19. September 2022. Auch in unserem Land wehten die Fahnen vor den öffentlichen Gebäuden auf halbmast: eine Hommage an Königin Elisabeth II., die an jenem Montag im September zu Grabe getragen wurde, nach einer außergewöhnlich langen Regentschaft. Am 6. Februar 1952 hatte sie den Thron bestiegen. Die meisten von uns haben damals noch gar nicht gelebt. Die öffentliche Trauer, die unser Land zeigte, hebt hervor, welche Bedeutung der englischen Monarchie auch hierzulande beigemessen wird; wie stark die Verbundenheit mit dem Vereinigten Königreich – auch nach dem Brexit – weiterhin ist.
Die Projektwoche, die wir heute beschließen und die an unserer Fachschule schon eine längere Tradition besitzt, ist in diesem Schuljahr der Landeskunde Großbritanniens gewidmet.
Ein beliebter rhetorischer Kniff von Grußwortgebern ist der Griff in den Zitatenschatz. Erlauben Sie mir, dass auch ich davon Gebrauch mache. Und Zitate über England gibt es viele. Nicht alle davon sind allerdings schmeichelhaft: „Bekanntlich sind die Sprachen, namentlich in grammatischer Hinsicht, desto vollkommener, je älter sie sind, und werden stufenweise immer schlechter, vom hohen Sanskrit an bis zum englischen Jargon herab, diesem aus Lappen heterogener Stoffe zusammengeflickten Gedankenkleide“, spöttelte der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer in einem Kapitel „Über Sprache und Worte“. Aber es gibt auch andere Stimmen, etwa Montesquieu, der über die Engländer bemerkte: „Von allen Völkern der Welt hat es (England) am besten verstanden, drei große Dinge sich zunutze zu machen: die Religion, den Handel und die Freiheit.“ Nun gut, sein Zeitgenosse Voltaire sah dies ein wenig anders: „Die Engländer haben zweiundvierzig Religionen, aber nur zwei Saucen.“ Aber auch das gehört zum englischen Wesen, jedenfalls für den amerikanischen Publizisten und Geschäftsmann Franklin Jones: „Die Briten haben ein besonderes Talent, auch in einer nicht vorhandenen Krise gelassen zu bleiben.“
Wer auch immer von den Zitierten Recht hat: Sie können sich gleich selbst ein Bild an den Ständen und Präsentationen unserer Schülerinnen und Schüler aus dem Oberkurs machen. Ganz sicher ist auch in diesem Jahr wieder etwas Kulinarisches dabei – und Sie können erleben, dass die englische Küche mehr als nur zwei Saucen zu bieten hat. Und eines gehört auch zu jedem Thema dazu: Beschreibungen und Beschriftungen in englischer Sprache, die hoffentlich mehr sind als ein bloßer Jargon.
Und damit kommen wir zur didaktischen Bedeutung der Projektwoche. „Landeskundliche Informationen dienen […] als Vehikel zur Sprachvermittlung“, heißt es in Wikipedia. Richtig: Eine englische Projektwoche ist Teil des Fremdsprachenunterrichts. Informationen sollen in der Zielsprache des Landes recherchiert, begleitende Texte in der Zielsprache formuliert werden. Englisch ist in der Erzieherausbildung zwar kein maßgebliches Fach, aber in einer „Weltgesellschaft der Bildung“ dennoch wichtig. Aber Landeskunde ist trotzdem nicht einfach nur ein „Vehikel zur Sprachvermittlung“.
Schüler und Schülerinnen sollen sich nicht nur funktional eine Sprache aneignen, sondern dem Gelernten auch eine Bedeutung zumessen, das Gelernte selber werten und eine persönliche Haltung dazu einnehmen. Und das heißt: Sie sollen sich auch mit der Kultur auseinandersetzen, die hinter einer Sprache steht und die sich nicht allein in grammatikalischen Strukturen erschöpft. Für Geert Hofstede sind es vier Dimensionen, an denen die Besonderheiten einer anderen Kultur deutlich werden: Symbole, Helden, Rituale und Werte. Und bei diesen vier Punkten geht es nicht allein um Politik und Wirtschaft, Geographie oder Geschichte eines Landes, sondern auch um „Alltagskunde“ und „Leutekunde“, wie es Ulrich Zeuner von der Technischen Universität Dresden formuliert: „Alltagskultur spielt eine überragende Rolle bei der Themenfindung. Alltagserfahrungen und universale Lebensbedürfnisse (Essen, Wohnen, Liebe, Streit …) sollen die Brücke vom Eigenen zum Fremden bilden. […] Ausgehend von eigenen Lebenserfahrungen finden die Lernenden so leichter Zugang in die fremde Lebenswelt der anderen Kultur.“
Darüber hinaus vermittelt die Projektwoche Kompetenzen in Projektarbeit, ästhetischer Gestaltung und Präsentationsmethoden, die für den pädagogischen Beruf wichtig sind.
[…]
Und Dank gebührt Ihnen, die Sie gekommen sind, die Ausstellung zu besuchen. Dies ist für unsere Schülerinnen und Schüler im Oberkurs ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung und eine zentrale Würdigung dessen, was sie geleistet haben.
Erlauben Sie mir zum Abschluss noch ein Zitat eines Zeitgenossen, das ich Ihnen auf den Rundgang mitgeben möchte – aus der Feder des deutschen Malers und Schriftstellers Erhard Blanck: „Frankreich hat über zweihundert Käsesorten, Deutschland über zweihundert Brotarten, Italien sicher auch zweihundert Nudelarten. England hat dafür nur eine feine englische Art.“ Und diese dürfen Sie jetzt erleben. Viel Freude und viel Vergnügen dabei!
(aus einem Grußwort der Schulleitung zur Ausstellungseröffnung am Ende einer Englisch- und Kunstprojektwoche)