Gute Wünsche für einen gesegneten Advent

(Darbringung im Tempel: Meister der Pollinger Tafeln, 1444)

Simeon und Hanna stehen für die Gerechten im Volk Gottes, die an die alten Verheißungen Israels geglaubt und auf das Kommen des Messias gewartet haben. Ein Gerechter ist im Alten Testament, wer aus einer lebendigen Beziehung zum Wort Gottes lebt, der „Freude hat an der Weisung des Herrn“, wie es im Psalm 1 heißt. Wer als Gerechter lebt, verlässt sich auf Gottes Verheißungen und richtet sein Leben an der Schrift aus. Er setzt seine Hoffnung voll und ganz auf Gott und vertraut sich seiner Treue an.

An Simeon und Hanna können wir ablesen, was dies bedeutet: Beide sind gerecht und fromm – sie leben aus dem Wort Gottes. Dies meint nicht, die Schrift als ein Regelwerk zu nehmen, an das man sich kleinlich und zwanghaft zu halten habe. Es meint, die Schrift aus einer persönlichen, liebenden Hinwendung zu Gott her zu lesen und zu verstehen.

Und aus dieser Haltung heraus, erkennt Simeon eine Verheißung, die Gott für die Zukunft noch Größeres zutraut, als seine Treue bereits getan hat. Simeon wartete auf die Rettung Israels, heißt es im heutigen Evangelium.

Es ist derselbe Geist Gottes, der Simeon zur prophetischen Lektüre der Schrift ermutigt und der ihn nun, da sich die Zeit erfüllen soll, in den Tempel führt. Und er erkennt: In diesem Kind erfüllt sich die Schrift. Gottes Verheißungen erweisen sich als gültig.

Simeon, der Gerechte, ist ein prophetischer, wir können auch sagen: ein geistlicher Mensch. Als ein Hoffender ist er offen geblieben für Gottes Anruf. Er rechnet mit dem Heilshandeln Gottes in der Gegenwart. Dies drückt sich in seinem Lobpreis aus, den uns Lukas überliefert.

Der Lobgesang Simeons verwendet Worte des Propheten Jesaja. Diese machen zwei Dinge über dieses Kind deutlich: Zum einen wird Jesus in die Verheißungen seines Volkes gestellt, indem er mit dem Gottesknecht  im Buch Jesaja identifiziert wird. Dessen Sendung hat etwas Universales; sie geht, wie Jesaja deutlich macht, über Israel hinaus und beinhaltet eine Heilszusage an alle Völker. Zum anderen geht es um ein Trostwort an Israel: Die Herrlichkeit Gottes kündigt dem verängstigten Volk sein rettendes Eingreifen an.

Dies bestätigt sich noch einmal in Hannas prophetischer Verkündigung.

Gottes lebendiges Wort, in: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen 17 (2020), H. 1, S. 101 – 117.

In den kommenden Tagen werden wir wieder die uralten Verheißungen aus dem Buch Jesaja lesen. Lesen wir sie als Trostwort und auch Heilszusage an uns.  In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern meines Weblogs eine erwartungsvolle, trost- und segensreiche Adventszeit.

Ihr Axel Bernd Kunze

Schlaglicht: Ein Prozess schleichender Umdeutung …

Die Grundrechte unserer Verfassung sollen dem Einzelnen die Freiheit zur selbstbestimmten Lebensgestaltung sichern. Frei von staatlicher Bevormundung soll er sein und geschützt vor staatlichen Eingriffen in das eigene Denken, Urteilen und Handeln. Das war einmal. Wer Kinderrechte in die Verfassung aufnimmt, beschneidet das Elternrecht und vergrößert den staatlichen Einfluss auf das Familienleben. Wer eine Frauenquote für Vorstände vorschreiben will, untergräbt die unternehmerische Freiheit und damit ein zentrales Prinzip sozialer Marktwirtschaft. Wer Vereinen, die allein männliche Mitglieder aufnehmen, die Gemeinnützigkeit entzieht, beschädigt die Vereinigungsfreiheit und unterwirft den gesellschaftlichen Bereich staatlicher Bevormundung. Schleichend wird unsere Verfassungsordnung umgedeutet. Es geht nicht mehr um eine produktive Freiheit der Einzelnen zum Wohl des gesellschaftlichen Ganzen, sondern um eine durch den Staat gelenkte Freiheit. Auf diese Weise untergräbt der liberale Rechts- und Verfassungsstaat sein eigenes Fundament. Denn ein vitales, geistig produktives und wirtschaftlich erfolgreiches Gemeinwesen bleibt auf individuelle Freiheit angewiesen. Staatliche Gängelung wirkt auf Dauer lähmend und erstickt die gesellschaftliche Leistungsfähigkeit. Hoffen wir, dass die individuelle Freiheit nicht zu einem Märchen aus uralten Tagen wird …

Wer war der heilige Nikolaus?

Der Verleger Thomas Schumacher (Pneuma-Verlag) erläutert auf seinem Youtubekanal, wer der heilige Nikolaus war, dessen Gedenktag am 6. Dezember gefeiert wird. Um das Leben des beliebten Heiligen ranken sich viele Legenden. Aber was lässt sich historisch über diesen Heiligen sagen? Wie hat sich seine Verehrung entwickelt?

Thomas Schumacher (2018): Der heilige Nikolaus – Bischof von Myra. Annäherungen aus Geschichte, Legenden und Theologie, München: Pneuma, 136 Seiten.

Neuerscheinung: Der Advent kündigt sich an …

(Matthias Grünewald, etwa 1515)

Adventliche Erwartung ist die Freude über eine unendlich verheißungsvolle, uns von Gott zugesagte Zukunft: ein Neuanfang, bei dem sich Befreiung und Erlösung verbinden.

Diese Zukunft ist nicht fern von uns. Als Christen glauben wir, dass diese Zukunft bereits begonnen hat: in Jesus Christus. Er selbst hat die Prophetenworte, die wir heute gehört haben, zum Maßstab gemacht, an dem wir erkennen können, dass Gottes Reich bereits unter uns begonnen hat – wenn er den Jüngern des Johannes erklärt: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht“ (Mt 11, 4).

Als Christen leben wir schon heute in der Zukunft Gottes. Und zugleich wissen wir, dass diese noch nicht vollendet ist. Noch liegen Kummer und Seufzen über der Schöpfung. Aber wir haben die feste Zukunft, dass diese nicht das letzte Wort haben werden. Die Zukunft, von der Jesaja kündet, ist bereits unwiderruflich angebrochen. Daher gehört zum Advent beides – der Ruf: Komm, o Herr, und erlöse uns!, genauso wie die Gewissheit: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Freut euch! Denn der Herr ist nahe.

… aus einem Predigtvorschlag zum dritten Adventssonntag:

Axel Bernd Kunze: Verheißungsvolle Freude (Jes 35, 1 – 6a. 10), in: Der Prediger und Katechet 159 (2020), H. 1, S. 25 – 28.

Zitat: „Wir sind so frei!“

Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz im Themenheft „Wir sind so frei!“ der Zeitschrift „Freilich. Das Magazin für Selbstdenker“:

„An den geisteswissenschaftlichen Fakultäten wird entweder ‚Bullshit‘ produziert, oder man produziert eine knallharte Ideologie, die beim Antikolonialismus beginnt und bei Gender-Mainstreaming endet. Und das alles in einer Unduldsamkeit, die der Idee der Universität Hohn spricht. Das müsste ja doch der Ort sein, wo man frei diskutieren kann und frei seine Meinung austauschen kann, wenn Sie so wollen: ein befriedeter Ort, der herausgenommen ist aus der Hektik und aus dem Kampf des Alltags.“

Norbert Bolz (im Interview mit Arndt Novak): „Wir müssen gegen den Bullshit, das Geschwätz kömpfen!“, in: Freilich 5/2019, S. 10 – 19, hier: 14.

Schlaglicht: „Selbstzerstörung der Wissenschaft“

Freiheit ist kein fester Besitz; um sie muss immer wieder neu gerungen werden. Das Bewusstsein für den Wert der Meinungs-, Publikations- und Wissenschaftsfreiheit schwindet bedenklich, auch wenn die Kanzlerin anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Mauerfalls anderes behauptet. Heike Schmoll spricht zu Recht von einer „Selbstzerstörung der Wissenschaft“ (F.A.Z. v. 4. November 2019. S. 1). Die Universitäten sind durchaus Taktgeber dieser Entwicklung. Treibende Kraft sind nicht immer radikale Studenten. Immer häufiger sind es die Wissenschaftler selbst, welche die Verfolgung des heterodoxen Geistes in den eigenen Reihen organisieren, mitunter sogar im Namen der Pluralität. So rufen Fachgesellschaften zum Boykott bestimmter Zeitschriften auf, mahnen an, diese nicht mehr in Bibliotheken zu führen, oder verlangen ihren Mitgliedern ab, politische Gesinnungsbekenntnisse zu unterzeichnen. Wie überzeugend ein wissenschaftliches Argument ist, kann allein im freien, fairen wissenschaftlichen Diskurs geprüft werden. Hierfür muss eine Position aber erst einmal ausgesprochen oder veröffentlicht werden dürfen.

Den historischen Moment fast übersehen … – Persönliche Erinnerungen zum dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls

Persönliche Kontakte in die DDR hatten wir mangels „Ostverwandtschaft“ nicht. Das änderte sich in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre: Aufgewachsen im Zonenrandgebiet, gehörten Luftballonweitflugwettbewerbe zu vielen Sommer-, Pfarr- und Schulfesten. Dabei ging es nicht allein um den Wettbewerbscharakter, wie ich erst später verstanden habe: Die Ballons sollten über die Grenze nach Osten fliegen. Und einmal gewann ich sogar den ersten Preis: zehn Kinokarten, überreicht vom Bürgermeister, mit Bild in der Lokalzeitung. Der Ballon wurde in der Nähe von Halberstadt gefunden. Eine Bekanntschaft mit der Finderfamilie entwickelte sich. Seitdem fuhren wir regelmäßig im kleinen Grenzverkehr dorthin und besuchten gemeinsam den Ostharz. Da auf dem Land ein wenig Selbstversorgung möglich war, erhielten wir im Gegenzug Wurst aus Hausschlachtung und Eier als Geschenk mit nach Hause – im Kofferraum für die Grenzkontrolle unter Decken versteckt.

Eine Fahrt ist mir bis heute deutlich in Erinnerung geblieben: Sommer 1989, letzter Feriensonntag in der DDR. Die angespannte Atmosphäre war nahezu greifbar. Es gab abfällige Bemerkungen. Denn als Westdeutscher fiel man unwillkürlich auf. Auf der nächtlichen Rückfahrt (man musste die Grenzübergangsstelle, so der DDR-Jargon, bis Mitternacht passiert haben) wurde unser Westauto in einem Dorf angehalten, Jugendliche trommelten aufs Autodach und rüttelten den Wagen durcheinander. Folgen hatte es nicht, nach kurzem Stopp konnten wir weiterfahren – unheimlich war es aber doch.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Nahezu täglich gab es neue Entwicklungen. Erstmals schauten wir in der Familie die „Aktuelle Kamera“, um zu erfahren, wie in der DDR über die krisenhaften Ereignisse berichtet wurde. Ich weiß noch, wie die Einschränkung der Reisefreiheit in die CSSR in den letzten drei Minuten der Sendung nahezu versteckt wurde. Bei alldem muss ich gestehen, den historischen Moment am 9. November fast übersehen zu haben. Ja, ich hatte davon gehört, aber zunächst nicht ferngesehen. Die Brisanz von Schabowskis Mitteilung auf der abendlichen Pressekonferenz erfasste ich irgendwie so richtig erst ein paar Tage später. Seltsam, aber es fühlte sich zunächst gar nicht nach Mauerfall an, allzu selbstverständlich schienen wir uns mit diesem Monstrum eingerichtet zu haben … – auch wenn Besuche an der innerdeutschen Grenze bei mehreren Klassenfahrten und Schulausflügen zum Pflichtprogramm gehörten. In meiner Schulzeit in den Achtzigern wurden wir, anders als es heute mitunter zu hören ist, immer wieder an das Wiedervereinigungsgebot erinnert.

Recht bald stand der Gegenbesuch an. Wir holten unsere „Luftballonbekanntschaft“ ab und fuhren in den Westen. Noch heute habe ich am Abend auf der Rückfahrt die Autoschlange am provisorischen Grenzübergang vor Augen. Ein DDR-Auto in der Reihe der Wartenden bot sich an, unseren Besuch einsteigen zu lassen, damit wir nicht in der langen Schlage warten mussten.

Eine Berlinreise mit einem Schulfreund zur Nacht auf den 3. Oktober 1990 hatten wir schließlich doch nicht realisiert. Das Datum wirkte ein wenig zufällig. Und vielleicht ist es auch nicht ganz zufällig, dass sich bis heute keine so recht überzeugende Form einstellen will, den neuen Nationalfeiertag festlich zu begehen. Die Wiedervereinigung bleibt letztlich doch emotional ein wenig mehr mit dem 9. November verbunden, als die Mauer fiel.

Die Wiedervereinigungszeremonie vor dem Reichstag habe ich dann vor dem Fernseher verfolgt: Zum Anstoßen gab es Sekt; am Abend sind wir in der Familie zum Ökumenischen Gottesdienst gegangen. Später, bereits im Studium, habe ich während der Semesterferien regelmäßig im Untereichsfeld in einer Ferienstätte gearbeitet. Für mich gehörte es immer dazu, mit den Kindern und Jugendlichen zur nahe gelegenen ehemaligen Grenze zu gehen und zu erklären, was dort geschehen ist. Es ist wichtig, die Erinnerung an diese Phase deutscher Nachkriegsgeschichte wachzuhalten. In den ersten Jahren waren immer mal wieder Jugendliche darunter, die selbst noch Erfahrungen als Pionier gesammelt hatten und davon berichten konnten. Aus dem Mund von Gleichaltrigen wirkt Geschichte noch einmal eindrücklicher und lebendiger. Familien aus den neuen Bundesländern waren anfänglich mitunter recht erstaunt, wie mit Aussichtstürmen, Hinweistafeln und Schildern die Erinnerung an die unmenschliche und unnatürliche Teilung wachgehalten worden war.

Und so hatte ich es auch immer empfunden und in der Familie vermittelt bekommen: Es gibt nicht West- und Ostdeutschland. Auf beiden Seiten der Grenze ist Deutschland. Und dieses Gefühl ist geblieben. Für die Wiedervereinigung gab es keine Blaupause, nicht alles mag politisch optimal geglückt sein. Aufs Ganze gesehen, dürfen wir aber überaus dankbar sein, dass eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit möglich geworden ist – im knappen Zeitfenster noch nicht einmal eines Jahres nach Maueröffnung.