Neues berufsethisches Fortbildungsmodul

„Kindergarten Kunterbunt“ bietet mittags nur ein Schweinefleischgericht an, „Kindergarten Sonnenschein“ hingegen ein Gericht mit Putenfleisch und alternativ noch ein vegetarisches Gericht. – Engagiert diskutierten die Teilnehmerinnen der laufenden Fortbildung zur Nachqualifizierung Pädagogischer Fachkräfte nach Paragraph 7 Kindertagesbetreuungsgesetz an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Weinstadt über die beiden fiktiven Speisepläne. Schnell wurde deutlich: Hier geht es nicht nur um Fragen der Küchenorganisation. Hinter beiden Speiseplänen stecken Wertentscheidungen: Was ist einer Einrichtung wichtiger? Geht es in öffentlichen Kindergärten in erster Linie um Gleichheit oder um die Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen? Und was fördert Integration besser?

Die Diskussion war Teil eines neuen Fortbildungsmoduls, das für die laufende Fortbildungsreihe unter der didaktischen Leitung von Herrn PD Dr. Kunze neu konzipiert und Ende Februar 2016 erstmals erprobt wurde. Herr Kunze ist habilitierter Bildungsethiker und stv. Schulleiter der Fachschule. Die Teilnehmer beschäftigten sich mit ethischen Konflikten im Berufsalltag und lernten einen Leitfaden kennen, mit dem sozialpädagogische Teams auch ohne größere ethische Fachkenntnisse eine ethische Fallbesprechung durchführen können. Schnell wurde klar, an wie vielen Stellen im Berufsalltag einer Kindertageseinrichtung ethische Konflikte auftreten können.

Berufsethische Fragen finden in der Sozialpädagogik zunehmend Beachtung. Die Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik Weinstadt reagiert mit dem neu entwickelten Fortbildungsmodul auf diese Entwicklung und möchte dadurch zugleich das diakonische Profil ihrer Fortbildungsangebote schärfen.

Sozialethische Bibliographie

Die Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik und die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle in Mönchengladbach veröffentlichen jährlich einen Bericht über sozialethische Publikationen, die im Vorjahr erschienen sind. Die Bibliographie aktueller sozialethischer Veröffentlichungen aus dem Kreis deutschsprachiger Sozialethiker für das Jahr 2015 liegt mittlerweile vor. Sie finden die thematisch geordnete Publikationsliste, die auch bildungsethische Veröffentlichungen umfasst, u. a. hier.

Bildungsplan 2016 vor der Verabschiedung

Noch vor der kurz bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg soll der neue Bildungsplan 2016, um den gesellschaftlich heftig gestritten wurde, in Kraft gesetzt werden. Hierzu äußert sich die Initiative „Zukunft – Verantwortung – Lernen“ in einer aktuellen Stellungnahme. Darin heißt es unter anderem:

„Dreieinhalb Monate nach Abschluss der Anhörungsphase sind nur vereinzelt überarbeitete Dokumente zu den einzelnen Fächern online gestellt worden. Ob und wie viele Rückmeldungen überhaupt eingearbeitet worden sind, ist weiterhin völlig offen. So sind selbst katastrophale Schnitzer immer noch nicht nachgebessert, wie z.B. die Kompetenzformulierung im Fach Islamische Religionslehre: „Schülerinnen und Schüler erläutern gewissenhaft ihre eigenen und fremden Vorurteile gegenüber dem Christentum und dem Judentum.“

Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.

 

Verantwortungs- vs. Gesinnungsethik

Zwei neue Buchveröffentlichungen widmen sich der aktuellen Debatte um Migration, Zuwanderung und Flüchtlinge – ein Thema, das auch den Bildungsbereich alles andere als unberührt lässt. Daher lohnt es sich, diese Debatte ebenso bildungsethisch zu verfolgen.

Konrad Ott stellt in einem Reclam-Bändchen die gesinnungs- und verantwortungsethischen Argumente aus der aktuellen politischen Debatte einander gegenüber. Am Ende plädiert der Autor dafür, hierüber politisch offen zu diskutieren – um der demokratischen Legitimation willen, auf die jede Einwanderungspolitik auf jeden Fall angewiesen bleibt: „Daher bedarf es einer Grundsatzdebatte der Bürgerschaft darüber, ob die Politik ihre Entscheidungen auf gesinnungs- oder verantwortungsethischer Grundlage treffen soll. Die Unterschiede zwischen beiden Ansichten sollten deutlich geworden sein. Im Angesicht dieser schwierigen Lage ist es zwingend notwendig, das Flüchtlingsthema zum Wahlkampfthema zu machen. Die Parteien sind in der Pflicht, hierzu offen klare Konzeptionen und Programme zu entwickeln und vorzustellen“ (Ott 2016, 91 f.).

Äußerst pessimistisch äußert sich Michael Ley, wenn er das europäische „Projekt der Moderne“ insgesamt zum Scheitern verurteilt sieht. Aus soziologischer und psychologischer Sicht zeichnet er die langfristig wirkenden Tendenzen innerhalb der modernen Gesellschaft nach und nimmt dabei auch Bezug zu den aktuellen politischen Entwicklungen – seine Prognose am Ende fällt unmissverständlich aus: „Die misslungene Integration von Migranten wird dazu führen, dass in Zukunft immer mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden. Das bedeutet einen wirtschaftlichen Stillstand und langfristig einen Rückfall hinter ökonomisch aufstrebende Gesellschaften heutiger Schwellenländer“ (Ley 2/2015, 126).

Michael Ley: Die kommende Revolte, 2., durchges. Aufl., Paderborn: Wilhelm Fink 2015.

Konrad Ott: Zuwanderung und Moral (Reclams Universal-Bibliothek; 19376), Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2016.

Podiumsdiskussion zur Zukunft von Schule und Religion in Baden-Württemberg

„Wie viel Christentum braucht unser Land?“ – Unter dieser Frage stand die Tagung des Arbeitskreises der Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg und des Landeselternbeirates Baden-Württemberg, die vom 11. bis 12. Februar 2016 im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart stattfand. Die zentrale Podiumsdiskussion, in der es um die Zukunft von Schule und Religion in Baden-Württemberg ging, kann im Akademiekanal auf Youtube nachgehört werden:

www.youtube.com/watch?v=CO-NmLZXFBg

Auf dem Podium saßen:

  • Oberkirchenrat Werner Baur (Evangelische Landeskirche in Württemberg)
  • Leitender Pastor Steffen Beck (International Christian Fellowship in Karlsruhe, Vorsitzender der Evangelischen Allianz Karlsruhe)
  • Emina Corbo-Mesic (Lehrbeauftragte an der Pädaogischen Hochschule Ludwigsburg)
  • Privatdozent Dr. Axel Bernd Kunze (Privatdozent für Erziehungswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Christlicher Sozialethiker)
  • Dr. Carsten-Thomas Rees (Landeselternbeirat Baden-Württemberg)
  • Dr. Michael Schmidt-Salomon (Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, freier Philosoph und Schriftsteller)
  • Kurt Wolfgang Schatz (Arbeitskreis der Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg)
  • Ministerialrat Ernst Schüly (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg)
  • Moderation: Dr. Stefan Meißner (Arbeitskreis der Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg)

Wilhelmine Canz – eine Pionierin evangelischer Elementarbildung

Im vergangen Jahr jährte sich der Geburtstag einer „Pionierin“ protestantischer Frauen- und Elementarbildung zum zweihundertsten Male: Wilhelmine Canz. Teilweise finanziert aus den Honoraren ihres unter Pseudonym erschienenen Romans „Eritis sicut Deus“, begründete sie in Großheppach im Remstal nahe Stuttgart eine Kinderschule; ab 1856 begann sie damit, Lernschwestern für die Kinderpflege auszubilden. Das Ansinnen musste gegen vielerlei Widerstände durchgesetzt werden. So zitiert die Festschrift aus den persönlichen Aufzeichnungen der Pädagogin: „In einer Visite erzählte meine Cousine ihren Damen, daß ich mit meiner Nichte künftig in einem Dörflein wohnen würde, wo wir den Bauernweibern ihre Kinder umsonst zu hüten gedachten. Die Damen lachten überlaut, es wurde eine eigentliche Komödie, und ich mußte mir gefallen lassen, unter die Narren und Sonderlinge ersten Ranges gerechnet zu werden“. Doch die Idee setzte sich durch: 1870 besuchte Königin Olga das Mutterhaus in Großheppach, 1881 folgte die Verleihung der juristischen Persönlichkeit an die dortige Bildungsanstalt für Kleinkinderpflegerinnen. Die Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik Weinstadt, die hier ihre Wurzeln hat, besteht bis heute.
Wilhelmine Canz entwickelte – in Auseinandersetzung mit den Ideen Friedrich Fröbels – einen eigenen christlich orientierten pädagogischen Ansatz frühkindlicher Bildung und Erziehung, über den sie selbst schrieb: „Unsere Anstalt ist gegründet auf den Glauben an den lebendigen Gott, darf daher nie eine bloß humanistische sein; wir müssen uns dran geben, dem Herrn zu dienen, indem wir den Menschen dienen. Dennoch freue ich mich dessen, was wirklich gut und schön an den Fröbelgärten ist, und was wir auch annehmen und gelten lassen können, nur mit dem Unterschied, daß wir es nicht als Hauptsache behandeln, mit anderen Voraussetzungen dazu kommen und andere Ziele dabei verfolgen“.
Ein Beitrag von Paul Jandl stellt Wilhelmine Canz und ihre Elementarpädagogik ausführlich vor:

http://www.grossheppacher-schwesternschaft.de/assets/files/publikationen/eckstein/paul-jandl-wilhelmine-canz-als-paedagogin.pdf

Wie viel Christentum braucht das Land?

„Wie viel Christentum braucht das Land?“ – Über diese Frage diskutierten evangelische und katholische Religionslehrer sowie Elternvertreter am 11. und 12. Februar 2016 im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Eingeladen hatten der Arbeitskreis der Religionslehrerverbände in Baden-Württemberg sowie der Landeselternbeirat Baden-Württemberg.
Herr PD Dr. Kunze, stellvertretender Schulleiter unserer Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik, sprach zu Beginn der Tagung über aktuelle religionspolitische Herausforderungen im baden-württembergischen Bildungssystem. Anschließend stellte Herr Ernst Schüly, Ministerialrat im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, dar, wie der Umgang mit Religion in der baden-württembergischen Schule rechtlich, politisch und pädagogisch ausgestaltet ist.
Im folgenden Podiumsgespräch hob Oberkirchenrat Werner Baur, zuständig für Kirche und Bildung, die besondere Bedeutung des konfessionellen Religionsunterrichtes hervor: Wer als „konfessionelle“ Lehrkraft Religion unterrichte, „bekenne“ sich vor den Schülerinnen und Schülern zu einem ganz konkreten Sinnangebot und stehe dafür mit seiner Person ein. Dies sei für die religiöse Auseinandersetzung und Identitätsbildung der Heranwachsenden von ganz entscheidender Bedeutung.
Günter Veit, christlicher Unternehmer aus Landsberg am Lech, machte in seinem Vortrag deutlich, wie sehr Staat, Gesellschaft und Wirtschaft darauf angewiesen seien, dass christliche Werte aktiv gelebt werden.
Religiöse Erziehung in der Schule ist vielfältiger geworden. Hierfür braucht es veränderte pädagogische Konzepte. Im weiteren Verlauf der Tagung wurde nicht zuletzt über die Chancen und Grenzen des islamischen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg diskutiert. Bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung ihre Vorstellungen zur „Zukunft von Schule und Religionsunterricht in Baden-Württemberg“ – so der Untertitel der Tagung – formulierten stellte Peter Schreiner, Leiter des evangelischen Comenius-Instituts in Münster, Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern vor.
Die Beiträge der Tagung werden im Kanal der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Internetportal Youtube dokumentiert werden.

Hat das Gymnasium noch Zukunft?

Am 11. und 12. Oktober 2014 fand Konstanz das 55. Internationale Bodenseetreffen zum Thema „Das Gymnasium in der Diskussion um Bildungsgerechtigkeit“ mit Gymnasiallehrkräften aus Österreich, der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg statt. Einer der Tagungsbeiträge findet sich als Wiederabdruck im neuen Band „weniger ist weniger“, der die zivilgesellschaftliche wie bildungswissenschaftliche Diskussion um das achtjährige Gymnasium bündelt:

Axel Bernd Kunze:
Hat das Gymnasium in der bildungsethischen Debatte noch eine Zukunft?,
in: Volker Ladenthin, Anja Nostadt, Jochen Krautz (Hgg.): weniger ist weniger. G8 und die Kollateralschäden. Analysen und Materialien (Pädagogik in Europa in Geschichte und Gegenwart; 11), Bonn 2016, S. 19 – 47.

In der damaligen Pressemitteilung zum Internationalen Bodenseetreffen 2014 hieß es:

„Den Veranstaltern war es gelungen, hochkarätige Referenten zu gewinnen: Prof. Dr. Peter J. Brenner, Technische Universität München, sprach zum Thema „Wohin mit den guten Schülern? Konzepte der Elitebildung in Deutschland und Frankreich“, Privatdozent Dr. Axel Bernd Kunze, Universität Bonn, beleuchtete die Frage „Bildungsgerechtigkeit, Recht auf Bildung, Inklusion … – Hat das Gymnasium in der bildungsethischen Diskussion noch Zukunft?“ und Akademischer Rat Dr. Matthias Burchardt, Universität Köln, referierte über ‚Die Ökonomisierung unseres Bildungswesens – Folgen und Auswirkungen für das Gymnasium.‘ Prof. Brenner führte aus, dass es in Frankreich ungeachtet eines zunächst äußerlich auf Gleichheit (‚égalité‘) ausgerichteten sekundären Bildungsbereichs ein ausgeprägtes Elitebildungssystem gebe, aus dem sich der Nachwuchs der gesellschaftlichen Funktionseliten rekrutiert. Durch das ‚collège unique‘, einer Gesamtschule, hätten die Ungleichheiten in der Gesellschaft eher zu als abgenommen, denn es sei ein stark ausgeprägter teurer Privatschulbereich entstanden. Die Aufnahme in die französischen Elite-Universitäten sei mit enormem Leistungs- und Auslesedruck verbunden. In Deutschland gebe es demgegenüber kein Elitesystem dieser Prägung. Die Geschichte des Gymnasiums könne seit seiner Entstehung als eine sich fortschreibende Geschichte der Öffnung für aufstiegsorientierte Schichten gelesen werden.
Dr. Kunze verwies auf den spezifischen kulturbildenden und wissenschaftspropädeutischen Auftrag des Gymnasiums. Er stellte fest, dass es letztlich der Prozess gesellschaftlicher wie institutioneller Ausdifferenzierung gewesen sei, der in der Moderne immense Fortschritte in Kultur und Technik hervorgebracht hat, auch im Bildungssystem. Die Forderung nach Bildungsgerechtigkeit müsse vor dem Ziel eines insgesamt pluralistischen, durchlässigen und korrekturoffenen Schulsystems diskutiert werden.
Dr. Burchardt sieht in der zunehmenden Ökonomisierung unseres Bildungswesens eine gefährliche Verkürzung des Bildungsbegriffs, der unsere abendländische Tradition seit Jahrhunderten prägte. Die OECD reduziere Bildung auf funktionale Minimalkompetenzen. So beinhalte Bildung eben mehr als die Abfrage von Kompetenzen und mehr als das, was die PISA-Tests abfragen. Das ‚human capital‘-Menschenbild der OECD widerspreche unserem christlich-abendländischen, humanistischen Menschenbild, das den Menschen nicht auf einen reinen Wirtschaftsfaktor reduziert. Das Ziel des Gymnasiums sei von jeher, neben der Wissenschaftspropädeutik, die vertiefte Allgemeinbildung und eine umfassende Persönlichkeitsbildung gewesen. Das Gymnasium und das spezifisch Gymnasiale erforderten den akademisch gebildeten Pädagogen, der nicht durch einen bloßen Lernbegleiter abgelöst werden dürfe, was letztlich vom Lerner als einem Autodidakten ausgehe.
Die Vorsitzenden der veranstaltenden Gymnasiallehrerverbände Bernd Saur, Philologenverband Baden-Württemberg (PhV BW), Max Schmidt, Bayerischer Philologenverband (bpv), und Gerhard Riegler, Österreichische Professoren Union (ÖPU), zogen das Fazit: ‚Um echte Bildungsgerechtigkeit gewährleisten zu können, ist ein differenziertes Bildungswesen unabdingbar, in dem auch das Gymnasium und vor allem das spezifisch Gymnasiale bewahrt bleibt.‘“

(Pressemitteilung der Gymnasiallehrerverbände in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2014)

Das Thema „Bildung“ im Rahmen der Ökumenischen Sozialinitiative

„Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft“ – Unter diesem Titel haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland nun eine Dokumentation der Diskussionsphase im Rahmen der Ökumenischen Sozialinitiative der Kirchen vorgelegt, die am 28. Februar 2014 gestartet worden war:

Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft. Dokumentation der Diskussionsphase und Gemeinsame Feststellung zur Ökumenischen Sozialinitiative (Gemeinsame Texte; 23), hg. v. d. Evangelischen Kirche in Deutschland u. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, o. O. (Hannover/Bonn) 2015.

Das Heft umfasst neben einer Auswertung der Beiträge auf der Homepage http://www.sozialinitiative-kirchen.de und der Reaktionen in Printmedien die Gemeinsame Feststellung der Kirchen vom 2. Oktober 2015 sowie zwei Statements des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.

Die neunte These der Ökumenischen Sozialinitiative wurde im Januar 2015 in der Kolumnereihe der „Tagespost“ kommentiert:

„Axel Bernd Kunze (Erziehungswissenschaftler und Sozialethiker) thematisiert in seinem Beitrag die Bildung. Bildung sollte auch unverzweckt betrachtet werden und besonders zu Selbstbewusstseinerziehen. Er stimmt der Sozialinitiative zu, die die Familie als ersten Bildungsort begreift. Zugleich kritisiert er die Aussage, es werde zu viel in die Elite und zu wenig in die Breite investiert (angesichts stetig steigender Studierendenzahlen und mangelnder Ausstattung der Hochschulen). Auch die konstatierte mangelnde Durchlässigkeit sieht Kunze nicht. Er betont, es brauche zielgenaue Förderangebote und die Förderung herausragender Bildungsleistungen. Diese sollten nicht gegeneinander ausgespielt und aufgerechnet werden.“ (Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft, S. 206)

Die überwiegend zustimmenden Beiträge zu den bildungsbezogenen Passagen der Sozialinitiative werden wie folgt zusammengefasst:

„Die Kirchlich-Gewerkschaftliche Initiative Bayern lobt, dass Bildung im Sozialwort ‚erfreulich weit‘ und nicht nur im Sinne von ‚Beschäftigungsfähigkeit‘ definiert werde. Auch sei es richtig, wenn frühkindliche Bildung im Sozialwort als Schlüsselfrage für gesellschaftliche Teilhabe thematisiert werde. Küppers hingegen unterstützt, dass Bildungspolitik im Sozialwort vor allem als vorsorgende Sozialpolitik verstanden werde, die ‚eine gute soziale Rendite‘ verspreche. Deor hebt vor allem die Forderung nach lebenslanger Bildung insbesondere für diejenigen, die ‚bereits abgehängt‘ wurden, lobend hervor. Sie vertritt die Auffassung, dass an dieser Stelle längst etwas hätte geschehen sollen, ‚im Sinne einer Wiedergutmachung bzw. Anerkennung für Lebensleistungen in Arbeitsprozessen, die weggebrochen bzw. (…) disqualifiziert und herabgewürdigt worden sind‘. Auch Kruip stimmt den Ausführungen des Sozialwortes zum Thema Bildung weitestgehend zu. Er kritisiert allerdings, dass die Forderung nach einem kostenlosen Kindergartenplatz nicht in das Sozialwort aufgenommen worden sei.“ (Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft, S. 142)

Es folgt eine Zusammenfassung der Beiträge, die sich eher kritisch mit den Bildungsaussagen der Sozialinitiative befassen:

Silke Westphal lobt, „dass Bildungspolitik im Sozialwort als wichtiger Teil einer vorsorgenden Sozialpolitik begriffen werde, kritisiert allerdings, dass die ‚weiteren Ausführungen an der Oberfläche‘ hängenbleiben würden.“ Die evangelische Unternehmerin kritisisiert nicht zuletzt, „dass Bildung im Sozialwort ‚vor allem unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungsfähigkeit und der volkswirtschaftlichen Effizienz‘ diskutiert werde.“ Westphal glaubt, „dass gerade die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände Arbeitgeber sein könnten, die lebenslanges Lernen ermöglichen und fördern.“
Axel Bernd Kunze „sieht es kritisch, wenn Bildung in den Kontext der vorsorgenden Sozialpolitik gerückt werde, weil auf diese Weise eine Rhetorik der Anpassung gefördert werden könne. Bildung solle im Gegensatz dazu zunächst einmal danach ausgerichtet werden, Freiheit im Denken und Handeln zu ermöglichen: ‚Dieses Potenzial geht verloren, wenn Bildung auf ein Instrument wirtschafts- oder sozialpolitischer Steuerung reduziert wird.‘“
„Auch der Ausschuss für Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen kritisiert, dass die Formulierungen des Sozialwortes Gefahr liefen, ‚Bildung auf ihre Dienlichkeit für den Arbeitsmarkt zu verengen‘.“ Ähnlich äußert sich auch das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Klaus Hubert, Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern, „hält es für widersprüchlich, wenn im Sozialwort einerseits darauf hingewiesen werde, Bildung sei mehr als die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, andererseits aber werde sie, ‚angefangen von der frühkindlichen Bildung, unter die Vorgaben der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes gestellt‘.
Der Vorsitzende des Bildungswerks Bamberg der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, Siegfried Ecker, wiederum bemängelt, „dass das Sozialwort unausgesprochen dem Bildungsbegriff des Bologna-Prozesses und der Pisa-Studien folge, der vorwiegend auf wirtschaftlich verwertbare berufliche Bildung ausgerichtet sei. Nicht erwähnt werde im Text, dass sich nicht nur der Einzelne durch Bildung an sich verändernde Bedingungen anzupassen habe, sondern dass Bildung auch stets emanzipatorische Ziele verfolge und sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen gerade durch Bildung ändern könnten.“ Auch fehlt nach Ansicht Eckers ein Wort zur notwendigen Herzens- und Gewissensbildung: „Wie wollen die Kirchen Einfluss auf die Bürger haben, wenn von Herzensbildung keine Rede ist?“ (alle vorangegangenen Zitate: Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft, S. 143 f.)

Des Weiteren finden sich auch unter dem Stichwort Familienpolitik Aussagen zum Thema Bildung:

Kunze äußert ferner die „Auffassung, dass im Sozialwort eine Verzwecklichung der Familie durchscheine. Diese werde vornehmlich als Dienstleister für Wirtschaft oder Sozialstaat gesehen. Dabei gerate aus dem Blick, dass Familienfunktionen nicht einfach durch öffentliche Erziehung ersetzt werden könne – denn zu Recht weise das Sozialwort selbst darauf hin, dass die Familie der erste Bildungsort sei.“ (Im Dienst an einer gerechten Gesellschaft, S. 142)

Päpstliche Umweltenzyklika aus pädagogischer Sicht

Laudato si‘ – Unter diesem Titel veröffentlichte Papst Franziskus am 24. Mai 2015 eine neue Ezyklika, beginnend mit Worten aus dem Sonnengesang seines Namenspatrons, des heiligen Franz von Assisi. Das Schreiben stellt ein Novum für die katholische Soziallehre dar: Erstmals veröffentlicht ein Papst eine eigenständige Umweltenzyklika, auch wenn Franziskus einleitend daran erinnert, dass seine Vorgänger gleichfalls immer wieder ökologische Fragen angesprochen haben: so beispielsweise Papst Johannes XXIII. in seiner Friedensenzyklika „Pacem in terris“, Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben „Octogesima adveniens“ oder Johannes Paul II. in seiner Antrittsenzyklika „Redemptor hominis“.
Am Ende seines Schreibens spricht der Papst von der Notwendigkeit einer ökologischen Erziehung und Spritiualität, die auf eine neue Lebens- und Wirtschaftsweise zielen. Gerade durch den letzten Aspekt erhält die lehramtliche Stellungnahme von Papst Franziskus auch eine grundlegend pädagogische Bedeutung. Diese reflektiert ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Katholische Bildung“:

Axel Bernd Kunze:

Ganzheitliche Ökologie als Bildungs- und Erziehungsaufgabe. Ein pädagogischer Blick auf die erste päpstliche Umweltenzyklika „Laudato si'“,

in: KatholischeBildung 117 (2016), Heft 2 (Februar 2016), S. 57 – 68.

Der Beitrag ist auch online verfügbar unter http://www.vkdl.de/publikationen/katholische-bildung.