Schlaglicht: Wie deutsch ist deutsch? – oder: Neues vom deutschen Untertanen

Wie deutsch ist deutsch?, fragt die ACADEMIA, die Zeitschrift des Cartellverbandes katholischer deutscher Studentenverbindungen, in ihrer aktuellen Ausgabe 4/2021 und zeigt auf dem Titel einen fröhlichen Gartenzwerg. Das Coverbild hat mich an den neuen Band „Der deutsche Untertan“ von Josef Kraus erinnert: Der Gartenzwerg auf dem dortigen Umschlagbild hat allerdings seine Mütze über die Augen gezogen. Ja, der deutsche Untertan ist zurück – oder war er nie weg? Thematisch geordnet, präsentiert Josef Kraus eine lange Liste politischer Fehlentwicklungen, die vom Souverän in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten widerspruchslos als vermeintlich alternativlos hingenommen wurden. Am Ende dieser Legislaturperiode kommt eine weitere Krise hinzu: ein Vertrauens- und Loyalitätsbruch in der Impfpolitik. Und wieder will der Souverän nicht hinsehen.

Eine Impfpflicht oder ein Zwangsregime gegen Ungeimpfte, wie Christoph Herbort-von Loeper in ACADEMIA (Nr. 4/2021, S. 6) fordert, wäre angesichts der noch ungenau erforschten neuen genbasierten Impfstoffe ein gewaltiger Tabubruch. Ein Staat, der den Körper seiner Untertanen – Verzeihung: Staatsbürger – kollektiviert, verhält sich totalitär. Seit dem 10. August 2021 zeigt sich, dass eine freie Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen von der Politik nicht mehr gewollt ist. Die Geschichte zeigt, dass eine solche Politik noch nie gut ausgegangen ist.

Es gibt Gemeinwohlbelange, gar keine Frage. Doch vor körperlichen Zwangseingriffen müssen alle milderen Mittel ausgeschöpft sein. Hierzu zählt auch, auf konventionelle Impfstoffe zu warten, die immerhin schon eingekauft sind und hoffentlich bald zugelassen werden. Will der Staat freie, selbstbewusste, eigenverantwortliche Staatsbürger und keine gefügigen Untertanen, muss der Impfstoff frei wählbar sein. Dies baut Vorbehalte ab und schafft Vertrauen in eine Impfung. Weitere Aspekte wären bei einer sorgfältigen Güterabwägung zu bedenken, die hier nicht im Detail erörtert werden können. Personen, die sich nach sorgfältiger Abwägung gegen eine Impfung entscheiden, treffen eine ethisch verantwortliche Entscheidung, die der freiheitliche Rechts- und Verfassungsstaat zu achten hat. Diesem sind aus guten Gründen Grenzen gesetzt. Eine Schutzverantwortung des Staates, welche die personale Freiheit der Einzelnen mit Füßen tritt,  wäre keine.

Eine affekt- und ressentimentgeladene Coronapolitik spaltet das Land in eine Zweiklassengesellschaft, hetzt das Volk gegeneinander auf, sucht wieder einmal nach Sündenböcken und entzieht einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die sozialen Teilhaberechte. Eine solche Coronapolitik hat mit den Prinzipien Katholischer Soziallehre nichts zu tun. Und sie wird, wie es in einem Kommentar in der „Welt“ hieß, das gesellschaftliche Klima auf Jahrzehnte vergiften. Dies wird politisch in Kauf genommen – offenbar auch in der ACADEMIA. Wenn Kirche und Cartellverband zu dieser Politik, welche die Wertordnung unserer Verfassung auf den Kopf stellt, jetzt schweigen, sollten sie künftig auch nicht mehr von Demokratisierung, Personalität, sozialer Teilhabe und Gerechtigkeit reden. Diese Worte werden hohl klingen wie dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

PS: Immerhin ehrt es die ACADEMIA, dass sie zur eingangs genannten Frage auch einen Vertreter der AfD hat zu Wort kommen lassen.

Rezension: Wiederkehr des deutschen Untertanen

Der deutsche Untertan ist zurück – oder war er nie weg? Peter J. Brenner hat eine glänzend geschriebene Rezension zum neuen Buch „Der deutsche Untertan“ aus der Feder des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, vorgelegt. Die Rezension ist lesenswert, weil sie weit über das besprochene Werk hinausgreift und auf die freiheitsfeindlichen Entwicklungen in unserem Land aufmerksam macht, die am Ende dieser Legislaturperiode ein Maß angenommen haben, das bisher undenkbar war. Unser Land blickt in den Abgrund und müsste vor sich selbst erschrecken. Aber die wenigsten lesen die Zeichen der Zeit.

Die Rezension findet sich hier: https://www.tumult-magazine.net/post/peter-j-brenner-deutschland-ein-land-der-untertanen-zum-neuen-buch-von-josef-kraus

Christliches Forum übernimmt Beitrag zu Vorgängen an der Berliner Humboldt-Universität: Auch antiweißer Rassismus ist diskrimierend

Den Beitrag, der sich mit einer Stellenausschreibung der „Studierendenvertretung“ der Berliner Humboldt-Universität und den aktuellen Entwicklungen in der Impfpolitik beschäftigt, finden Sie hier:

Es sind „ver-rückte“ Zeiten: Zeiten, in denen alle Maßstäbe und ethischen Grundlagen unseres Zusammenlebens „ver-rückt“ werden. Für mich sind alle Parteien desavouiert, welche diese Freiheitseingriffe zu verantworten haben. Stefan Rehder schrieb in diesem Monat in der „Tagespost“: „Der Körper ist das Hoheitsgebiet des Bürgers und kein sozialpflichtiges Eigentum, über das dessen Angestellte auf Zeit, denn das sind Regierende in der Demokratie, nach Gutsherrenart entscheiden könnten. Am Dienstag [gemeint: 10.08.2021] haben Merkel, Söder und Müller nicht etwa für das Impfen geworben. Dazu hätten sie die Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen müssen. Stattdessen haben sie ihren mangelhaften Respekt vor dem Souverän demonstriert.“

Als Sozialethiker habe ich mich viel mit staats- und politikethischen Fragen beschäftigt. Alexander Gauland hat Recht, wenn er dieser Tage gesagt hat, dass es diesem Staat (gemeint ist wohl: dieser staatlichen Führung) nicht einmal mehr gelingt, einen letzten Rest an Würde und Anstand zu wahren. Ich sage dies nicht um der Parteipolitik willen, die parteipolitische Bewertung der aktuellen Situation mag jeder für sich vornehmen. Aber ich sage dies als Mitautor eines Bandes mit dem Titel „Wiederentdeckung des Staates in der Theologie“, das im vergangenen Jahr, gemeinsam verfasst mit drei weiteren Kollegen, erschienen ist. Gemeint ist allerdings ein freiheitlicher Rechts- und Verfassungssstaat, der wieder in der Lage ist, seine Kernaufgaben zu erfüllen, nicht die Fratze eines affekt- und ressentimentgeladenen „Coronaintensivstaates“ (so war es im „Tagesspiegel“ zu lesen, was schon sprachlich an „Intensivstation“ erinnert).

Ich bin davon überzeugt, dass wir Freiheit und Würde nicht wahren werden, wenn wir nicht auch bereit sind, von Vaterland, Volk und Nation zu sprechen. Denn wer das Eigene nicht liebt, wird am Ende gefühlskalt, unsolidarisch und unfreiheitlich. Alle politischen Konstrukte, die den Nationalstaat zu ersetzen versuchen, bleiben technokratisch. Das zeigt sich gerade in der Krise. Wenn Bürger aber nicht mehr glauben, Teil desselben Gemeinwesens zu sein, kann das politische Zusammenleben auf Dauer nicht funktionieren. Identität ist ohne Emotion nicht zu haben; ihre starke Bindekraft zeigt sich mitunter erst dann, wenn andere Mechanismen versagen: Sie hilft, so hat es Francis Fukuyama ausgedrückt, „Gesellschaften, ihre Tiefpunkte zu überstehen, wenn die Vernunft allein zu Verzweiflung über die Arbeit ihrer Institutionen führen würde.“

Und einen solchen Tiefpunkt erleben wir derzeit.

Schlaglicht: Diskriminierung soll durch Diskriminierung bekämpft werden

Während die Grünen in ihrem Wahlwerbespot zur Bundestagswahl singen: „Ein schöner Land in dieser Zeit. Es regt sich Aufbruch weit und breit. Auf neuen Wegen. Bleiben nicht stehen“, zeigt die „Studierendenschaft“ an der Berliner Humboldt-Universität schon einmal, wohin die neuen Wege führen: Diskriminierung soll mit Diskriminierung bekämpft werden – also mit dem „sanften“ Hinweis, dass sich Weiße gar nicht erst um die ausgeschriebene Stelle bewerben sollten.

https://jungefreiheit.de/kultur/gesellschaft/2021/weisse-menschen-stellenausschreibung-humboldt/

Laut „Welt“ vom 27. August 2021 sehe der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus in der betreffenden Stellenausschreibung einen „klaren Verstoß gegen die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“. Wörtlich zitiert ihn die Zeitung: „Die Ausschreibung für eine Antidiskriminierungsstelle ist selbst diskriminierend. Ich erwarte, dass die Ausschreibung in dieser Form zurückgezogen wird.“ Und weiter – an den Wissenschaftssenator und den Regierenden Bürgermeister gerichtet: „Es ist nicht das erste Mal, dass die Gremien der studentischen Selbstverwaltung negativ auffallen. Ich erwarte, dass die Vorgänge dort vom Landesrechnungshof geprüft und kritischer beobachtet werden.“

Aber: Ich höre wohl die Worte, allein mir fehlt der Glaube. Grassers eigene Partei lässt gegenwärtig in der Coronapolitik alle Masken fallen, jeden demokratischen Anstand vermissen und unterläuft selbst den antidiskriminierenden Geist unserer Verfassungsordnung. Ein Freund sprach heute mir gegenüber von einem immer weiter und schneller wachsenden Chaos, das politisch über uns kommt. Ich kann es nicht mehr anders ausdrücken: Unser Land ist wahnsinnig geworden – und wird es an immer mehr Stellen. Gegen eine Pandemie oder gegen Diskriminierung kann man sich schützen, gegen politischen Wahnsinn, der selbst pandemisch wird, nicht.

Zum politischen Wahnsinn dieser Tage gehört, dass eine nur noch von Affekt und Ressentiments geleitete Politik nicht nur jedes Maß, sondern auch jegliche Kontinuität und Rationalität im Handeln verloren hat. Jeden Tag wird ein neuer Kursschwenk in der Infektionspolitik verkündet. Man hat den Eindruck, dass Politikern, denen in Umfragen die Felle
davonschwimmen, wild um sich schlagen. Die Freiheit an der Universität ist längst nicht die einzige Baustelle, an der wir für den Erhalt unserer Freiheitsordnung kämpfen und Widerstand leisten müssen, schrieb ich erst heute an einer Kollegin. Ja, ich sei in tiefer Sorge um die Zukunft unseres Vaterlandes.

Netzwerk Wissenschaftsfreiheit wendet sich gegen Standpunktedokument der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten

Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat sich in Briefen an die Bundes- und Landesminister für Wissenschaft gegen ein neues Dokument der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (bukof) gestellt. Befürchtet werden deutliche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit. Den Wortlaut des Briefes finden Sie hier:

Kommentar: Überlegungen im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl – oder: alternative sozialethische Wahlprüfsteine

Diagnose

Wie wird die kommende Bundestagswahl im Rückblick einmal eingeordnet werden? Nach der langen Vorherrschaft einer einzelnen Partei gibt es immer auch ein gewisses Maß an Überdruss und den Wunsch nach Wechsel. Ich kann mich noch an meinen Gemeinschaftskundelehrer in der Mittelstufe erinnern: selber links, aber dennoch ein Anhänger des Wechsels zu Kohl, damit die eigene politische Richtung nicht zu sehr vermachtet. Nun gut, er hatte vermutlich nicht damit gerechnet, wie lange die SPD mit der Kanzlerschaft Kohls in die Opposition gehen würde.

Nun dämmert erneut eine langjährige Kanzlerschaft ihrem Ende entgegen. Für eine langjährige Regierungspartei stellt sich in einer solchen Situation unweigerlich die Frage: auf Kontinuität setzen oder vorsichtig Veränderungen einleiten? Bei dieser Bundestagswahl blicken wir ferner auf zahlreiche Krisen zurück, die nur unzureichend bewältigt wurden, die keineswegs abgeschlossen sind und über die im Wahlkampf geredet werden muss. Und wir haben des Weiteren eine polarisierte, gespaltene Gesellschaft. Matthias Heine hat in der „Welt“ am 17. August 2021 die Lage des Landes vor dieser Wahl so zusammengefasst: „Erst durch die absurde Coronakratie und jetzt durch die Hilflosigkeit deutscher Politik angesichts von Afghanistan sind kurz vor dem Ende von Merkels Amtszeit ihre Inkompetenz, ihr Opportunismus und ihr Desinteresse für jeden offensichtlich geworden, der nicht die Augen zukneift. Seit Längerem spricht einiges dafür, dass Merkel später einmal als die verhängnisvollste Kanzlerin der Bundesrepublik beurteilt wird.“

In einer anderen Zeitung war dieser Tage im Vorfeld der Wahl zu lesen, dass die Wohlstandsjahre im Windschatten der Weltgeschichte für Deutschland endgültig Geschichte seien. Wir stünden vor geostrategischen, außen- und weltpolitischen Herausforderungen (zu denken ist beispielsweise an den Aufstieg Chinas), auf die jeder der Kandidaten – gleich, wer am Ende das Rennen machen wird – eine Antwort geben müsse. Nach Einschätzung der Zeitung habe keine der Parteien einen Kandidaten aufzubieten, der den kommenden strategischen Herausforderungen gewachsen sei. Ich will diese Einschätzung jetzt nicht im Detail kommentieren. Aber auf mich wirken die üblichen Wahlkampfrituale in diesem Jahr zunehmend abgedroschen und realitätsblind.

Zur Migration, die mit dem Afghanistandesaster wieder auf die Tagesordnung kommt, findet sich bei keiner der sogenannten etablierten Parteien, die schon mehrere Wahlperioden oder sogar seit Anbeginn der Bundesrepublik im Bundestag sitzen, etwas in den Wahlprogrammen – um nur ein Beispiel zu nennen. Der parteinahe Wirtschaftsrat der Union hat ein Gutachten zu den Finanz- und Steuervorschlägen der Parteien erarbeiten lassen, das in der „Welt“ exklusiv vorgestellt wurde: „Einfach unbezahlbar“ (Die Welt v. 21. August 2021). Im Grunde ist die Aussage der Auftragsstudie desaströs: Alle Wahlprogramme von Union, SPD, F.D.P. und Grünen seien realitätsfremd, mit unhaltbaren kostenträchtigen Versprechen in der Klima- oder Sozialpolitik aufgeladen und mit starken Eingriffen in die Wirtschaftspolitik versehen. „Die Auswirkungen der Wahlprogramme der großen Parteien auf die Staatsfinanzen wären heftig“, so die „Welt“. Das Bemerkenswerte aber: Die Parteiprogramme von Linken und AfD habe man nicht untersuchen lassen, so der Wirtschaftsrat der Union, weil man nur die „seriösen“ Parteien betrachten wolle. Eine solche Auftragsstudie ist tendenziös. Doch als Zeitungsleser weiß ich jetzt im Grunde, wo ich noch einmal genauer hinschauen sollte: Wenn die Programme der etablierten Bundestagsparteien allesamt unhaltbar sind, kann möglicherweise eben gerade das Parteiprogramm einer vermeintlich unseriösen Partei doch seriös sein und eine tragfähige Alternative für die kommende Legislaturperiode anbieten.

Jeder Staatsbürger sollte seine Wahlentscheidung ernsthaft und verantwortlich erwägen. Wahlen sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sie bestimmen die weitere Entwicklung des Landes und die Zukunft unseres Zusammenlebens. Unser Land hat in vielen Politikbereichen an Realitätssinn eingebüßt. Die Infrastruktur bröckelt. Der Staat wird seinen Kernaufgaben nicht mehr gerecht (Grenzsicherung, Verteidigungspolitik, innere Sicherheit, Katastrophen- und Zivilschutz …). Umgekehrt werden immer mehr Bereiche der Gesellschaft staatlicher Steuerung unterworfen. Die demokratische Legitimationsbasis für weitreichende Veränderungen unserer staatlichen Grundlagen (etwa in der Europa-, Euro- oder Finanzpoliitk) wird immer schmaler und fragwürdiger. Die Freiheitsräume schwinden, mit der aktuellen Coronapolitik wird gezielt auf übelste Weise Politik gegen bestimmte Teile des eigenen Volkes gemacht und die gesellschaftliche Polarisierung weiter vorangetrieben – für mich ein Anschlag auf unsere Verfassungsordnung.

Über all das könnte kontrovers diskutiert werden und es könnte streitbar um Lösungen gerungen werden. Aber der öffentliche Diskurs verfällt zusehends, der öffentliche Raum wird immer mehr ideologisiert und der geistige Zustand der öffentlich-rechtlichen Medien befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Das politische Spektrum ist auf gefährliche Weise eingeschränkt, der öffentliche Diskurs vermachtet. Freiheitliche, nationalkonservative, nationalliberale oder auch nur konservative Positionen im demokratischen Spektrum rechts der Mitte werden in brunnenvergiftender Manier und auf immer dreistere Weise als irgendwie „rechts“ diskreditiert und unterdrückt. Unser Land fährt auf Reserve, fällt in immer mehr Bereichen zurück und wird dann auch an volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einbüßen, die eine wichtige Grundlage unseres Wohlstandes ist. Wenn wir nicht an Realitätssinn in der Politik zurückgewinnen, können sich die Verwerfungen irgendwann eruptiv entladen.

Die gesellschaftliche Polarisierung, die Merkel als ihr Erbe vermachen wird, verstärkt autoritäre Tendenzen. Wir erleben das gegenwärtig in der Coronapolitik sehr deutlich. Wo es kein „Volk“ mehr geben darf, sondern nur noch „Bevölkerung“, verkommt der öffentliche Ton. Ein Klima des autoritären Gehorsams breitet sich aus, herablassend und schnoddrig. Dies alles entspricht einer Regierung, die sich selber eine herablassende Haltung gegenüber dem eigenen Volk angewöhnt hat.

Wahlprüfsteine

Es ist üblich, vor einem Urnengang sogenannte Wahlprüfsteine zu formulieren. Daher wollen wir uns auch an dieser Stelle in jenem Genre üben und alternative sozialethische Prüfsteine formulieren – alternativ, da nicht wie sonst üblich auf einzelne Politikfelder bezogen, sondern auf eine erneuerte politische Kultur. Was braucht es für eine Gesundung unseres Landes?

1. ein Mäßigungsgebot im öffentlichen Raum, der nicht beständig ideologisiert (z. B. durch moralisierende Gendersprache, beständige Belehrung durch Aktionen, Initiativen, Plakate und Parolen staatlicher oder halbstaatlicher Akteure – dies alles führt zu einem beständigen Bekenntniszwang) und unter dem Deckmantel vermeintlicher Vielfalt und Pluralität gleichgeschaltet werden darf.

2. eine Politik, die wieder bereit ist, über nationale, geostrategische und sicherheitspolitische Interessen zu reden (der oben erwähnte Umgang mit China ist nur ein Beispiel).

3. eine Politik, die ihre Hauptaufgabe wieder darin sieht, die Kernaufgaben des Staates zu sichern, und dafür auf ideologische Großprojekte gesellschaftlicher Umsteuerung verzichtet (hierzu gehört auch der Verzicht, die Verfassungsordnung um moralisierender Ziele willen zu unterlaufen und auszuhöhlen).

4. eine Politik, welche die Freiheit des Subjekts wieder achtet, zu rationaler Argumentation zurückfindet und auf Moralisierung, Affekt und Ressentiment verzichtet.

5. eine Politik, die stattdessen wieder zu differenzierten Abwägungen fähig ist und nicht beständig mit absoluten Prioritätensetzungen (etwa indem ein neuartiges Klimaschutzministerium sogar mit einem Vetorecht ausgestattet werden soll) und radikalen Maximalforderungen arbeitet.

6. ein nicht künstlich nach links verschobenes Parteiensystem,sondern ergebnisoffene, plurale Debatten ohne Dämonisierung, Verunglimpfung oder Diskriminierung weiter Teile der Gesellschaft (öffentliche Institutionen gehören der gesamten Gesellschaft und dürfen entsprechend nicht mehr allein durch ein bestimmtes, linksorientiertes Milieu besetzt und für die eigenen weltanschaulichen Zwecke in Dienst genommen werden).

7. eine bessere Personalauswahl in der Politik, damit die Geschicke des Landes von Politikern bestimmt werden, die berufliche Erfahrung mitbringen.

8. Politiker, die wieder bereit sind, für langfristige Entscheidungen einzustehen (der bayerische Ministerpräsident, der selber gern Kanzlerkandidat geworden wäre, ist gegenwärtig ein abschreckendes Beispiel für jene Politiker, die nur noch aus Opportunismus, Flatterhaftigkeit und rückgratlosem Machtwillen zu bestehen scheinen und bei denen sich der Wähler am  Ende nicht sicher sein kann, was er überhaupt gewählt hat).

Und wir brauchen wieder die Bereitschaft, ein gesellschaftliches Ethos zu fördern, das uns im Alltag den Rücken freihält und Freiheit erst ermöglicht. Wir haben schon seit langem alles dafür getan, Werte wie Volk, Nation, Leitkultur, Leistung, Bildung usw. der Lächerlichkeit preiszugeben oder zentrale Kulturgüter wie unsere Sprache (z. B. durch Gendern oder Anglisierung) zu demontieren. Und wir haben es unterlassen, die historischen, kulturellen oder religiösen Wurzeln unserer Verfassungsordnung selbstbewusst zu verteidigen (ja, ein Kardinal aus München war sich sogar nicht zu schade, das christliche Abendland für überholt zu erklären). Zum Volk gehört nicht einfach jeder, der im Land lebt, wie unsere Kanzlerin behauptet hat. Wer so redet, legt die Axt an die Wurzeln eines stabilen, freiheitlichen Zusammenlebens. Denn wo eine gemeinsame Identität mit gemeinsamen Wertüberzeugungen immer mehr schwindet, muss der Staat immer mehr rechtlich regulieren und steuern. Je weniger wir uns auf ein gesellschaftliches Ethos verlassen können, desto mehr wächst der Bedarf nach kleinteiliger rechtlicher Regulierung. Auf Dauer erstickt die gesellschaftliche Produktivität, das geistige Klima im Land wird autoritär, muffig und stickig.

Ich hoffe, dass ich mit meinen Befürchtungen Unrecht habe. Aber ich nehme in meinem Umfeld wahr, dass durchaus deutliche Sorgen um die Zukunft unseres Vaterlandes und die Stabilität unseres Gemeinwesens wachsen – vielleicht noch bei zu wenigen. Wenn ich mir den Wahlkampf und die Kandidaten bei dieser Wahl ansehe, werden die entscheidenden Fragen nicht gestellt. Es könnten am Ende erneut vier vertane Jahre werden, die für die notwendige Erneuerung der politisch-kulturellen Grundlagen unseres Zusammenlebens verloren gehen. Ein Hinweis, dass diese Einschätzung nicht fehlgeht, könnte sein, dass die Parteien der drei Kanzlerkandidaten erstaunlich eng in den Umfragen zusammenliegen. Offenbar bietet sich derezit keine Partei so richtig dafür an, dass man ihr Vertrauen schenkt, die Zukunft des Landes verantwortlich zu gestalten.

Gleich, wie die Wahl am Ende ausgehen wird: In jedem Fall gibt es derzeit – jenseits aller Parteipolitik – genügend Themen, die jeden herausfordern sollten, dem die Zukunft unseres Landes nicht egal ist. Wir werden diese Debatten führen müssen.

Ist die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland gefährdet? Debatte erreicht Bundestag

In Deutschland wird eine kontroverse Debatte über die Lage der Wissenschaftsfreiheit an den Hochschulen im Lande geführt. Ein wesentlicher Motor dieser Debatte ist das zu Jahresbeginn neugegründete Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Nun hat die Debatte auch den Deutschen Bundestag erreicht – in Form einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung (Drucksache 19/31945 vom 10.08.2021). Abgeordnete der Alternative für Deutschland fordern die Bundesregierung auf, sich in der Debatte um mögliche Beeinträchtigungen der Wissenschaftsfreiheit im Lande zu positionieren.