Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander:
Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen,
die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles,
was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt worden war.
Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden mußte,
gab man ihm den Namen Jesus,
wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.
(Lk 2, 15 – 21)
Allen Lesern und Leserinnen meines Wissenschaftsweblogs zur Bildungsethik wünsche ich von Herzen gesegnete Weihnachten, erholsame Feiertage sowie alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen für das neue Jahr.
Ich verbinde diesen Gruß mit einem herzlichen Dank für Ihr Interesse an meinen Beiträgen zu einer Sozialethik der Bildung und freue mich auch im neuen Jahr auf den bildungsethischen Austausch mit Ihnen. Wenn die folgenden Gedanken aus dem vergangenen Schuljahr unserer Fachschule einige Akzente für die kommende Weihnachtszeit setzen könnten, würde ich mich freuen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Axel Bernd Kunze
Predigt in der Christfeier der Großheppacher Schwesternschaft am 18. Dezember 2015:
„Unterm Strich zähl ich.“ – So warb eine große Bank sechs Jahre lang um Kunden. Und traf damit den Nerv der Zeit. Die Bank verspricht, die Bedürfnisse des Einzelnen zu befriedigen – schnell, leicht und zu guten Konditionen. Wer wünschte sich das nicht. Schnelle Bedürfnisbefriedigung steht hoch im Kurs. Wir sprechen gern von Dienstleistungsgesellschaft und erwarten, dass unsere Gefühle und Wünsche unmittelbar erfüllt werden – schließlich zahlen wir dafür. Warum warten. Schließlich habe ich ein Recht, und das darf ich einfordern. Schließlich bin ich „einzigartICH“, wie dieselbe Bank in ihrer Werbekampagne behauptet.
Gewiss, die Diagnose mag überzeichnet sein. Aber Sie haben es in der Praxis vielleicht auch schon erlebt, wie schwer es manchen Kindern fallen kann zu warten. Schnelle Befriedigung bringt vielleicht kurzfristig Gewinn, führt aber nicht unbedingt langfristig zum Ziel. Leistung, Erfolg und Können fallen nicht vom Himmel – das wissen Sie als angehende Erzieherinnen und Erzieher. Hierfür braucht es Durchhaltevermögen, beharrliches Einüben und Zeit zum Reifen.
Dies alles gilt auch für den Glauben. Dieser ist etwas anderes als die schnelle Befriedigung spiritueller Bedürfnisse, damit das Ich sich wohlfühlen kann. Glaube ist nicht die schnelle Antwort auf alle Fragen. Der Glaube ist nichts Fertiges, er fällt nicht vom Himmel. Auch Glaube bedarf der Einübung, Reifung und Vertiefung. Wie leicht passiert es, dass der Glaube aus Kindertagen einfach abgelegt wird – weil er nicht „mitgewachsen“ ist, weil er nicht vertieft wurde, weil er dann mit zunehmendem Alter banal wirkt und nicht mehr trägt.
Im Evangelium begegnen uns an der Krippe Menschen, die uns zeigen können, was Glauben ausmacht. Es sind Menschen, die sich vom Weihnachtsgeschehen haben treffen lassen, die im wahrsten Sinne des Wortes betroffen sind.
Da sind zum einen die Hirten, die zur Krippe eilen, nachdem ihnen Großes angekündigt worden war. Was treibt sie an? Entscheidend für Lukas ist, dass sie sich von Gott in Eile versetzen lassen – so wie schon Maria ein Kapitel zuvor zu ihrer Verwandten Elisabet geeilt ist. Es sind nicht ihre eigenen Bedürfnisse, die sie antreiben, sondern die größere Sehnsucht auf das, was von Gott her verheißen ist. Was versetzt uns in Eile? Versetzt Gott uns noch in Eile? Oder sind es nicht eher ganz andere Dinge, die uns alles stehen und liegen lassen?
Dabei ist das „Zeichen“, auf das die Hirten achten sollen, durchaus unscheinbar. Versprochen ist ihnen nicht ein machtvolles Zeichen, durch das Gottes Herrlichkeit mit Pauken und Trompeten sichtbar wird. Es geht eher um ein Erkennungszeichen: ein kleines Kind in Windeln. Sie kennen das, wenn sie in der Krippe arbeiten. Nichts Spektakuläres also, kein Zeichen, das einzigartig wäre oder das menschliche Sensationsbedürfnisse stillen könnte. Doch die Hirten lassen sich darauf ein. Sie trauen dem, was sie gesehen haben – und zwar von innen her gesehen haben. Sie spüren die tiefere innere Freude, die von diesem Kind ausgeht. In dieser Freude kehren sie zurück und teilen anderen davon mit.
Da ist zum anderen Maria, die weiß, dass hier Geschehnisse Gottes am Werk sind. Diese sind nicht auf einmal fassbar. Sie rufen zunächst Entsetzen, Betroffenheit und Nachdenklichkeit hervor – so hat es Lukas ebenso bei der vorangegangenen Geburt Johannes des Täufers berichtet. Auch Maria vermag nicht, im ersten Moment alles zu begreifen. So verschweigt das Neue Testament nicht, wie die Verwandten einmal kommen, um Jesus zu holen – die Begründung ist drastisch: weil sie Jesus für verrückt halten.
Lukas zeigt, wie auch Maria Zeit braucht, den Weg ihres Sohnes zu verstehen. Sie hört die Worte der Hirten und sinnt darüber nach. Glaube heißt nicht, sich vom Gefühl des Augenblicks, von einem unmittelbaren Bedürfnis emotional überwältigen zu lassen. Glaube gründet in etwas, wovon wir zutiefst überzeugt sind – mit Herz und Verstand. Nur so kann sich ein vertieftes Verständnis des Glaubens entwickeln, das sich dann auch im Tun verwirklicht.
Lukas macht im weiteren Verlauf seines Evangeliums deutlich, dass dieser Weg die wahre Zugehörigkeit zur Familie Jesu eröffnet: auf sein Wort zu hören, darüber nachzudenken und daraus zu handeln. Maria geht diesen Weg. Gerade deshalb kann sie uns ein Vorbild des Glaubens sein. Schließlich wird sie nach Ostern zu einer der zentralen Gestalten der jungen christlichen Gemeinde.
Glaube bedarf der Übung, er muss reifen – im beständigen Nachsinnen über Gottes Geschehnisse. Nur so können wir das Wesentliche des Glaubens aus unserem Inneren heraus immer tiefer erfassen. Das können wir von Maria lernen. Die Weihnachtszeit, die vor uns liegt, ist eine neuerliche Einladung, über das nachzudenken, was für uns wichtig und bedeutsam ist, eine Zeit, in der unser Glaube weiter wachsen und reifen kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Weihnachtstage, erholsame Feiertage mit viel Muße sowie einen guten Jahreswechsel.
(PD Dr. Axel Bernd Kunze, Gesamtschulleitung der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Weinstadt)