Netzwerk Wissenschaftsfreiheit: Gendersprache darf niemandem aufgezwungen werden

Gegenwärtig wird in Politik, Gesellschaft, Medien und auch Kirchen kontrovers über das Thema Gendersprache diskutiert. Nicht wenige erleben sprachpolitische Vorgaben als repressiv und übergriffig. Auch das im Februar neugegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat sich angesichts zunehmender realer Freiheitseingriffe zu diesem Thema positioniert. Als Mitglied der dazugehörigen Arbeitsgruppe weise ich gern auf die neue Stellungnahme des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit hin, welche gezielt das Spannungsfeld von Gendersprache und Wissenschaftsfreiheit in den Blick nimmt:

Netzwerk Wissenschaftsfreiheit: Gendersprache darf niemandem aufgezwungen werden (26. Juni 2021)

Schlaglicht: Gendersprache im Bistum Hildesheim – Kirche verabschiedet sich als Kulturträger

„Geschlechtersensible Sprache“ ist kein Ausdruck von Vielfalt und Respekt. Gendersprache führt zu einem permanenten Bekenntniszwang und macht unfrei. Sie besetzt den öffentlichen und zunehmend auch kirchlichen Raum mit einer radikalkonstruktivistischen Weltanschauung, politisiert und moralisiert den alltäglichen Sprachgebrauch, zerstört Schönheit und Differenzierungs­fähigkeit unserer Sprache … Und alle großen Verbände im Bistum machen mit. Ob die Mitglieder in den Gemeinden vor Ort wirklich wollen, was die Verbandsspitzen hier propagieren, bleibt fraglich. Gesellschaftlich hat Gendersprache keine Mehrheit, aus guten Gründen. Mit seiner neuen Handreichung „Geschlechtersensible Sprache“ auf äußerst dürftiger (schöpfungs-)theologischer Grundlage verabschiedet sich das Bistum Hildesheim als Kulturträger. Gendersprache bleibt künstlich und aufgesetzt, wird administrativ von oben durchgedrückt. Wann werden Messbuch und Lektionare gegendert? Wann werden Zelebranten und Lektoren sich ständig verhaspeln, weil sie den Genderstern mitlesen müssen? Wann sollen wir die Psalmen gegendert singen, sodass diese wie eine Vorlage aus der kirchlichen Verwaltung klingen? Denn wenn man die vollmundigen Worte des Generalvikars ernstnehmen wollte, dürfte die Liturgie doch wohl kein Ort der Intoleranz, Unfairness und Diskriminierung bleiben.

Neue Ausgabe: „Digitale Textkompetenz“ im Pädagogikunterricht

Die neue Ausgabe der Fachzeitschrift „Pädagogikunterricht“ (41. Jahrgang, Heft 2-3, Juli 2021) widmet sich dem Themenfeld digitaler Textkompetenz innerhalb des Faches.

Die Zeitschrift wird herausgegeben vom Verband der Pädagogiklehrer und Pädagogiklehrerinnen (VdP). Dem Wissenschaftlichen Beirat gehören an: Prof. Dr. Bauer (Univ. Bielefeld), Prof. Dr. Beyer (Univ. Köln), Prof. Dr. Bernhard (Univ. Duisburg-Essen), Jun.-Prof. Dr. Gather (Univ. Paderborn) und PD Dr. Kunze (Univ. Bonn).

Schlaglicht: Auch das Bistum Hildesheim grüßt den neuen Gesslerhut der Gendersprache

Freiheit meint nicht Regellosigkeit. Und nicht jeder, der Regeln, die selbstverständlich gerechtfertigt werden müssen, einfordert, hat ein mangelndes Freiheitsverständnis. Aus einem freiheitlichen Gesellschaftsverständnis heraus verstehe ich Freiheit als eine Freiheit, die produktiv werden soll. Eine solche Freiheit ist etwas anderes als Anarchie, Beliebigkeit oder Willkür. Zu einer solchen Freiheit gehört auch ein Mäßigungsgebot im öffentlichen Raum und der Verzicht auf Ideologisierung. Ideologie ist ein Modus des Diskursgebrauchs – keine Theorie ist davor gefeit. Wenn wir allerdings das Gendern im öffentlichen Raum billigen, wird eine Moralisierung, Polarisierung und Vermachtung des öffentlichen Diskurses die Folge sein. Ein Mehr an Freiheit entsteht dadurch nicht, nur ein permanenter Rechtsfertigungszwang.

Auf diesen Weg schwenkt nun auch das Bistum Hildesheim ein: mit seiner Handreichung zur geschlechtersensiblen Sprache. Alles natürlich nur Empfehlungen, ganz sanft – und ohne administrativen Druck von oben. Denn immerhin haben alle großen Verbände des Bistums mitgearbeitet. Opposition zur Amtskirche ist dieses Mal nicht vorgesehen, alle sind sich wunderbar einig. Der Generalvikar singt das Hohelied von Vielfalt, Wertschätzung, Toleranz und Gleichberechtigung. Man möchte meinen, der himmlische Friede kehre im norddeutschen Diasporabistum zwischen Elbe und Weser, Nordsee und Harz nun ein. Dies wird aber mitnichten der Fall sein.

Mitunter wird das „Gendern“ in der Sprache mit einem Gesslerhut verglichen. Nehmen wir mal an, der Vergleich stimmt (wohlwissend, dass Vergleiche immer hinken): Einem Gesslerhut gegenüber kann man sich nicht „nichtverhalten“. Jede Haltung dem Gesslerhut gegenüber wird als Reaktion gedeutet. Und damit zieht ein Bekenntniszwang ein. … der erste Gesslerhut war ein Machtmittel der habsburgischen Obrigkeit. Heute gibt es leider auch genügend gesellschaftliche Gesslerhüte, für die es gar keine Obrigkeit mehr braucht. Und die Kirche macht bei diesem Spiel munter mit.

Es ist schon mehrfach gesagt worden: Gendersprache ist übergriffig und ausgrenzend. Sie besetzt den öffentlichen Raum mit einer radikalkonstruktivistischen Weltanschauung, moralisiert unseren alltäglichen Sprachgebrauch, zerstört die Schönheit und die Differenzierungskraft unser Sprache – und vermachtet den öffentlichen Diskurs. Jetzt eben auch in der Kirche.

Doch wer ehrlich zu sich selbst ist, sollte erkennen: Gendersprache ist etwas Aufgesetztes, Künstliches, durch politischen Zwang Durchgedrücktes – sonst würde diese auch bei Romanen oder Lyrik funktionieren. Wer wollte Goethes Faust schon „gendergerecht“ lesen?

Angesichts der Zeitgeistigkeit der Kirche, die sich im Bistum Hildesheim nur einmal mehr zeigt, kann jedem, der unsere deutsche Sprache noch liebt, schon jetzt das Grausen packen: vor der Zeit, da auch die Bibel gegendert sein wird, Lektor*innen sich beim Lesen in der Liturgie verhaspeln, wenn sie den Asteriskus mitlesen müssen, und die Psalmen unsingbar werden, weil sie wie eine Behördenvorlage aus der kirchlichen Verwaltung klingen werden.

Namensstreit um Universität – jetzt auch in Tübingen

Mittlerweile hat auch die Tübinger Eberhard-Karls-Universität einen Namensstreit: Es geht um Graf Eberhard und Herzog Karl-Eugen von Württemberg, vor dem Schiller ins Exil geflohen ist. Beide Namen stehen, wie der Rektor in einem Brief an die Alumni deutlich gemacht hat, in einer besonderen Beziehung zur Tübinger Universität.

Es ist ein guter Brauch, Universitäten nach ihren Gründern oder Förderern zu benennen. Damit ist kein Werturteil über das gesamte Wirken einer Person verbunden. Wer sich zu seiner Geschichte und Tradition bekennt, weiß auch um deren Bedingtheit. Jede historische Persönlichkeit hat Licht und Schatten. Auch wir wissen nicht, wie künftige Generationen einmal über unsere Zeit und ihre Akteure urteilen werden. Die Geschichte hingegen beckmesserisch an heutigen Überzeugungen messen zu wollen, ist geistige Bilderstürmerei, moralisierend und anmaßend – und ein hermeneutisches Armutszeugnis für eine Universität. Wer Namen aus dem öffentlichen Bewusstsein und aus dem öffenltichen Raum tilgen will, untergräbt die Fundamente unseres kulturellen Zusammenlebens. Wo identitätsstiftende Merkmale kollektiver Selbstvergewisserung abgeräumt werden, gewinnt die orientierende Funktion alltäglicher Konvention und versteckter politischer Vorgaben an Einfluss – und in der Folge eine daraus abgeleitete, aber nur unzureichend reflektierte Moral. Der gegenwärtige Kampf um Wissenschaftsfreiheit zeigt dies. Wer weiß, wie spätere Zeiten den geistigen Zustand von Hochschulen und Wissenchaft in unserer Epoche, wenn diese einmal Geschichte sein wird, beurteilen werden …

Da der Namensstreit dieses Mal nicht um eine Person aus der Geschichte des modernen Nationalstaates geführt wird (wie in Greifswald und Münster), mag das Ergebnis vielleicht weniger eindeutig sein; ich vermute aber dennoch, dass am Ende eine Namensänderung stehen wird, da Traditionspflege heute einen schweren Stand hat. Die Apostrophierung „kritisch“, die Rektor in seinem Brief verwendet, ist selbst schon nicht „ergebnisoffen“, sondern parteinehmend für eine bestimmte Richtung von Wissenschaft und damit auch für deren Umgang mit Fragen nach Identität und Tradition.

Schlaglicht: Wer ist hier „ideologisch“?

… derjenige, der eine ethische Güterabwägung vornimmt, oder ein Universitätspräsident, der abweichende Entscheidungen diffamiert? Oliver Günther (F.A.Z. v. 10. Juni 2021, S. 6) plädiert dafür, zeitnah eine Öffnung der Hochschulen zum kommenden Wintersemester vorzubereiten. Notwendig sei u. a. eine Teststrategie. So weit, so gut. Doch warum diffamiert der Potsdamer Universitätspräsident Studenten, die sich gegen eine Impfung entscheiden, als „ideologisch“? Wer eine differenzierte Güterabwägung zwischen dem Recht auf körperliche Unversehrtheit auf der einen sowie den Chancen und Risiken einer Impfung vornimmt, handelt nicht ideologisch, sondern grundrechtsbezogen, selbstbestimmt und ethisch rational.