehn Jahren wird in Deutschland intensiv über Reformen im Schul- und Hochschulsystem diskutiert. Auslöser waren zum einen die internationalen Schulleistungsvergleichsstudien, zum anderen der Bologna- und Kopenhagenprozess, durch die ein einheitlicher Bildungsraum in Europa geschaffen werden soll.

  1. Einleitung: Veränderungen innerhalb der deutschen Bildungslandschaft

Im Zuge des Bolognaprozesses wurde die bisherige Studienstruktur auf ein konsekutives Studiensystem umgestellt: Ein erster grundlegender, nichtwissenschaftlicher Studiengang schließt mit dem Bachelor und ermöglicht einen Mittelabgang von der Hochschule. Im zweiten Schritt kann ein wissenschaftlicher oder berufsorientierter Master angeschlossen werden. Für das Lehramtsstudium gibt es in vielen Bundesländern mittlerweile den Bachelor of Education und Master of Education; die pädagogischen Studieninhalte angehender Lehrer werden zunehmend als Bildungswissenschaften bezeichnet. Die bisherige Promotion soll zum dritten Studienabschnitt umgebaut werden, der mit einem PhD abgeschlossen werden soll. Mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen, der den Kopenhagenprozess auf nationaler Ebene umsetzt, sollen akademische und berufliche Abschlüsse durch ein System von acht Qualifikationsstufen vergleichbar gemacht werden, wobei ein bestimmtes Kompetenzniveau entweder über das berufliche Schulwesen oder das Hochschulsystem erreichbar ist.

Die erste PISA-Studie löste eine breite Debatte über die Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems aus. In der Folge werden Curricula heute nicht mehr lernziel-, sondern kompetenzorientiert formuliert. Frühere Lernzielformulierungen waren inputorientiert angelegt, gingen also von Inhalten und Methoden aus, mit denen ein bestimmtes Ziel erreicht werden sollte. Heute wird outputorientiert beschrieben, was der Schüler oder der Student am Ende können soll; der Weg dahin ist zunächst einmal unerheblich. Es geht nicht um Einzelziele, sondern um die koordinierte Anwendung von Einzelleistungen. Allgemein durchgesetzt hat sich in der bildungspolitischen Debatte die aus der Psychologie stammende Kompetenzdefinition Weinerts: Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27 f.).

Die eingeleiteten Reformen haben nicht allein die Struktur oder die Abschlüsse der verschiedenen Bildungsgänge verändert. Inhaltlich neu an der gegenwärtigen Reformdebatte ist überdies, dass Bildung verstärkt als ein Menschenrechtsthema wahrgenommen wird, und zwar ausdrücklich auch im Blick auf das deutsche Bildungssystem. Entsprechend wird das berufliche Handeln von Lehrern heute stärker als früher als eine Menschenrechtsprofession wahrgenommen. Hierzu beigetragen hat nicht zuletzt, dass der damalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz Villalobos, 2006 Deutschland besuchte und 2007 dem Menschenrechtsrat in Genf Bericht erstattete. Ein Recht auf Bildung wurde erstmals mit Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 allgemein festgeschrieben. Die Verwirklichung dieses Rechts ist eine zentrale Voraussetzung für die Verwirklichung individueller Freiheit und sozialer Teilhabe (vgl. Kunze 2012).

Früchte der verstärkten Kompetenzorientierung in Deutschland sind eine demokratiepädagogische Neuausrichtung der politischen Bildung sowie der Einbezug menschenrechtlicher Fragen in das Studium der Bildungswissenschaft. Im Folgenden sollen die Entwicklungen näher in den Blick genommen werden. Zunächst wird aufgezeigt, was unter Demokratiepädagogik [2.1] und Menschenrechtsbildung [2.2] zu verstehen ist. Der Bedeutung beider Konzepte für die Lehrerausbildung wird anhand von exemplarischen Umsetzungen näher nachgegangen: am Beispiel „Service Learning“ [3.1] und am Beispiel des Trierer Seminarformats „Erziehung für Demokratie, Menschenrechte und Zivilgesellschaft“ [3.2]. Dabei werden jeweils die Chancen, aber auch Grenzen demokratie- sowie menschenrechtspädagogischer Konzepte in der Lehrerbildung diskutiert.

  1. Neuere Entwicklungen innerhalb der Bildungswissenschaft

Maßgeblich für die politische Bildung in Deutschland ist nach wie vor der „Beutelsbacher Konsens“ von 1976, benannt nach seinem Entstehungsort im Großraum Stuttgart. Mit ihm sollten durch die Formulierung verbindlicher Fördergrundsätze für die politische Bildung jene Kontroversen entschärft werden, die in der damaligen Bildungsreform der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts die politische Fachdidaktik scharf trennten. Strittig war, ob politische Bildung vor allem Einführung in die bestehende Ordnung und Institutionenkunde sein sollte oder Agent einer weitreichenden Gesellschaftsreform und Systemdebatte. Der Beutelsbacher Konsens legt drei Grundprinzipien fest: Die Schüler sollen die politische Situation und ihre eigene Position in der Gesellschaft selbständig zu analysieren und aktiv zu gestalten lernen (Prinzip der Schülerorientierung). Der Unterricht soll ihnen keine Position aufzwingen, sondern die Inhalte nichtindoktrinär darbieten und ihnen so ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden (Überwältigungs- oder Indoktrinationsverbot). Was gesellschaftlich kontrovers diskutiert wird, muss auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden (Kontroversitätsgebot).

2.1 Demokratiepädagogik

Nach den politischen Umbrüchen 1989/90, bei denen zivilgesellschafltliche Gruppen in den ost- und mitteleuropäischen Reformstaaten eine nicht unwesentliche Rolle spielten, haben innerhalb der Demokratieforschung Themen wie Zivilgesellschaft oder bürgerschaftliches Engagement verstärkt Beachtung gefunden. Auch die politische Fachdidaktik, die Erziehungs- oder Bildungswissenschaft sind davon nicht unberührt geblieben: Was früher politische Bildung war, stellt sich heute in aller Regel als Demokratiepädagogik dar. Nicht zuletzt das von 2002 bis 2006 durchgeführte Programm „Demokratie lernen und leben“ der 2007 aufgelösten Bund-Länder-Kommission, in der Fragen der Bildungsplanung und Forschungsförderung zwischen bundesstaatlicher Ebene und den Bundesländern diskutiert wurden, hat wesentlich zu diesem Paradigmenwechsel beigetragen. Mit Gründung der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik (www.degede.de) hat die demokratiepädagogische Neuausrichtung der politischen Bildung auch organisatorisch sichtbar Gestalt angenommen. Die Gesellschaft gründet auf dem Magdeburger Manifest zur Demokratiepädagogik vom 26. Februar 2005 und folgt dem Slogan „Demokratie erfahrbar machen“.

Charakteristisch für demokratiepädagogische Ansätze ist ein dreifaches Verständnis von Demokratie: In der Vertikalen, also bezogen auf das Verhältnis der Bürger zum Staat, wird von Demokratie als Herrschaftsform gesprochen, in der Horizontalen, also bezogen auf das Verhältnis der verschiedenen politisch-gesellschaftlichen Akteure wie der Bürger untereinander, von Demokratie als Gesellschaftsform. Werden beide Verständnisse von Demokratie miteinander verknüpft, tritt noch eine dritte Unterscheidung hinzu, und zwar Demokratie als Lebensform (vgl. im Folgenden Himmelmann ³2007, S. 33-39):

  • Wird von „Demokratie als Herrschaftsform“ gesprochen, kommt in den Blick, was im klassischen Verständnis als Institutionenkunde bezeichnet wurde, also die Vermittlung von Kenntnissen über die Grundstrukturen des westlich-demokratischen Denkens und des demokratisch orientierten Regierungs- und Herrschaftssystems des Staates. Für das freiheitlich verfasste Gemeinwesen ist charakteristisch, dass weder Staat noch Gesellschaft ein „eigentliches Machtzentrum“ besitzen, sondern viele verschiedene Machtspitzen. Die vom Volk ausgehende Macht teilt sich auf verschiedene Gewalten auf, landet bei unterschiedlichen Organen oder organisiert sich in einer Vielzahl von Interessengruppen.Im Zuge der „problemorientierten“ Neuausrichtung der Politikdidaktik in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geriet diese Perspektive zunehmend an den Rand, stand sie doch im Verdacht, vorrangig affirmative Aneignung an bestehende Strukturen, weniger aber deren kritische Infragestellung und selbständige Urteilsbildung über aktuelle politische Streitfragen zu befördern. Die Beschäftigung mit politischen Inhalten wird allerdings die institutionellen Rahmenbedingungen der repräsentativen Demokratie nicht aus dem Blick lassen dürfen, wenn diese angemessen verstanden werden wollen. Ohne Kenntnisse über das System, die Struktur wie die Funktionen der demokratischen Herrschaft und ohne ein Wissen über die historisch-theoretischen Grundlagen des politischen Systems wird der Einzelne nicht aktiv am politischen Leben teilnehmen können.
  • Die demokratische Herrschaftsform ist nicht Selbstzweck, sondern rechtfertigt sich durch die Sicherung einer bestimmten, als freiheitlich verstandenen Lebens- und Gesellschaftsform. Von „Demokratie als Lebensform“ zu sprechen, fußt ursprünglich auf einer republikanischen, stärker in den USA beheimateten Demokratieauffassung, pädagogisch in der Tradition John Deweys stehend. In der Debatte um die Zivil- oder aktive Bürgergesellschaft ist dieses pragmatistische Konzept neu entdeckt worden. Als „Zivilgesellschaft“ kann die „Umgebung der Politik verstanden werden, die selbst eine politische Bedeutung hat, als agierende und reagierende Öffentlichkeit, organisiert oder auch nicht organisiert“. Die Zivilgesellschaft spielt dabei weniger eine Rolle als privater Rückzugsort, auch wenn sie dies gleichfalls ist; sie wirkt vielmehr als ein „politisch nicht kontrolliertes Widerlager der Politik“ (beide Zitate: Zintl 2010, S. 310). Diese zivilgesellschaftliche Gegenmacht zum Staat ist ein entscheidendes Kennzeichen der freiheitlichen Verfassungsordnung. Von „Demokratie als Lebensform“ zu sprechen, nimmt deren anthropologisch-kulturelle Dimension in den Blick: Zu nennen wären hier beispielsweise Individualität, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, dann Gleichberechtigung, Gegenseitigkeit und Kooperation sowie soziale Verantwortung und das Engagement für gemeinschaftliche Zwecke. Die demokratische Verhaltenseinstellung der Bevölkerung sowie der soziokulturelle Unterbau der formalen Demokratie, nicht zuletzt das bürgerschaftlich-kooperative Verhalten der Einzelnen in ihrer Lebenswelt, werden in diesem Sinne als wichtige Gradmesser für die „Demokratisierung“ eines Landes erachtet, zu deren Weiterentwicklung und Kultivierung politische Bildung beitragen soll.
  • Das Verständnis von „Demokratie als Gesellschaftsform“ knüpft in vielem an das Vorstehende an. Im Vordergrund steht jetzt aber die Frage, wie die Gesellschaft strukturell verfasst ist. Es geht um die Verklammerungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, verstanden als eine Vielheit, die durch spezifische, kulturell verankerte Lebensstile auf der einen sowie multiple, sich gegenseitig überlappende Zugehörigkeiten der einzelnen Gesellschaftsglieder auf der anderen Seite lose zusammengehalten wird. Jedes Teilsystem erbringt dabei spezifische Leistungen, die letztlich dem Ganzen zugutekommen. Als Regelsysteme, die für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft typisch sind, können beispielsweise genannt werden: Pluralismus und Gruppenkoordination; Kooperation, Markttausch und Solidarität; Konkurrenz und Konfliktregulierung oder Pri­vat­heit und Öffentlichkeit. Die Liste ist nicht abgeschlossen. Diese Prinzipien der gesellschaftlichen Selbstregulierung haben an Bedeutung gewonnen, seit mit dem Ende des Systemgegensatzes die äußere Bedrohung verloren gegangen ist.

Ziel politischer Bildung ist es, die Demokratie als „Herrschaftsform“ in ihrer Entwicklung, ihrer Funktionsweise und ihrer Wertigkeit angemessen zu verstehen. In der Demokratiepädagogik wird daneben stärker als bisher der Erfahrungsbezug betont: Die Demokratie soll zugleich als „Lebensform“ erfahrbar gemacht werden und als alle Bereiche umfassende „Gesellschaftsform“ akzeptiert und wertgeschätzt werden. Dabei fällt dem gesellschaftlichen Bereich eine zentrale Rolle als Bindeglied zwischen Lebenswelt und Regierungssystem zu.

Doch bleibt auch bei einem erweiterten Demokratieverständnis zu unterscheiden zwischen dem gesellschaftlichen und dem gemeinschaftlichen Charakter von Demokratie und damit didaktisch zwischen politischer Bildung und demokratischer Erziehung, „zwischen politischem Gebildetsein und demokratiekompatiblem […] Verhalten“ (Reichenbach 2010, S. 154). Die freiheitliche Demokratie kennt einen legitimen Pluralismus an konfligierenden Interessen, die in der Demokratie mitunter heftig aufeinanderprallen können und die mit Hilfe geregelter Verfahren ausgehandelt werden müssen. Schüler müssen kognitiv und prozedural lernen, das Ringen um Macht und Einfluss zu durchschauen sowie an demokratischen Verfahren und politischen Abstimmungen sich kompetent zu beteiligen, wenn sie sich nicht von anderen bestimmen lassen sollen. Sonst bleibt schnell der Eindruck haften, Politik sei „ein schmutziges Geschäft derjenigen da oben“, dem der Einzelne allenfalls hilflos gegenübersteht.

2.2 Menschenrechtsbildung

Schule legitimiert sich nicht vorrangig durch ihren gesellschaftlichen Auftrag. Denn Bildung zielt in erster Linie auf Mündigkeit des Einzelnen: in kultureller, beruflicher, sozialer und politischer Hinsicht. Die gesellschaftlichen Erwartungen an Schule müssen daher so übersetzt werden, dass sie den Bedürfnissen und Interessen der Einzelnen entsprechen.

Die Vermittlung bestimmter Kulturtechniken und Kulturinhalte sollte Teil einer umfassenden Persönlichkeitsbildung sein und der Ausbildung von Urteilsfähigkeit dienen. Dieser Anspruch gilt grundsätzlich für alle, was aktuell nicht zuletzt durch die Debatte um ein Menschenrecht auf Bildung politisch wie sozialethisch verstärkt ins Bewusstsein gerückt ist. Der Zugang zu Bildung muss jedem möglich sein, unabhängig von äußeren Merkmalen. In der spätmodernen Gesellschaft gibt es kaum noch einen Lebensbereich, der nicht auf Bildungsprozesse angewiesen ist. Umgekehrt wird sich der Einzelne daher ohne Bildung nahezu in allen anderen Lebensbereichen schwer tun. Dabei geht es nicht allein um funktionale Herausforderungen. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich zum Gelernten selbständig verhalten zu können. Die pluralistische Willensbildung ist nicht nur ein Ziel von Schule, sondern notwendiges Grundprinzip der Schule in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Ein umfassendes Recht auf Bildung besteht aus drei großen Elementen:

  • Zunächst einmal sichert es den Zugang zu Bildungsangeboten (Recht auf Bildung). Funktionsfähige und hinreichend ausgestattete Schulen müssen in ausreichender Zahl verfügbar sein und sowohl körperlich als auch ökonomisch zugänglich sein. Das schulische Angebot sollte qualitativ hochwertig gestaltet sein, unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen gerecht werden und sich als anpassungsfähig an veränderte Lebensbedingungen erweisen.
  • Bildung verwirklicht sich nur in pädagogischer Beziehung. Die verschiedenen Akteure, die am pädagogischen Prozess beteiligt sind, müssen in der Lage sein, diesen mitzugestalten (Recht in der Bildung). Gesichert sein muss sowohl die Freiheit der Lernenden als auch der Lehrenden. Die Lernenden müssen ein eigenständiges Urteil über das Gelernte entwickeln können und sie müssen sich sicher sein dürfen, dass die Schuldisziplin nur mit menschenwürdigen Mitteln gesichert wird. Lehrer müssen dienstrechtlich, strukturell und finanziell hinreichend abgesichert sein, damit sie auch wirklich zur Freiheit erziehen können. Die Eltern besitzen das erstrangige Recht, über die Bildung zu bestimmen, die ihren Kindern zuteilwerden soll. Damit hinreichende pädagogische Wahlmöglichkeiten bestehen, ist privaten Trägern garantiert, eigene Schulen mit eigenem Profil zu gründen.
  • Bildung ist nicht allein ein eigenständiges Menschenrecht, sie ist auch eine wichtige Voraussetzung zur Verwirklichung aller weiteren Menschenrechte. Aus Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 kann ein eigenständiges Recht auf Menschenrechtsbildung abgeleitet werden (Recht durch Bildung). Schule soll den Schüler nicht auf bestimmte Möglichkeiten festlegen, sondern der umfassenden Persönlichkeitsbildung dienen. Der Einzelne soll ein Bewusstsein der eigenen Würde erlangen und über seine Rechte aufgeklärt werden. Nur dann wird er seine Rechte auch wirksam einfordern und aktiv am rechtlichen Leben teilnehmen können.

Menschenrechtsbildung umfasst dabei mehr als die Vermittlung von Kenntnissen über die Entwicklung und die Inhalte der Menschenrechte. Der Einzelne soll zugleich erkennen, dass der andere dieselben Menschenrechte im selben Umfang besitzt – einzig und allein deshalb, weil er Mensch ist. Der Schüler soll den Willen entwickeln, die Menschenrechte zu achten, und er soll Fähigkeiten erwerben, sich aktiv für ihre Verwirklichung einzusetzen. Menschenrechtsbildung im umfassenden Sinne meint daher

  • Bildung über die Menschenrechte,
  • Bildung durch die Menschenrechte und
  • Bildung für die Menschenrechte.

Menschenrechtsbildung in der Schule geschieht nicht allein dort, wo explizit über die Menschenrechte gesprochen wird, beispielsweise im Geschichts-, Politik-, Ethik- oder Religionsunterricht. Die Idee der Menschenrechte postuliert den Grundwert der Menschenwürde als unhintergehbares Fundament, das jeder konkreten Rechtsordnung immer schon vorausliegt. Damit wird ein Menschenbild impliziert, in dem sich – über die Achtung der unveräußerlichen Würde eines jeden Einzelnen und daraus erwachsender Menschenrechte – Vorstellungen über das Wesen menschlicher Existenz mit Prinzipien gerechter Gesellschaftsgestaltung verbinden. Ein solches Menschenbild hat auch pädagogisch Auswirkungen: Schule fördert eine präventive Kultur der Menschenrechte, die Menschenrechtsverletzungen möglichst schon im Voraus begegnet, überall dort, wo innerhalb der Schulgemeinschaft ein Umgang im Geist der Menschenrechte gepflegt wird, im respektvollen und wertschätzenden Miteinander, in der Achtung vor der Meinung und der Überzeugung des anderen oder im konstruktiven Umgang mit Konflikten und im Einsatz für eine gerechte Gestaltung des Schullebens.

  1. Exemplarische Umsetzung in der Lehrerbildung

Demokratiepädagogik geht davon aus, dass die Schule nicht allein Vorbereitung auf ein späteres demokratisches Engagement ist. Vielmehr sollen die Schüler Demokratie bereits in der Schule praktisch erfahren und dadurch einen demokratischen Habitus ausbilden. Hierfür braucht es Methoden eines selbstgesteuerten, handlungsorientierten Unterrichts, der nicht allein Wissen vermittelt, sondern zur eigenständigen Urteilsbildung und zum aktiven Erwerb von Handlungsfähigkeiten für ein Leben in der Demokratie hinführt.

Das Programm der Demokratiepädagogik greift über den engeren Bereich der politischen Bildung hinaus und kann sich zugleich als wirksames Instrument der Schulentwicklung erweisen: Die Schule selbst soll als eine demokratische Gemeinschaft gestaltet sein und sich ferner zur Lebenswelt um sie herum, zur Gesellschaft und zur Gemeinde hin, öffnen. Gisela Behrmann hat den pädagogischen Wandel, der mit der demokratiepädagogischen Neuorientierung verbunden ist auf eine einprägsame Formel gebracht: Hieß es in der politischen Bildung „Demokratie will gelernt sein, um gelebt werden zu können“, heißt es in der Demokratiepädagogik „Demokratie will gelebt werden, um erlernt werden zu können“ (Behrmann 1996, S. 121). Diesem Anspruch folgt das aus den USA kommende „Service Learning“, das zuerst für den schulischen Bereich entwickelt worden ist, inzwischen aber auch in der Lehrerausbildung eingesetzt wird.

3.1 Universitäres „Service Learning“

3.1.1 Chancen

Service-Learning-Programme sind nicht bloß ein weiterer fachdidaktischer Zugang innerhalb des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes oder ein neues Modell außerunterrichtlicher Projektarbeit, sondern eine methodische Großform, die das Arbeiten der Schüler wie Lehrer entscheidend verändert durch das Ziel, „bestimmte schulische Lernprozesse grundlegend anders zu organisieren“ (Sliwka 2004, S. 33) und eine „kollaborative Kultur“ (ebd., S. 38) der Teamarbeit innerhalb des Lehrerkollegiums zu etablieren. Inzwischen hat „Service Learning“ auch in der Universität Eingang gefunden, so beispielsweise an der Universität Mannheim: „Freiwilliges Engagement ist nicht länger eine Nebentätigkeit der Studierenden, sondern ein Bestandteil des Lehrcurriculums: Ein soziales, kulturelles oder ökologisches Projekt wird in die Thematik eines Seminars an der Universität eingebunden. Die praktischen Erfahrungen im Service werden im Unterricht reflektiert und fördern dadurch akademisches Lernen“ (Reinmuth/Saß/Lauble 2007, S. 13).

Derartige Lehrveranstaltungen verstehen sich als ein offener Prozess problemorientierten Lernens (vgl. Sliwka 2007): Im Vorfeld steht eine Recherchephase, in der Herausforderungen und Probleme innerhalb der Gemeinde (community) identifiziert werden. In enger Kooperation mit externen Partnern und unter Anwendung moderner Projektmanagementinstrumente werden mögliche Lösungsansätze entwickelt. Hierbei muss geklärt werden, ob die Projekte für die Dauer eines Seminars geeignet sind und sich die angezielte Praxis wissenschaftlich begründet ausweisen lässt. Schließlich kommt es zur Umsetzung des Projekts (service), das am Ende einer strukturierten Evaluation unterzogen wird. Im Rahmen des Seminars werden die Praxiserfahrungen der Studenten kontinuierlich reflektiert sowie zugeordnete wissenschaftliche Themen vertieft (learning). An der Universität Mannheim wurden im Rahmen von Service-Learning-Seminaren beispielsweise folgende Tätigkeiten durchgeführt: Ausbildung von Streitschlichtern, Elterntraining, Leseförderung bei Erstklässlern, Lesetraining mit ausländischen Schülern, Sprachtraining mit deutschen Hauptschülern, Aus- und Fortbildung von Hausaufgabenhelfern oder die Vorbereitung gefährdeter Schüler auf die Abschlussprüfung (vgl. Hofer 2007, S. 40 – 43).

„Service Learning“ strebt ein hohes Maß an Theorie-Praxis-Verknüpfung an. Die praktische Tätigkeit soll nicht neben dem fachwissenschaftlichen Studium her laufen, wie dies beim Konzept des „Community Service“ der Fall ist. Anders als bei Praktika steht nicht die persönliche Weiterentwicklung des einzelnen Studenten, sondern der Dienst am Gemeinwohl im Vordergrund (vgl. Reinmuth/Saß/Lauble 2007, S. 17 – 19). Anne Sliwka, die maßgeblich dazu beigetragen hat, Service Learning in Deutschland bekannt zu machen, verbindet den Auftrag an die Studenten, reale, konkrete Probleme zu lösen, die sich außerhalb der Universität stellen, unverkennbar mit einem gesellschaftspolitischen Anspruch: Die Studenten sollen als Gegenleistung für die Möglichkeit zum Studieren der Gesellschaft etwas zurückgeben, an der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen mitwirken und so „einen eigenen Beitrag zur Überwindung gesellschaftlicher Stagnation leisten“ (Sliwka 2007, S. 30). Die Studenten sollen aus passiven Nutzern zu aktiven Bürgern werden: „Service Learning hat […] das Potential Vertrauen zu stiften – in die eigenen Fähigkeiten, Probleme zu lösen, und in die gesellschaftliche Kraft, mit Hilfe gemeinsamen Handelns die Dinge zum Besseren zu wenden“ (ebd.). Was früher ehrenamtliches Engagement war, zahlt sich nun für die Studenten in „Credit points“ aus (vgl. Osel 2012).

3.1.2 Grenzen

Projekte, die als „Service Learning“ angeboten werden, eint ein weites Demokratieverständnis: Die Studenten sollen gleichsam zur „lebendigen Ressource“ einer eng vernetzten aktiven Bürger- oder Zivilgesellschaft werden. Gegen Lernerfahrungen durch praktische Projekte ist nichts zu sagen. Doch liegt an dieser Stelle auch eine didaktische Gefahr verborgen, die nicht übersehen werden sollte. Nicht mehr das individuelle Forschungsinteresse steht im Vordergrund; Inhalte und Ziele werden stattdessen von außen vorgeben: „Service Learning-Seminare orientieren sich vielmehr an den Bedürfnissen der ‚Klienten‘ in der Lebenswelt, für die Hochschullehrer und Studierende gemeinsam arbeiten. Die Aufgabe entsteht also nicht im Kopf der Dozenten oder Studierenden […] Sie reagiert auf ein Defizit und schließt eine Handlungslücke, die ohne die Arbeit der Studierenden nicht geschlossen würde. Genau daraus resultiert ein Gefühl von Relevanz des eigenen Handelns“ (Sliwka 2007, S. 31).

Eine Demokratiepädagogik, die sich nicht „affirmativ als unkritische Einübung und als Sozialisierung in den bestehenden Status quo der Demokratie“ (Röken 2011, S. 158) verstehen will, wird stets selbstkritisch zu prüfen haben, ob weniger die Studenten oder Lehrenden mit ihren Bedürfnissen, Interessen und Ansprüchen im Vordergrund serviceorientierter Lernprozesse stehen oder vielmehr institutionelle Anforderungen, Interessen und Ziele außeruniversitärer Partner oder administrativ Verantwortlicher. In diesem Fall ginge für die Studenten die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Relevanz verloren; profitieren würden andere Akteure auf administrativer Seite, die sich durch die erfolgreiche Etablierung neuer Lernmethoden Ressourcengewinne, Profilierungserfolge oder Einflusszuwachs versprechen. Akademische Arbeit ohne Entlohnung und ein nicht mehr rein freiwilliges Engagement würden als politische Partizipation verkauft. Übrig bliebe eine Form der Pseudopartizipation, die am Ende den gesamten Lernprozess infrage stellen könnte. Bisherige Erfahrungsberichte über Service-Learning-Programme zeigen, dass durchaus noch Nachholbedarf besteht, derartige Prozesse der Machtbildung und interessengeleiteten Normsetzung auszuleuchten.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Demokratiegedanke überhöht und zugleich politisch entkernt wird. Demokratiepädagogik, die zwar Einsicht in demokratische Werte vermitteln will, dabei aber die notwendige Befähigung zum Verstehen institutioneller Formen der Politik und die Ausbildung politischer Urteilsfähigkeit aus dem Auge verliert, erhält leicht moralisierenden Charakter. Die Aufgabe einer „Bildung zur Demokratie“ würde auf das Problem einer Passung zwischen Person und Sozialstruktur reduziert. Am Ende stünde nicht ein reflektierter Praxisbezug, der bestehende Machtgefüge der Prüfung unterzieht, sondern übrig blieben allein Problemlösungsstrategien innerhalb bestehender Strukturen, wobei in aller Regel die Frage ausgeblendet bleibt, warum es politisch nicht gelingt, für diese Leistungen genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen und diese ausreichend zu finanzieren.

3.2 Erziehung für Demokratie, Menschenrechte und Zivilgesellschaft

3.2.1 Chancen

Bildungswissenschaftliche Lehrveranstaltungen, die auf eine Unterrichtstätigkeit in der Schule vorbereiten sollen, müssen zwei Dimensionen des Lehrerhandelns berücksichtigen: eine sachliche und eine sittliche Seite – für die Schule heißt das: eine unterrichtliche und eine erzieherische. Bildung meint den Aufbau von Wissen und den Erwerb von Fähigkeiten, die für ein mündiges, selbstbestimmtes Leben unverzichtbar sind; dies geschieht vor allem im Unterricht. Durch Erziehung soll aus dem erworbenen Wissen und den erworbenen Fähigkeiten eine Haltung werden; der Schüler soll lernen, seine Fertigkeiten lebensdienlich und gemeinwohlförderlich umzusetzen. Beide Aspekte professionellen Lehrerhandels bedingen sich wechselseitig; für beide Aspekte sollten künftige Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen ihres Studiums Kompetenzen ausbilden. Beide Aufgaben können nicht voneinander gelöst werden, weshalb immer von einem doppelten Auftrag der Schule zum Unterrichten und Erziehen gesprochen wird. Ein erziehender Unterricht wird darauf ausgerichtet sein, dass die Educandi nicht allein bestimmte Fähigkeiten oder Inhalte erwerben, sondern sich zu diesen in ein subjektiv bestimmentes Verhältnis setzen. Das heißt: Sie müssen das Erlernte auch bewerten und nach der Bedeutsamkeit des Gelernten für das eigene Handeln fragen.

Im Rahmen ihres bildungswissenschaftlichen Studiums sollten Studierende ein pädagogisches Wissen über Theorie und Praxis der Schule erwerben, sie sollten aber auch dazu befähigt werden, gegenüber der beruflichen und öffentlichen Diskussion über die Schule und ihre künftige Entwicklung ein eigenständiges, fachlich begründetes Urteil einzunehmen, und sie sollten schließlich in die Lage versetzt werden, daraus Konsequenzen für ihre eigene Lehrerrolle abzuleiten. Im Zuge der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge sind die Praxisphasen, die künftige Lehrer während ihres Studiums absolvieren müssen, deutlich verstärkt worden. Dies bietet die Chance, in den Lehrveranstaltungen vermehrt auf eigene Praxiserfahrungen zurückgreifen zu können.

Allerdings kommt es im Rahmen des Studiums darauf an, nicht bei einem subjektiven oder kontingenten Alltagsverständnis von Schule stehen zu bleiben. Ein geklärtes und professionelles Selbstverständnis als Lehrer oder Lehrerin setzt einen theoriegeleiteten Blick auf das Arbeitsfeld Schule und das eigene Handeln darin voraus. Die Beschäftigung mit verschiedenen Theorien zu Schule, Bildung und Erziehung soll dazu dienen, alternative Denk- oder Handlungsmöglichkeiten kennen zu lernen sowie die eigenen Möglichkeiten im Lehrerhandeln, dessen Bedingungen, aber auch Grenzen differenziert und reflexiv beurteilen zu können.

An der Universität wurde mit Einführung des neuen kompetenzorientierten Bachelorstudiengangs in den Bildungswissenschaften zum Sommersemester 2009 die Chance genutzt, ein neues Seminarformat zu etablieren, das für die angehenden Lehrer zu Beginn des Studiums verpflichtend ist. Innerhalb der einzelnen, parallel stattfindenden Seminarveranstaltungen konnten die Dozenten unter der gemeinsamen Überschrift „Erziehung für Demokratie, Menschenrechte und Zivilgesellschaft“ inhaltlich eigene Schwerpunkte setzen; der Verfasser hat während seiner Zeit an der Universität Trier dabei vor allem Seminare zur Menschenrechtsbildung und zum Globalen Lernen angeboten. Die Erfahrungen bei der didaktisch-methodischen Konzeptentwicklung des neuen Seminarformats wurden im Rahmen einer eigenen Arbeitsgruppe regelmäßig ausgewertet.

Die selbstreflexive Auseinandersetzung mit Bildungs- und Erziehungstheorien erfolgte im Rahmen der einzelnen Seminare anhand konkreter Beispiele aus dem Bereich schulischer Demokratiepädagogik oder Menschenrechtsbildung. Für die Studierenden wird auf diese Weise unmittelbar anschaulich, wie sich der Lehrberuf im schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag konkretisiert. Dabei geht es um einen Prozess wechselseitiger Erschließung – und zwar zwischen der Reflexion von Erfahrungen aus der pädagogischen Wirklichkeit auf der einen sowie deren wissenschaftlichen Erhellung durch Bildungstheorie und Erziehungswissenschaft auf der anderen Seite: Die Studierenden sollen sich so anhand exemplarischer Erziehungssituationen und schulischer Herausforderungen die Besonderheit der beiden pädagogischen Zentralbegriffe Bildung und Erziehung erschließen. Und sie können umgekehrt erkennen, wie sich der in der Bildungs- und Erziehungstheorie enthaltene Sinngehalt im pädagogischen Handeln des Schulalltags realisieren lässt.

Ein besonderes Augenmerk lag auf der Verknüpfung der Seminarinhalte mit Formen des Offenen, handlungsorientierten Unterrichts. Diese sollten für die Studierenden bereits im Seminar selbst erfahrbar werden, auch wenn Methoden aus der Schule nicht eins zu eins in andragogische Lehrveranstaltungen im Rahmen der Hochschule übertragen werden können, sondern altersentsprechend angepasst werden müssen. Zum einen sollten sich die Studierenden im Rahmen der Seminare durch die Gestaltung einzelner Sitzungseinheiten selbst ausprobieren können. Über das eigene pädagogische Handeln im Seminar wurde ein Feedback durch die Lerngruppe eingeholt. Ferner wurden die Seminarerfahrungen im Rahmen eines Portfolios oder Lerntagebuchs reflektiert sowie mit dem Dozenten in der Sprechstunde ausgewertet.

Zum anderen stand am Ende des Seminars ein präsentationsfähiges Produkt, das von den Studierenden selbst erarbeitet wurde. Im Prozess der Erstellung konnten aktiv Handlungsfähigkeiten, die für das spätere Lehrerhandeln wichtig sind, aufgebaut werden. Seminarprodukte konnten beispielsweise ein gemeinsam erarbeitetes Stationenlernen, eine Posterausstellung zum Seminarthema mit Ausstellungskatalog oder eine Sammlung von Unterrichtsentwürfen sein. Die erfolgreichen Abschlusspräsentationen im Rahmen der Universitätsöffentlichkeit (beispielsweise die Ausstellung der erarbeiteten Unterrichtsentwürfe im Foyer) oder der Seminargruppe (beispielsweise wenn das erarbeitete Stationenlernen selber ausprobiert wurde) zeigen, dass es gelungen ist, ein neues Seminarkonzept zu entwickeln und zu etablieren, das dem neuartigen Charakter des berufsqualifizierenden Bachelorstudiums und der mit der Reform angestrebten besonderen Theorie-Praxis-Verknüpfung gerecht wird.

3.2.2 Grenzen

Demokratiepädagogik oder Menschenrechtsbildung im Rahmen der Lehrerbildung ist ein Akt zweiseitiger Er­schließung: Zunächst einmal geht es darum, die Studierenden mit den Prinzipien, Zielen und Methoden schulischer Demokratiepädagogik oder Menschenrechtsbildung vertraut zu machen, sollen sie diese in ihrem Lehrerhandeln dann eigenständig didaktisch-methodisch umsetzen. Schule ist selbst kein politischer Akteur, aber sie prägt das politische Leben entscheidend mit, und zwar durch das, was sie ihren Schülern mit auf den Lebensweg gibt – oder eben auch nicht. Dabei geht es nicht allein um funktionale Kompetenzen, sondern auch um soziale Tugenden, also ein gereiftes sittliches Urteil im Umgang mit politischen Fragen, und um den Willen, gemäß der eigenen sittlichen Einsicht sich für das Gemeinwesen einzusetzen.

Darüber hinaus ist im Rahmen der Lehrerbildung auch Sensibilität dafür zu wecken, dass Demokratiepädagogik und Menschenrechtsbildung im Raum der Schule auch eine Reflexion über die eigene politische Rolle oder den Umgang mit Menschenrechten im Rahmen des beruflichen Handeln einschließt. Lehrer sollten in der Lage sein, das eigene professionelle Tun im Blick auf seine gesellschaftlichen und politischen Funktionen (und Abhängigkeiten) zu reflektieren. Sie sollten in der Lage sein, „Schule selber zu denken“, sich aktiv in schulinterne oder öffentliche Debatten (z. B. in Konferenzen, Berufsverbänden oder fachlich interessierter Öffentlichkeit) einzumischen und so das eigene Arbeitsumfeld aktiv mitzugestalten.

Lehrer spielen dabei eine doppelte Rolle: Zum einen sind sie im schulischen Raum Sachwalter des Staates, haben also die Rechte der Schüler und Eltern zu achten, zu schützen und zu erfüllen. Zum anderen sind sie aber auch selbst Träger eigener Rechte – und zwar in zweierlei Hinsicht: Zunächst einmal kann grundsätzlich nur jemand zur Freiheit befähigen, der auch selbst entsprechende Freiheit genießt. Daher sind Lehrer auch in besonderer Weise auf den Schutz ihrer eigenen Persönlichkeitsrechte angewiesen: Denn wenn Bildung und Erziehung nur in personalen Beziehungen denkbar sein, macht dies Lehrerinnen und Lehrer auch in besonderer Weise angreifbar.

Menschenrechtsbildung legitimiert sich nicht von bestimmten Systemzwecken, sondern vom Individuum her – oder anders gesagt: durch die politische Anthropologie, die der liberale, den Menschenrechten verpflichtete Rechts- und Verfassungsstaat voraussetzt. Demokratiepädagogik und Menschenrechtsbildung sind wesentlich „Anstiftung zur Freiheit“ (Sander ³2008, S. 53). Pädagogik wird auf diese Weise ihren unverzichtbaren Beitrag zur Stabilität und Weiterentwicklung des demokratisch verfassten Gemeinwesens leisten – allerdings indirekt, damit aber keinesfalls auf gering zu achtende Weise: „nicht durch Belehrung oder Indoktrination, sondern durch die Befähigung der Bürgerinnen und Bürger, Mitverantwortung für die gemeinsamen Angelegenheiten zu übernehmen, die politische Kultur der Freiheit mit Leben zu erfüllen und diese dadurch auch zu bewahren“ (S. 53). Umgekehrt wird sich nur ein demokratisch verfasster Staat politisch mündige Bürger wünschen und auch ertragen können. Leitbild sollte der kompetente, beteiligungsfähige, am politischen Geschehen interessierte interventionsfähige Bürger sein.

Nicht intentional als Unterrichtsstoff vermittelbar sind bestimmte Tugenden, Bürgerhaltungen oder Dispositionen. Diese entwickeln sich im gesellschaftlichen und personalen Umgang innerhalb der Schulgemeinde, sind eine Frage des schulischen Erziehungsauftrags. Es braucht die leidenschaftliche Debatte um den Stellenwert von Freiheit, Gleichheit und Solidarität, es braucht den engagierten Einsatz für das Recht und einen gesellschaftlichen Grundkonsens, es braucht den Willen zum Kompromiss und zur Kooperation. An einer Kultur der Menschenrechte zu arbeiten und jenes Ethos zu fördern, auf das die Menschenrechte angewiesen sind, bleibt eine beständige Aufgabe. Doch wird der freiheitliche Staat in bestimmtem Maße darauf vertrauen müssen, dass eine Gesellschaft auch Nichtengagement, Gleichgültigkeit oder Indifferenz verträgt. Eine Gesellschaft, in der es all dies nicht mehr geben geben dürfte, wäre eine uniformierte, totalitäre und kontrollkonforme Gesellschaft.

Ihre Grenze finden Demokratiepädagogik und Menschenrechtsbildung dort, wo sie nicht allein Handlungskompetenzen, sondern auch habituelle Kompetenzen zu steuern beanspruchen, wo sie also eine bestimmte zu den Menschenrechten und zur Demokratie passende habituelle Disposition auf Seiten der Lernenden herzustellen versuchen. Dies gerät schnell in die Gefahr, die Educandi im Sinne gesellschaftspolitisch erwünschter Meinungen zu überwältigen, und erreicht dadurch fatalerweise genau das Gegenteil des Gewünschten: Die Lernenden werden daran gehindert, sich ein selbständiges Urteil zu bilden. Die Zustimmung, das Werturteil oder die eigene sittliche Entscheidung werden erschlichen, nicht pädagogisch geweckt und in Freiheit selbst vollzogen. Genau an dieser Stelle verläuft dann aber auch die Grenze, die Bildung in der Demokratie von Indoktrination oder Manipulation unterscheidet. Am Ende stünden sonst nicht Demokraten, die vermeintlich „richtig denken“, sondern Demokraten, die es überhaupt verlernt haben, selbständig zu denken. Gerade dies aber ist der aufklärerische Anspruch jeglicher Bildung.

Literatur                                                                                  

Gisela Behrmann (1996): Demokratisches Lernen in der Grundschule, in: Siegfried George, Ingrid Prote (Hg.): Handbuch zur politischen Bildung in der Grundschule, Schwalbach a. Ts., S. 121 – 149.

Gerhard Himmelmann (³2007): Demokratie lernen als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Schwalbach  a. Ts.

Manfred Hofer (2007): Ein neuer Weg in der Hochschuldidaktik. Die Service Learning-Seminare in der Pädagogischen Psychologie an der Universität Mannheim, in: Anna Maria Baltes, Manfred Hofer, Anne Sliwka (Hg.): Studierende übernehmen Verantwortung. Service Learning an deutschen Universitäten, Weinheim/Basel,  S. 35 – 48.

Axel Bernd Kunze (2012): Freiheit im Denken und Handeln. Eine pädagogische-ethische und sozialethische Grundlegung des Rechts auf Bildung, Bielefeld.

Johann Osel (2012): Bachelor mit Herz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 297 v. 24./25./26. Dezember, S. 16.

Roland Reichenbach (2010): Die Macht des Volkes „lernen und leben“ …? Zur Kritik persuasiver Metaphoriken im pädagogischen Demokratiediskurs, in: Stefan Aufenanger, Franz Hamburger, Luise Ludwig, Rudolf Tippelt (Hg.): Bildung in der Demokratie. Beiträge zum 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Opladen/Farmington Hills, Mi, S. 145 – 168.

Sandra Iris Reinmuth, Christina Saß, Silvia Lauble (2007): Die Idee des Service Learning, in: Anna Maria Baltes, Manfred Hofer, Anne Sliwka (Hg.): Studierende übernehmen Verantwortung. Service Learning an deutschen Universitäten, Weinheim/Basel, S. 13 – 28.

Gernod Röken (2011): Demokratie-Lernen und demokratisch-partizipative Schulentwicklung als Aufgabe für Schule und Schulaufsicht, Münster i. Westf.

Wolfgang Sander (³2008): Politik entdecken – Freiheit leben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung, Schwalbach a. Ts.

Anne Sliwka (2004): „Freiwillig hätte ich das nie gemacht, jetzt würde ich das sofort wieder tun“: Erfahrungen mit Service Learning an deutschen Schulen, in: Anne Sliwka, Christian Petry, Peter E. Kalb (Hg.): Durch Verantwortung lernen. Service-Learning: Etwas für andere tun. 6. Weinheimer Gespräche, Weinheim/Basel, S. 32 – 57.

Anne Sliwka (2007): „Giving Back to the Community“ Service Learning als universitäre Pädagogik für gesellschaftliches Problemlösen, in: Anna Maria Baltes, Manfred Hofer, Anne Sliwka (Hg.): Studierende übernehmen Verantwortung. Service Learning an deutschen Universitäten, Weinheim/Basel,  S. 29 – 34.

Franz Emanuel Weinert (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit, in: Ders. (Hg.): Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim/Basel, S. 17 – 31.

Reinhard Zintl (2010): Provokationen der Krise: Zum Verhältnis von Unternehmen, Zivilgesellschaft und politischen Institutionen auf der internationalen Ebene, in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften, 51. Jahrgang , S. 301 – 320.

Kolumne: Kinderrechte ins Grundgesetz?

Axel Bernd Kunze ist als regelmäßiger Kolumnist für die katholische Tageszeitung „Die Tagespost“ tätig. In der Samstagsausgabe vom 3. Juni 2017 erschien seine neueste sozialethische Kolumne:

„Die scheidende Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat sich für eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen. Dies trifft auf kritische Resonanz bei Dr. Axel Bernd Kunze, Gesamtschulleiter einer Fachschule für Sozialpädagogik, der in der Kolumne vom Wochenende dafür plädiert, Schutz- und Förderansprüche von Kindern unterhalb der Verfassungsebene zu verbessern.“ (aus: http://www.ksz.de)

Die Kolumne ist auch online erschienen auf den Seiten der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach:

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Ludwigsburger Vorlesungspartnerschaft: Inklusion und Bildungsethik

Die Evangelische Hochschule Ludwigsburg und die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg haben eine Vorlesungspartnerschaft ins Leben gerufen: zum Thema Menschenrechtsbildung. Im Mai 2017 fanden die ersten beiden Gastvorlesungen statt, die das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung in einem inklusiven System sowie die damit verbundene Verpflichtung zur Menschenrechtsbildung analysierten. Bei der ersten Veranstaltung am 18. Mai 2017 sprach Dr. Katja Neuhoff von der Fachhochschule Düsseldorf, am 30. Mai 2017 Privatdozent Dr. Axel Bernd Kunze, Erziehungswissenschaftler, Publizist und Schulleiter aus Waiblingen. Beide Referenten haben im früheren DFG-Projekt „Das Menschenrecht auf Bildung: Anthropologisch-ethische Grundlegung und Kriterien der politischen Umsetzung“ mitgearbeitet, das in Kooperation zwischen dem Bamberger Lehrstuhl für Christliche Soziallehre und Allgemeine Religionssoziologie sowie dem Forschungsinstitut für Philosophie durchgeführt worden war.
Der Vortrag am 30. Mai unter dem Titel „Inklusion und Bildungsethik“ fragte aus bildungsethischer Perspektive nach dem systematischen Stellenwert des Inklusionsprinzips und stellte anhand von zwei Praxisbeispielen dar, wie das Thema in der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen verankert werden kann. Bei den Praxisbeispielen handelte es sich um das Trierer Seminarformat „Erziehung für Menschenrechte, Demokratie und Zivilgesellschaft“ sowie ein selbst entwickeltes Fortbildungsmodul zur sozialpädagogischen Berufsethik, das in verschiedenen Fachschul- und Hochschulseminaren erprobt wurde. Das Fortbildungsmodul, bei dem eine ethische Fallbesprechung inszeniert wird, soll in Kürze auch in einem Beitrag für die kommende Ausgabe der fachdidaktischen Zeitschrift „Pädagogikunterricht“ vorgestellt werden.
Die Vorlesungspartnerschaft wird im nächsten Sommersemester fortgesetzt werden und soll dann auch publiziert werden.