Neuerscheinung: Themenheft „Bildung“ der Zeitschrift „Lebendiges Zeugnis“

Das erste Themenheft dieses Jahres der neugestalteten Zeitschrift „Lebendiges Zeugnis“ (73. Jahrgang, Heft 1, März 2018) widmet sich dem Thema BILDUNG. Die Zeitschrift, die vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken herausgegeben wird, beleuchtet in ihrem Themenschwerpunkt nicht zuletzt die Rolle der Kirche als Bildungsträger im Allgemeinen (Ralph Bergold) und das kirchliche Engagement in verschiedenen Bereichen des Bildungssystems, etwa die Arbeit der Katholischen Schulen (Joachim Göbel und Martin Steffens), die Bildungsarbeit der Caritas (Martina Polleres-Hyll und David Himler), die kirchliche Erwachsenenbildung (Claudia Pfrang), die politische Bildungsarbeit der Kirche (Guido Erbrich) sowie die Jugendakademien und Stipendienwerke (Andreas Glock). Das Themenheft wurde konzeptionell entwickelt vom Münchner Kirchenhistoriker Dr. Stephan Mokry, Mitglied des Beirates der Zeitschrift. Ein Jahresabonnement (vier Hefte/Jahr) kostet 21,00 Euro.

Axel Bernd Kunze beleuchtet aus bildungsethischer Perspektive, wie im Bildungsbereich, nicht zuletzt in der Schule, mit Fragen konfessioneller Identität umgegangen werden sollte:

Axel Bernd Kunze: Prüfstein von Bildungsfreiheit und positiver Religionsfreiheit. Bildungsethische Überlegungen zum Umgang mit konfessioneller Identität, in: Lebendiges Zeugnis 73 (2018), H. 1 v. März 2018, S. 13 – 24.

 

Gute Wünsche für gesegnete Kar- und Ostertage

Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt die Feier der Kar- und Ostertage. Allen, die mein Weblog zur Bildungsethik interessiert verfolgen, wünsche ich gesegnete Kar- und Ostertage, gute Feiertage sowie erholsame Osterferien. Vielleicht können die folgenden Gedanken ein paar Akzente für die kommenden Tage setzen. Ich freue mich, wenn wir auch weiterhin im gemeinsamen Austausch über bildungsethische Fragen miteinander in Verbindung bleiben.

Ihr Axel Bernd Kunze

„Ostern steht nicht für eine Totenauferweckung, durch die der Verstorbene in sein bisheriges Leben zurückkehrt. Ostern steht für die endgültige Überwindung des Todes, für eine ganz neue und einzigartige Wirklichkeit, die über unseren irdischen Erfahrungsbereich hinausgeht. Uns Menschen, die noch diesseits des Todes leben, fehlt die Möglichkeit, uns diese Wirklichkeit umfassend vorzustellen und davon zu sprechen.

Das irdische Leben Jesu – seine Verkündigung, sein Tod, sein Begräbnis – können wir beschreiben. Was aber mit Ostern in unsere Welt einbricht, liegt auf einer anderen Ebene von Wirklichkeit, entzieht sich unserer Kontrolle. Wir können darüber nur in übertragener Weise sprechen. Schon die Rede von einem „historischen Ereignis“ versagt beim Ostergeschehen, da es um eine Wirklichkeit jenseits unserer irdischen Geschichte geht.

Der verstorbene Wiener Neutestamentler Jacob Kremer, der sich viel mit den biblischen Ostergeschichten beschäftigt hat und daher auch oft liebevoll „Osterjacob“ genannt wurde, hat die Schwierigkeiten, von Ostern zu sprechen, einmal in folgendes Bild gepackt: Die Ostergeschichten des Neuen Testaments veranschaulichen das, was an Ostern geschehen ist, nicht in Form einer einfachen Fotographie, sondern als ein gutes, vielschichtiges Gemälde. Das Bild, welches das Neue Testament uns von Ostern zeichnet, bezeugt auf verschiedenartige Weise, was an Ostern geschehen ist und wie die neue Wirklichkeit in unsere Welt einbricht.

Die Erscheinungen des Auferstandenen sind starke subjektive Erfahrungen, die das Neue und Unfassbare erfahrbar werden lassen: Jesus lebt. Es geht um diese Erfahrung.

Über den Vorgang der Erscheinungen selbst sagen uns die neutestamentlichen Texte hingegen nichts. Aber sie machen deutlich, dass die Zeugen der Ostererscheinungen diese einmalige Erfahrung sehr deutlich von anderen mystischen Erlebnissen, Träumen oder Visionen unterscheiden. Nicht die Berichte über das leere Grab oder eine Engelerscheinung am Ostermorgen, sondern die Bezeugung der Apostel und anderer, dem Auferstandenen begegnet zu sein, begründet den Glauben der frühen Christen.“

Auszug aus einem Predigtvorschlag zum Ostermontag:

Axel Bernd Kunze: Ostermontag: Fortdauernde Begegnung mit dem Auferstandenen (Lk 24, 13 – 35), in: Der Prediger und Katechet. Praktische katholische Zeitschrift für die Verkündigung des Glaubens 157 (2018), H. 3., S. 324 – 327.

Werkausgabe der Schriften Adolf Reichweins

Leider hat sich mit Ablauf des Jahres 2017 der Adolf-Reichwein-Verein aufgelöst. Dieser zeichnete u. a. verantwortlich für die Werkausgabe des Pädagogen, Volkskundlers und Kultuspolitikers:

Adolf Reichwein: Pädagogische Schriften. Kommentierte Werkausgabe in fünf Bänden. Vorworte von Christian Ritzi und Konrad Vanja, herausgegeben und bearbeitet von Ullrich Amlung, mit einem Gesamteditorial zur Werkausgabe von Karl Ch. Lingelbach und Ullrich Amlung, Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt 2011 bis 2015.

Weitere Informationen zu Adolf Reichwein finden Sie im Adolf-Reichwein-Forum.

Einen Lebenslauf Adolf Reichweins finden Sie auf den Seiten des Lassalle-Kreises.

Jahresrückblick 2017

Nachdem auch die letzten Publikationsnachträge aus dem Vorjahr erschienen sind, ist der Jahresrückblick mit Veröffentlichungen, Vorträgen und Hinweisen zu meinen sonstigen pädagogischen und sozialethischen Tätigkeiten aus dem Jahr 2017 online. Sie finden diesen hier.

Für Anfragen oder Rückmeldungen stehe ich gern zur Verfügung. Ich freue mich, wenn Sie meine pädagogische und sozialethische Tätigkeit auch weiterhin interessiert begleiten.

Veranstaltungsbericht: Liberaler Bildungstag im Stuttgarter Landtag

Bildungsexperten aus Politik, Gesellschaft, Verbänden und Schulen diskutierten beim diesjährigen Liberalen Bildungstag im Stuttgarter Landtag über die Frage „Was tun, damit wir wieder spitze werden?“. Immer wieder wurde in den Vorträgen und Diskussionen betont, wie wichtig Wahlfreiheit und ein differenziertes Angebot im Bildungssystem seien. Wenn alle Kinder möglichst lange gemeinsam ein und dasselbe Angebot bekommen, bedeute das keinesfalls bessere Bildungschancen. Heranwachsende unterscheiden sich und brauchen daher differenzierte schulische Angebote – was gleich sei, sei das Recht eines jeden Kindes auf Bildung. Beifall gab es jedes Mal, wenn Referenten betonten, dass Leistung und Noten keinesfalls verteufelt werden dürften. Kinder und Jugendliche zu fordern, sei keine Kindesmisshandlung – sondern das Recht, über sich selbst hinauszuwachsen. Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, strich in seinem Statement die hohe Qualität der Erzieherausbildung in Baden-Württemberg heraus. Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sei ein wichtiger Garant für Bildungsqualität im Land, besonders wichtig sei nicht zuletzt eine gute Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule.

 

Engagement 4/2017

Internationalität Katholischer Schule – so der Titel des neuen Themenheftes 4/2017 der schulpädagogischen Zeitschrift ENGAGEMENT, das mit zeitlicher Verzögerung Mitte März 2018 erschienen ist. Im Rezensionsteil werden folgende Titel besprochen:

  • Arnold/Zierer: Die deutsche Didaktik-Tradition. Grundlagentexte zu den großen Modellen der Unterrichtsplanung (Rez.: Wilhelm Wittenbruch)
  • Thomas Söding: Das Christentum als Bildungsreligion. Der Impuls des Neuen Testaments (Rez.: Axel Bohemeyer)
  • Von Chossy/Bauer: Erziehen ohne Religion. Argumente und Anregungen für Eltern (Rez.: Matthias Bär)
  • Hilbert: Fromme Eltern – unfromme Kinder? Lebensgeschichten großer Zweifler (Rez.: Günther Klempnauer)
  • Brüning: Weltreligionen Klasse 1/2 (Rez.: Matthias Bär)
  • Haider Munske: Unsere Universität im Abstieg? Bologna, Bafög, Bachelor. Beobachtungen und Ratschläge (Rez.: Günter W. Zwanzig)
  • Diering/Timme: Sozialgesetzbuch X. Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz. Lehr- und Praxiskommentar (Rez.: Axel Bernd Kunze)
  • Gnisa: Das Ende der Gerechtigkeit. Ein Richter schlägt Alarm (Rez.: Axel Bernd Kunze)
  • Fesler: Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer (Rez.: Astrid Frey)
  • Nicholls: Eine Insel für uns allein (Rez.: Anna Winkler-Benders)

Neuerscheinung: Erinnerung an Adolf Reichwein

Die Festrede zur feierlichen Zeugnisübergabe an die Berufspraktikantinnen und Berufspraktikanten, die Ende des Schuljahres 2016/17 an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik ihre staatliche Anerkennung erhielten, erinnerte an den Kultuspolitiker, Reformpädagogen, Volkskundler und Widerstandskämpfer Adolf Reichwein. Reichwein entwickelte seine reformpädagogischen Ideen während der Zeit des Nationalsozialismus, er gilt als einer der Pioniere moderner Medienpädagogik. Am 20. Oktober 1944 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Sein Geburtstag jährt sich in diesem Jahr zum zweihundertsten Mal. Sein pädagogisches Ethos hat auch für heutige Erzieherinnen und Erzieher nichts an Aktualität verloren, wie die Festrede deutlich machte.

Der Vortrag aus dem vergangenen Jahr ist nun in der schulpädagogischen Fachzeitschrift „Engagement“ veröffentlicht worden:

Axel Bernd Kunze, Vor hundertzwanzig Jahren geboren. Eine Erinnerung an den Reformpädagogen, Kultuspolitiker und Widerstandskämpfer Adolf Reichwein, in: Engagement 35 (2017), H. 4, S. 218 – 221.

Schlaglicht: Neue staatliche „Leitkultur“?

„Beschneidung überdenken!“, fordert Jochen Bittner in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 15. März 2018: http://www.zeit.de/2018/12/religionsfreiheit-beschneidung-grundgesetz-debatte

Nach Island war es nur eine Frage der Zeit, bis auch hierzulande die Debatte wieder auf den Tisch kommen würde. Es ist schon bezeichnend, wie hier „religiöse Überzeugungen“ gegen „staatliche Freiheitsrechte“ ausgespielt werden. Ist einerseits Religionsfreiheit kein Freiheitsrecht mehr? Und sind andererseits Freiheitsrechte nicht in erster Linie vorstaatlich und nicht „staatlich“? Der „multikulturelle“ Staat, in dem keine Leitkultur mehr gelten darf, muss steuern, weil das Vertrauenspotential im gemeinsamen Zusammenleben schwindet. Wo über Kultur nicht mehr normativ geredet werden darf, wird der Staat selbst zur Norm und zwingt seine Bevölkerung dazu, ihre individuellen Überzeugungen auf ein gemeinsames Einheitsniveau zu nivellieren – so entsteht auch eine „Leitkultur“, die aber aus ideologischen Gründen nicht so genannt werden darf.

Der Bundestag hat nicht, wie Bittner behauptet, religiöse Gebote pauschal über das Grundgesetz gestellt, das eben auch das Recht auf Religionsfreiheit garantiert. Wenn sowohl Religionsfreiheit als auch körperliche Unversehrheit individuelle Freiheitsrechte sind, muss im Konfliktfall zwischen beiden nach einer Lösung im praktischen Vollzug gesucht werden, bei der beide betroffenen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden – etwa in der Form, dass die Beschneidung aus religiösen Gründen weiterhin möglich wird, wenn die Eltern ihre Kinder in einer bestimmten Religion erziehen wollen, dass dabei aber bestimmte Mindeststandards medizinisch-ethischer Art beachtet werden müssen, deren Einhaltung der Staat dann im Rahmen der für alle geltenden Gesetze auch kontrollieren darf.

Rezension: Beredtes Schweigen auf weißen Seiten

Hain-Team (Gestaltung): Christliches in der AfD, Würzburg: Echter, 32 Seiten, Euro 2,90.

Wer „tabula rasa“macht, will Raum schaffen für neue Gedanken, die es wert sind, aufgeschrieben zu werden. So war es in der Antike, als die Römer ihr Wachstäfelchen wieder glatt strichen. Des Schreibens ist bis heute kein Ende – denn der menschliche Geist ist immer wieder erfrischend neu. Wenn wir denn wollen …

Eine Politik, die sich immer häufiger für alternativlos hält, verliert an Vertrauen. Grenzen seien im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht mehr zu schützen, die Flüchtlinge halt nun mal da – und der Bundeskanzlerin fällt auch nach einer deutlichen Wahlschlappe und auf Nachfrage nun wirklich gar nichts ein, was sie hätte anders machen können … Macht auch nichts, dass andere Länder das Gegenteil belegen. Wer will schon von seinem hohen moralischen Ross herabsteigen, auf dem es sich so herrlich sitzt. Allzu mühsam ist doch das politische Geschäft, Alternativen abzuwägen, nach Kompromissen zu suchen und angesichts harter politischer Konflikte um gerechte Entscheidungen zu ringen.

Wehe dem, der da schon im Namen behauptet, es könnte Alternativen geben. War dies nicht mal ein Zeichen für Bildung? … sich vorstellen zu können, dass es auch ganz anders sein könnte. Und wenn schon. Wer erklärt, was nicht sein kann, weil nicht sein darf, den lädt man besser erst gar nicht ein – so wie es das Zentralkomitee beim Jubiläumskatholikentag vorgemacht hat. Ein Schelm, der dabei weniger an die liberale Vereinsfreiheit und Katholikenemanzipation der 1848er Jahre denkt, als an ein anderes Zentralkomitee, das schon einmal bestimmte, was in Leipzig zu gelten habe oder nicht. Dabei bringt eine Schwalbe beim diesjährigen Katholikentag im bürgerlich-liberalen Münster noch keinen Sommer mit sich – sprich: die großzügige Einladung an einen Vertreter der AfD noch keinen Kurswechsel im routiniert eingespielten Funktionärskatholizismus.

Trotz extrem niedriger Priesterzahlen, zahlreicher Kirchenschließungen, immer größer werdender Pfarreifusionen und einer sinkenden Zahl an Gläubigen und Gottesdienstbesuchern fühlt man sich sicher, dass das vom Christentum geprägte kulturethische Fundament unseres Zusammenlebens schon irgendwie halten werde.

Aber etwas zu dessen Sicherung beitragen? Nein, das ist dann doch uncool, irgendwie provinziell und atmet so gar nicht den Duft der großen weiten Dialogwelt, in der man für alles und jeden offen ist, nur nicht für die eigene Tradition. Jüngstes Beispiel dieser Haltung ist ein Bändchen aus dem Würzburger Echter-Verlag. Wo aber Borniertheit dem eigenen Geist enge Grenzen setzt, ist es aus mit frischen Ideen. Das weiße Blatt Papier, hier säuberlich zu einer Art Buch zusammengebunden, das beschrieben werden will, wird zum Menetekel. Der in diesem Fall zu leicht befunden wird, ist am Ende aber der Herausgeber oder Autor selbst, der sich nicht scheut, auch noch die eigene „Gedankenlosigkeit“ vor anderen zur Schau zu tragen.

Besser könnte man nicht demonstrieren, wie wenig ein in den üblichen Floskeln des Politbetriebs erstarrter Katholizismus sozialethisch beizutragen hat zur Debatte um die Sicherung unserer staatlichen Grundlagen und unserer kulturellen Identität. Wo die Demokratie zur „GroKo“ infantilisiert wird, verkommt der politische Diskurs zum Boulevard. Und katholische Publizistik und Politikethik mittendrin, nicht nur dabei: die „heute“-Show auf katholisch, jetzt auch in Buchform.

Das in Preis und Ausstattung als „Give-away“ konzipierte Bändchen demonstriert, wie sich die katholische Gesellschaftslehre von ihrer einmal hochstehenden staatsethischen Tradition verabschiedet hat. Wer sich um die Grundlagen des Staates sorgt, sich für die Identität des eigenen Volkes einsetzt, die Rechtsfunktion des Staates hochhält, für eine geordnete Menschenrechtspolitik eintritt und gegen Christenverfolgung streitet, wird in der Katholischen Soziallehre durchaus fündig werden – und dabei so manches „blaue Wunder“ erleben können. Wer aber nur mehr weiße Blätter zustande bringt, sollte sich am Ende nicht wundern, wenn in nicht mehr allzu ferner Zukunft immer mehr sozialethische Lehrstühle nicht nur wackeln, sondern auch fallen. Ebenso hat sich der bekannte Würzburger Verlag mit dem Band aus der Reihe seriöser Publikationsorte verabschiedet.

Man muss kein Freund irgendeiner bestimmten Partei sein – das Evangelium ist politisch, aber nicht parteipolitisch. Katholiken, die aus gläubiger Verantwortung Politik betreiben, findet man in allen Bundestagsparteien. Und das ist auch gut so. Wenn man sich aber politisch positioniert, sollte man auch mit offenem Visier kämpfen. Wer hinter den weißen Seiten steht, wird dem Leser nicht verraten. Umso scheinheiliger wirkt es, wenn dieser am Ende aufgefordert wird, seine eigenen Fundstücke einzusenden – man behalte sich vor, diese dann in einer Broschüre abzudrucken, auch anonym. Glaubt man so, politisch vermeintlich aus dem Ruder gelaufene Gläubige öffentlich vorführen zu können!?

Auf dem Katholikentag in Münster wird sicher wieder viel von Dialog, Offenheit und Vielfalt die Rede sein. Wie blechern solches Wortgeklingel oftmals daherkommt, zeigt sich dort, wo der sozialethische Diskurs zum effektheischenden, inhaltsentleerten Klamauk verkommt – und sich dabei selbst blamiert. Wer sich einen Sinn für die starke Tradition katholischer Staats- und Gesellschaftslehre bewahrt hat, wird peinlich berührt sein. Die weißen Seiten demonstrieren auf schonungslose Weise, wie wenig Substantielles der heutige Sozialkatholizismus zu den brennenden Zukunftsfragen um Migration und Integration beizutragen hat – und dies ist beschämend angesichts der ernsthaften Fragen, vor denen wir stehen. Wie die etablierten Parteien in ihren Sondierungsgesprächen schleicht der offizielle „Kirchentalk“ genauso um die offensichtlichen Probleme und drängenden Fragen herum wie die sprichwörtliche Katze um den heißen Brei. Man könnte dies auch als eigene geistige Verzwergung begreifen.

Schlaglicht: Die Titellehre von Privatdozenten – ein Anachronismus?

„Die Titellehre – ein Anachronismus?“, fragt Sascha Sven Noack in der aktuellen Märzausgabe der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ des Deutschen Hochschulverbandes (S. 230 f.). Sein Beitrag bezieht sich auf ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes von Ende 2017. Das Gericht stellt die bisherige Praxis nicht grundsätzlich in Frage, mahnt aber an, dass Lehrveranstaltungen, die im Rahmen bestehender Prüfungsordnungen angeboten werden und damit von öffentlichem Interesse seien, auch vergütet werden müssten. Der Autor sieht nach dem Urteil durchaus Anlass, die Titellehre neu in den Blick zu nehmen. Doch die Fragen reichen weiter, als von ihm skizziert.

Wir erleben gegenwärtig, dass jahrzehntelang eingespielte Mechanismen auf den Prüfstand gestellt werden, sei es der NC für Mediziner oder das Streikverbot für Beamte. Man mag diese Entwicklung bedauern oder begrüßen. Es gibt aber mindestens genauso viele gute Gründe, über die konkrete Ausgestaltung der Titellehre neu nachzudenken. Es ist grundsätzlich unehrenhaft, wenn eine erbrachte Leistung nicht vergütet wird. Bereits die Habilitation und das Aufrechterhalten der Bewerbungsfähigkeit des Habilitierten sollten von öffentlichem Interesse sein, nicht erst die Prüfungsrelevanz der erbrachten Titellehre. Bei der Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit muss die Verdichtung vieler akademischer Berufe berücksichtigt werden. Eine nebenberufliche Lehr- und Forschungstätigkeit fällt immer schwerer und wird von Politik und Trägern oft auch gar nicht mehr gewünscht. Die neue Studienstruktur erschwert mancherorts das Abhalten von Blockseminaren. Befreiungen von der Titellehre sollten daher im Sinne der (auch gesundheitlichen) Fürsorgespflicht großzügig gehandhabt werden. Da Lehrveranstaltungen an Fachhochschulen, Fach- und Meisterschulen auf Stufe 6 des DQR dem universitären Bachelor im Kompetenzerwerb gleichgestellt worden sind, ist es nicht mehr plausibel, dass diese nicht auf die Titellehre angerechnet werden. Gleiches gilt für Lehraufträge, da Universitäten mittlerweile selber berufsqualifizierende BA-Studiengänge anbieten, die von den eigenen Dienstherrn im Tarifrecht als nichtwissenschaftlich eingestuft werden.