Stundenbuch des Herzogs von Berry Les Très Riches Heures (15. Jh.)
Liebe Leserinnen und Leser,
Zwischen der Himmelfahrt Jesu und Pfingsten waren die Apostel im Gebet um Maria versammelt, wie Lukas in seiner Apostelgeschichte berichtet. Maria wird für die junge Christenschar zu einem wichtigen Vorbild im Glauben und im Gebet. Papst Franziskus hat die besondere Rolle, die Maria für die Kirche spielt, vor ein paar Jahren mit einem neuen Mariengedenktag gewürdigt: Am Pfingstmontag gedenken wir ihrer als Mutter der Kirche. Als Glaubende sind wir mit der Mutter Jesu in geistlicher Mutterschaft verbunden. Sie ist durch den Tod und die Auferstehung Jesu auch unsere Mutter geworden.
Maria steht für die Zwischenexistenz der Kirche. Der Theologe Hugo Rahner hat dies einmal so ausgedrückt: „Die Kirche ist Jungfrau und Mutter, sie ist unbefleckt empfangen und trägt die Last der Geschichte, sie leidet und ist doch jetzt schon in den Himmel aufgenommen.“ Auf der einen Seite steht Maria, die schon Vollendete, der Kirche mütterlich bei, in allen Gefahren und Nöten, in allen Kämpfen und Sorgen dieser Erdenzeit. Auf der anderen Seite haben wir in Maria ein großes Zeichen der Hoffnung. An Maria können wir erkennen, zu welcher Vollendung wir alle berufen sind, wenn Gottes Heilshandeln einmal in voller Fülle an uns sichtbar werden wird.
Und so wünsche ich Ihnen gesegnete, geisterfüllte, hoffnungsfrohe Pfingsten sowie erholsame Pfingstferien.
Herzlichen Dank für Ihre treue Verbundenheit und Ihr Interesse an der gemeinsamen bildungsethischen Debatte.
Ein aktuelles, vollständiges, thematisch geordnetes Schriftenverzeichnis (Stand: 22. Februar 2023) ist über das Wissenschaftsportal Academia.edu abrufbar:
Ich bete darum, daß unser Land ein Land des Glaubens bleibt und bitte Euch, liebe Landsleute: Laßt euch nicht vom Glauben abbringen.
[…]
Was ich vorhin von meinen Landsleuten gesagt habe, sage ich nun zu allen, die meinem Dienst in der Kirche anvertraut waren: Steht fest im Glauben! Laßt euch nicht verwirren!
[…]
Jesus Christus ist wirklich der Weg, die Wahrheit und das Leben – und die Kirche ist in all ihren Mängeln wirklich Sein Leib.
(aus dem geistlichen Testament Benedikts XVI. +)
Juan de Roelas: Die Verehrung des Heiligsten Namens Jesu (ca. 1604)
CHRISTUS NATUS EST. ALLELUIA.
VENITE ADOREMUS. ALLELUIA.
Allen Lesern wünsche ich ein von Gott gesegnetes neues Jahr des Herrn 2023.
Herzlichen Dank für Ihre treue Verbundenheit. Ich freue mich auf den weiteren bildungsethischen Austausch in diesem Jahr.
Tod und Vergehen waltet in allem, steht über Menschen, Pflanzen und Tieren, Sternbild der Zeit.
Du hast ins Leben alles gerufen. Herr, deine Schöpfung neigt sich zum Tode: Hole sie heim.
Schenke im Ende auch die Vollendung. Nicht in die Leere falle die Vielfalt irdischen Seins.
Herr, deine Pläne bleiben uns dunkel. – Doch singen Lob wir dir, dem dreieinen, weigen Gott. Amen.
(aus dem Totenoffizium)
Am 31. Dezember 2022 ist Seine Heiligkeit Papst em. Benedikt XVI. (1927 bis 2022) verstorben. Der in Marktl am Inn in Bayern geborene und von 2005 bis 2013 regierende Papst war einer der bedeutendsten Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts.
Der traditionell gute Ruf deutscher Theologie dürfte ein wichtiger Grund für die Wahl Ratzingers zum neuen Papst gewesen sein. Dieser hatte vor seiner Ernennung zum Erzbischof von München und Freising an fünf Hochschulen gelehrt: in Freising, Münster, Bonn, Tübingen und Regensburg. Der vormalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation gilt als scharfsinniger Denker, dessen theologische Qualitäten selbst Kritikern Respekt abverlangen. Als solcher hat Benedikt XVI. stets die Zusammengehörigkeit von Glaube und Vernunft verteidigt. Mit ihm verliert die katholische Kirche einen der bedeutendsten Theologen des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Jesustrilogie habe ich mit großem Gewinn gelesen. Sein Wirken als Papst, seine Reisen zum Weltjugendtag und in seine bayerische Heimat, seine Enzyklika „Deus caritas est“ und vieles mehr bleiben unvergessen. In seinen theologischen Schriften wird er weiterhin wirken. Dankbar für sein Wirken schließe ich Papst em. Benedikt XVI. in mein Gebet ein. Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm. Amen.
R. I. P.
„Der silberne und der goldene Schlüssel: Glaube und Liebe, das sind die Schlüssel zum lebendigen Gott. Bitten wir den Herrn an diesem Tag, dass er uns schenkt, diese Schlüssel nicht zu verlieren und dass er uns hilft, sie anderen in die Hand zu drücken, damit wir alle bei unserem Vater im Himmel einmal die Türen offen finden.“ (Papst Benedikt XVI. im Juni 2000 in einer Predigt im Petersdom)
Beschneidung Jesu (gefeiert am 1. Januar), Brabanter Flügelretabel, um 1480.
Liebe Leser und Leserinnen,
Freiheit im Denken, Reden und Handeln bildet das entscheidende Zentrum eines intellektuell vitalen, geistig lebendigen, leistungsfähigen Kulturstaates.
Zur Freiheit zu befähigen, bleibt die vornehmste Aufgabe aller Bildungsprozesse. Dabei sollte das pädagogische Tun Anwalt einer Humanität sein, die sich im Prozess notwendiger Differenzierung und entlastender Arbeitsteilung gegen mögliche funktionale Einseitigkeiten und Reduktionen zur Wehr setzt. Dies kann beispielsweise dort notwendig sein, wo Sinn- und Wertfragen einseitig gemeinschaftsbezogen diskutiert werden, sodass dem Einzelnen die Freiheit zur subjektiven Selbstbeschreibung genommen wird. Oder dort, wo Prozesse der Kontrolle, Regulierung oder Angleichung es dem Einzelnen unmöglich machen, die ihm offenstehenden Bildungschancen in Freiheit zu nutzen.
Ohne Bildung kann es auch keine ethische Urteilsfähigkeit geben. Und diese zu erhalten, bleibt eine beständige Aufgabe. Allzu leicht kann sich erweisen, dass die moralische Schicht unseres Zusammenlebens nicht mehr als ein dünner Firnis ist. Gesellschaften können moralisch in die Tiefe fallen.
Kann es sein, dass wir solches mit der Coronapolitik des zu Ende gehenden Jahres erlebt haben? Es wurden Grundrechtseingriffe und soziale Ausgrenzunsstrategien praktiziert, die viele vor Corona für unvorstellbar gehalten hätten. Mit der aggressiven Impfnötigungspolitik standen nicht partikulare Alternativen des Guten zur Diskussion, die im Rahmen des Richtigen hätten nebeneinander stehen können. Es ging um mehr. Zur Bilanz dieses Jahres gehört: Der Weg nationaler Aussöhnung, der notwendig sein wird, die politisch verursachte Spaltung und Polarisierung des Landes aufzuarbeiten, wird lange dauern.
Hier ist nicht der Ort, über die impf- und infektionsschutzpolitischen Weichenstellungen in Deutschland oder eine angemessene Krisenvorsorge- und Katastrophenpolitik, nicht zuletzt angesichts biopolitischer Gefährdungslagen, zu diskutieren. Kulturstaatlich und gesellschaftlich fällt allerdings auf, wie wenig die gravierenden Wertkonflikte, die mit diesen Fragen verbunden sind, überhaupt noch als solche erkannt wurden.
Vor Jahren haben alle gerufen, Bildung sei das Wichtigste – und alles musste sich dem Thema Bildungsgerechtigkeit unterordnen. Und jetzt ist auf einmal Gesundheit das Allerwichtigste – und alles muss dem Gesundheitsschutz untergeordnet werden. Und morgen …!? In einer politischen Debatte, die für einzelne Themen immer gleich einen absoluten Vorrang postuliert, bleibt kein Spielraum für differenzierte Abwägungsprozesse. Wo zunehmend moralisierend diskutiert wird (Haltungswissenschaft, Haltungsjournalismus, Haltung zeigen gegen …), da muss man keine ethischen Vorzugsregeln anwenden: Da gibt es nur noch Schwarz und Weiß, absolut Gut und absolut Böse. Die Folgen sind deutlich spürbar: Die Fähigkeit zur differenzierten ethischen Güter- und Übelabwägung kommt abhanden.
Dies hat auch pädagogisch Folgen. Die vielbeschworene Erziehung zu Menschenrechten, Demokratie und Zivilgesellschaft erweist sich in der Krise vielfach als aufgesetzt. Man diskutiert über die Themen, stellt aber in Lehr- oder Bildungsveranstaltungen keinen Zusammenhang zu den aktuellen Fragen und Konflikten her. Es wird pflichtschuldigst nachgebetet, was Dozent und Disziplin vermeintlich hören wollen, aber es berührt nicht. Es bleibt äußerlich.
Wo liegen die Ursachen der gegenwärtigen Krise und des zu beobachtenden politischen Vertrauensverlustes? Der Gründe sind sicherlich viele. Doch wenn wir später einmal die Frage stellen sollten, wie es so weit kommen konnte, werden wir tiefergehender fragen müssen. Eine Ursache könnte darin liegen, dass das Leistungsprinzip in unserer Gesellschaft schon lange einen schweren Stand hat. Mittlerweile kann man mit einem aberkannten Doktortitel selbst ohne Schamfrist gleich wieder eine Landesregierung führen.
Wo das Leistungsprinzip verkommt und Bildung nur noch auf ihre äußere soziale Seite und damit auf eine soziologisch beschreibbare Anpassungsleistung reduziert wird, regieren am Ende Dummheit und Rohheit.
Und noch etwas kommt hinzu: Wo in postmodernen Zeiten Geltungsansprüche nicht mehr zugelassen werden, ersetzt Aktion die Reflexion. Die rationale Abwägung wird durch Aktivismus ersetzt. Ein solcher schlägt schnell in Gewalt um, da gehandelt, aber das Handeln nicht mehr als begründet ausgewiesen wird. Und am Ende geht die Achtung vor dem freien Subjekt verloren. Dies zeigt, was mit einem stabilen, leistungsfähigen Kulturstaat auf dem Spiel steht.
Die streitbare bildungsethische Debatte muss weitergehen, eingebettet in einen weiten politischen und gesellschaftlichen Kontext. Ich hoffe auch im neuen Jahr hierfür auf Ihr Interesse.
Herzlichen Dank für alle Verbundenheit und allen Austausch in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen einen guten Beschluss dieses Jahres sowie alles Gute, Zuversicht und Gottes Segen für 2023.
In pädagogischer Verbundenheit, Ihr Axel Bernd Kunze
Gott wird Mensch, voll und ganz. Und das heißt auch: Er wird ein kleines Kind, angewiesen auf die Liebe und Zuwendung seiner Eltern. „Seht, der kann sich selbst nicht regen, durch den alles ist und war“, heißt es in einem Weihnachtslied. Es klingt paradox: Gott teilt unsere Erfahrungen, er durchlebt die Höhen und Tiefen des Lebens, von der Geburt bis zum Tod – und darüber hinaus. Doch gerade deswegen ist die Geburt Jesu der Beginn unserer Erlösung.
Dies ist die tiefe, bleibende Verheißung von Weihnachten: Gerade dieses kleine Kind von Bethlehem erschließt uns eine Zukunft, die unseren menschlichen Horizont übersteigt. Jesus Christus ist der treue Zeuge für Gottes Gerechtigkeit, Frieden und Liebe. Die Beziehung zu ihm trägt durch alle Dunkelheiten.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen den Segen der Weihnacht. Ihnen und Ihren Angehörigen wünsche ich gesegnete, von weihnachtlicher Freude erfüllte Festtage, erholsame Weihnachtsferien sowie einen guten Beginn des neuen Jahres. Gehen Sie mit der weihnachtlichen Verheißung und voller Zuversicht in das neue Jahr.
Sehr herzlich danke ich Ihnen für Ihr Interesse an bildungsethischen Fragen, Ihre Verbundenheit, Ihre Unterstützung, Ihr Mitdenken und Mitdisktuieren im vergangenen Jahr. Die um der Sache willen streitbare bildungsethische Debatte und das Gespräch über Bildungsfragen im weiten gesellschaftlich-politischen Kontext wird auch im neuen Jahr weitergehen.
Stellen wir den Beschluss dieses Jahres unter den Segen Gottes:
Gott sende dir seinen Engel,
dass er dich begleite auf dem WEG in das neue Jahr,
damit dieses wahrhaft ein Jahr des Herrn werde.
Gott erfülle dich mit dem Licht der WAHRHEIT,
dass dein Herz zuversichtlich und hell werde.
Gott schenke dir LEBEN und ein bereites Herz,
dass du ausstrahlen kannst, was dich hoffen lässt.
Wie schön wäre es gewesen, wir könnten uns nach dem endemischen Ende von Corona, auch wenn sich deutsche Politiker immer noch nicht ganz damit anfreunden können, über eine wiedergefundene „Normalität“ freuen. Doch es steht in diesem Herbst nicht gut um unser geliebtes Vaterland. Insofern werden auch die Schlussworte dieses Jahres politische sein müssen.
Denn man muss nicht unbedingt Pessimist sein, um deutliche Krisenphänomene zu erkennen. Eine aggressive Impfnötigungspolitik hat das Land gespalten. Eine Politik des billigen Geldes in der Eurozone hat die Inflation auf Rekordhöhe getrieben. Die Energiestabilität ist in Gefahr; wir reden über Mangellagen und Blackouts. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat erhebliche sicherheitspolitische Defizite Deutschlands sichtbar gemacht. Zugleich steigt erneut der Migrationsdruck. Der Fachkräftemangel in zahllosen Branchen ist unübersehbar. Die Staatsverschuldung steigt. Und der Staat greift immer stärker steuernd in gesellschaftliche Bereiche ein. Die Wissenschaftsfreiheit an unseren Hochschulen ist durch „Cancel Culture“ und Löschkultur in Bedrängnis; nicht grundlos hat sich ein Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet. Und auch in weiteren gesellschaftlichen Bereichen verengt eine Identitätspolitik Handlungs- und Diskursräume, ist ein schwindendes Freiheitsbewusstsein zu bemerken. Bezüge auf die eigene religiöse oder nationale Tradition sollen aus dem öffentlichen Raum verschwinden, wie exemplarisch die beschämende Debatte um die Kuppelinschrift des (halb) wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses zeigt.
Mittlerweile steht sogar das politische und soziale Vertrauen in unseren demokratischen Rechtsstaat auf dem Spiel. Entsprechende Umfragen zeugen von einem tiefen Vertrauensverlust in unsere Funktionseliten, der so schnell sicher nicht zu heilen sein wird. Nur zwei warnende Stimmen will ich exemplarisch zu Wort kommen lassen – zunächst Sandra Kostner, Gründungsvorsitzende des schon genannten Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit, im Oktober im Magazin „Cicero“ in einer Bilanz zur deutschen Coronapolitik:
„Noch haben wir es in der Hand, den Umdeutungsbestrebungen von Freiheit Einhalt zu gebieten. Und noch haben wir die Möglichkeit, die entstandenen sozialen Wunden zu heilen, bevor sie zu einer erheblichen Belastung für die Gesellschaft werden. Dazu muss die Politik der Ausgrenzung, Diffamierung und Nötigung endgültig beendet werden. […] Ferner müssen wir uns gegenseitig wieder als Menschen wahrnehmen, was zuallererst bedeutet, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dies erfordert die Bereitschaft, Verständnis und Empathie für die Beweggründe Andersdenkender aufzubringen. Empathie ist ein zentraler Schritt zur Versöhnungsbereitschaft, und diese muss von allen Seiten aufgebracht werden – insbesondere jedoch von denjenigen, die sich aktiv an der Verächtlichmachung und Ausgrenzung von vermeintlichen Sündenböcken beteiligt haben. Vor allem sie sollten sich fragen, warum sie sich von Politik und Medien gegen Mitmenschen aufhetzen ließen und ob sie wollten, dass sie in einer Situation, in der es politisch opportun erscheint, als gesellschaftlicher Blitzableiter dienen müssen. Ferner sollten sie sich überlegen, ob sie wollten, dass andere darüber bestimmen können, welche pharmakologischen Substanzen sie ihrem Körper zuführen. Denn es könnte der Tag kommen, an dem es um Substanzen geht, die sie nicht verabreicht bekommen möchten. Der Geist, der das ermöglicht, ist aus der Flasche. Es ist an uns, ihn dort wieder hineinzubekommen und als Lehre aus den Pandemiejahren künftig darauf zu achten, dass er nicht mehr entweichen kann.“
Oder Susanne Schröter, Ethnologin an der Universität Frankfurt und ebenfalls aktiv im Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, in ihrem neuen Buch „Global gescheitert? Der Westen zwischen Anmaßung und Selbsthass“ (Freiburg i. Brsg. 2022):
„Wenn ein Land wie Deutschland seine Bundeswehr finanziell austrocknet, ideologisch delegitimiert und einer unwilligen Bürokratie überlässt, dann hängt die Existenz eines freiheitlichen Staates, inklusive der in ihm geltenden Freiheitsrechte, allein von der Friedfertigkeit autoritärer Staaten ab. Dass man sich darauf nicht verlassen kann, sollte deutlich geworden sein. Der Staat muss seinen Bürgern aber auch innenpolitisch ermöglichen, von ihren Freiheitsrechten Gebrauch zu machen. […] In einer freien Gesellschaft muss der Bürger Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen und selbst für sein eigenes Wohlbefinden sorgen. […] Der Westen tut gut daran, sich zu erinnern, was seine eigenen Wurzeln sind und worauf sein Gesellschaftssystem basiert, das den Bürgern bis zum heutigen Tag die freie Entfaltung ihrer Potenziale und Neigungen ermöglicht. Nur wer die Freiheitsrechte im eigenen Land stark macht, kann freiheitlich nach außen wirken – wer die Freiheit leichtfertig aufgibt, verspielt sein wichtigstes Gut.“
Was können wir diesen krisenhaften Entwicklungen und warnenden Diagnosen entgegensetzen? Einigkeit und Recht und Freiheit – seit hundert Jahren unsere Nationalhymne. In diesem Dreiklang sind Werte versammelt, die nichts an Aktualität verloren haben. Im Gegenteil. Wir sollten uns deutlich zu ihnen bekennen und diese vorleben, als Staatsbürger wie Pädagogen zugleich. … damit ein gesellschaftliches Ethos lebendig bleibt, das eine humane Zukunft garantiert. Denn die Freiheit wird nur verteidigt werden, wenn sie auch mit Leben gefüllt wird. In diesem Sinne geht auch die streitbare bildungsethische Debatte weiter.
Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen meines Weblogs eine gesegnete Adventszeit und – gerade in Zeiten wie diesen – zuversichtlichen Beschluss des Jahres. Herzlichen Dank für allen pädagogischen Austausch und alle bildungsethische Auseinandersetzung.
Die Vorläufer Christi mit Märtyrern und Heiligen von Fra Angelico (1423/24)
Viele Heilige, derer im Laufe des Kirchenjahres gedacht wird, sind auch in einer zunehmend säkular gewordenen Kultur populär geblieben. Denken wir nur an Nikolaus oder Martin. Andere Heilige kennen wir, weil ihr Bild häufig zu sehen ist: Der heilige Johannes Nepomuk steht an zahlreichen Brücken, das Bild des heiligen Florian findet sich an vielen Feuerwehrhäusern. Andere Heilige wiederum sind als beliebte Namenspatrone im Gedächtnis: Peter und Markus, Georg oder Franz, Maria und Barbara, Anna oder Katharina etwa.
Am Allerheiligentag feiert die Kirche aber gerade die vielen, die uns namentlich gar nicht oder nicht mehr bekannt sind. Das Fest rückt gerade das Vermächtnis der ungezählten Namenlosen in den Blick, die nicht im Rampenlicht der Geschichte standen, deren Erinnerung bereits für immer aus dem Gedächtnis der Lebenden gelöscht ist und deren Gräber schon längst von dieser Erde verschwunden sind.
Doch bei Gott sind sie nicht vergessen. Wir wissen sie in der ewigen Gemeinschaft bei Gott. Allerheiligen ist ein zutiefst solidarisches Fest. An diesem Tag gedenken wir als Christen besonders auch jener Gläubigen, deren Lebensentwurf quer zu gesellschaftlichen oder auch – vielleicht häufiger als vermutet – kirchlichen Vorstellungen ihrer Zeit lag, denen womöglich zu Lebzeiten sogar der Himmel abgesprochen wurde oder deren Leben nach menschlichen Maßstäben gescheitert ist. Und doch waren sie auf dem Weg zu Gott, sind sie letzten Endes von Gott bejaht und gerechtfertigt worden.
Es ist schade, dass die Feier des Allerheiligentages in vielen Gottesdiensten dann doch vom Gedächtnis an die „großen“, bedeutenden und bekannten Heiligen geprägt ist. Auch ist es bedauerlich, dass der Inhalt des Allerheiligentages allzuleicht vom nachfolgenden Allerseelengedächtnis für unsere Verstorbenen und den damit verbundenen Friedhofsgang verdrängt wird. Beides hat gewiss seinen Wert und soll nicht schlecht geredet werden.
Aber am Allerheiligenfest dürfen gerade jene Männer und Frauen einmal im Mittelpunkt stehen, die ihren christlichen Lebensentwurf in der schlichten Alltäglichkeit gelebt haben, in Familie und Beruf, in Routine und Unauffälligkeit, als Alleinstehende oder Vereinsamte, als Gescheiterte oder an den Rand Gedrängte, als Querköpfe oder Bescheidene, als Verlachte oder Verkannte …
Heilige sind keine Ausnahmegestalten. Sie sind überall dort zu finden, wo Christen ihren Glauben ernst nehmen und in der Spur Jesu ihr Leben gestalten. Allerheiligen ruft uns ins Gedächtnis, dass sich Heiligkeit nicht mit menschlichen Maßstäben messen lässt. Die Glückwunsche Jesu in den Seligpreisungen, das als Evangelium an Allerheiligen gelesen wird, kehren die üblichen Maßstäbe um, nach denen Ansehen, Erfolg oder Wohlergehen gewichtet werden. Sehr häufig verwirklicht sich das Lebenszeugnis der Heiligkeit ganz unspektakulär, ohne viel Aufhebens oder Aufsehens – auch heute noch, mitten unter uns.
Und das Lebenszeugnis der Heiligen vermag die Welt zu verändern. Wer in sich die Sehnsucht nach Gottes Gerechtigkeit wach hält und diese Sehnsucht durch sein Leben spürbar macht, verändert diese Welt, der macht Gottes Liebe in dieser Welt sichtbar.
Der Weg zur Heiligkeit ist vielfältig, hier gibt es kein Einheitsmuster. Denn letztlich geht es um eine Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch. Und Liebe ist immer wieder von neuem kreativ und überraschend. Oder wer könnte sagen, in der Liebe schon alles getan zu haben!?
Letztlich sind wir alle zur Heiligkeit berufen. Wenn Gott endgültig offenbar werden wird, werden wir ihn schauen, wie er ist. Die Offenbarung des Johannes am Ende des Neuen Testaments eröffnet uns bereits einen kleinen Blick auf eine große Hoffnungsvision. Wir sind eingeladen zur großen Versammlung der Geretteten. Und es ist gut, dass die Eintrittskarten für diese Versammlung nicht nach menschlichen Kriterien vergeben werden.
Ich wünsche allen Lesern meines Weblogs einen gesegneten Allerheiligentag und danke für die treue Verbundenheit,
Im Vorfeld der vom Deutschen Bundestag Anfang September geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz hat sich eine Gruppe von rund fünfzig Wissenschaftlern an die Öffentlichkeit gewandt und gegen die geplanten Gesetzesänderungen ausgesprochen:
Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen der Regierungskoalition zum Infektionsschutzgesetz vom 24.8.2022 (ausgehend von den „Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Fraktionen der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP“)
Als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Fachgebieten der Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften beobachten wir mit tiefer Sorge, dass die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern im Umgang mit der Corona-Infektion erneut eine Stigmatisierung von Ungeimpften und sogar von Personen ohne aktuelle Auffrischungsimpfung in Kauf nehmen statt auf effektiven Infektionsschutz und eine nachhaltige Sicherung der intensivmedizinischen Versorgung sowie der kritischen Infrastruktur zu setzen. Eine diskriminierende Behandlung nicht aktuell Geimpfter etwa bei der Maskenpflicht (nach § 28b II IfSG i.d.F. der „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung v. 24.8.2022) erachten wir für unvereinbar mit den zentralen Grundwerten unseres demokratischen Rechtsstaates und zudem für ungeeignet, ja sogar kontraproduktiv beim Infektionsschutz. Ferner erachten wir zahlreiche der Maßnahmen, die aufgrund des Gesetzesvorschlags Bundesländer für Zwecke des Infektionsschutzes ergreifen können, für unverhältnismäßig und zugleich ineffizient. Folgende Punkte heben wir gesondert hervor:
1. Die bisher zum Einsatz gekommenen gentechnikbasierten Impfungen bleiben immer noch den Beweis schuldig, dass sie die Übertragung des Virus verhindern [1]. Selbst dass sie vor schweren Verläufen schützen oder auch die Zahl der Todesfälle begrenzen könnten, wurde eher versprochen bzw. behauptet, als dass es dafür gesicherte Evidenz gäbe; sogar auf das Gegenteil deuten einige Entwicklungen im Pandemiegeschehen nach den Impfkampagnen hin. Die Evidenz für Nebenwirkungen, auch gravierende bis hin zu Todesfällen, hat in den letzten Monaten besorgniserregend zugenommen [2].All dieses deutet an, dass eher eine Überprüfung oder gar Beendigung als eine Intensivierung der im Übrigen finanziell hoch aufwändigen Impfkampagnen nötig erscheint, und stellt – neben den entscheidenden menschenrechtlichen Tatbeständen – einen weiteren Grund dafür dar, dass auf keinen Fall irgendjemand direkt oder indirekt zu einer Impfung gegen Covid 19 genötigt werden darf.
2. Da jegliche Impfnötigung im Zusammenhang mit Covid 19 als gänzlich illegitim zu gelten hat, dürfen auch privatrechtlich nirgendwo Impfnachweise eingefordert werden, weder von Arbeitgebern noch von Dienstleistern, etwa in der Gastronomie. Es würde damit eine Atmosphäre der öffentlichen Zurschaustellung aller nicht frisch Geimpften sowie der Diskriminierung und Kontrolle geschaffen, die das Zusammenleben in Deutschland tiefgreifend vergiften würde und mit einem menschenwürdigen Miteinander nichts mehr zu tun hätte.
3. Wo Grundrechtseinschränkungen um des Infektionsschutzes willen als notwendig gelten können (etwa Testpflicht in Pflegeeinrichtungen), dürfen diese aus drei Gründen auf keinen Fall ausschließlich Ungeimpfte oder Geimpfte ohne Auffrischung betreffen:
a) Angesichts der zweifelhaften Wirksamkeit von Impfungen läge eine eklatante Diskriminierung vor.
b) Leben und Gesundheit der „vulnerablen Personengruppen“ würden auf fahrlässige Weise gefährdet, wenn Geimpfte, da von Schutzmaßnahmen nicht betroffen, weitgehend ungehindert eine Corona-Infektion verbreiten könnten [3].
c) Verdiente Fachkräfte würden abgeschreckt, der Arbeitskräftemangel in den betroffenen Bereichen weiter verstärkt.
4. Grundrechtsbeschränkende Maßnahmen zum Zwecke des Infektionsschutzes müssen in einer öffentlichen, vorurteilsarmen und unvermachteten Debatte regelmäßig auf ihre Effizienz und Verhältnismäßigkeit hin überprüft und im Zweifelsfall ausgesetzt werden. Der Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 IX IfSG vom Juni 2022 hat konstatiert, dass „eine ausreichende und stringente begleitende Datenerhebung, die notwendig gewesen wäre, um die Evaluierung einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenpakete zu ermöglichen“ nicht verfügbar gewesen sei. Es sind aber die Erfahrungen anderer Länder einzubeziehen. In sehr vielen Ländern fehlt inzwischen etwa eine Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr, ohne dass diese schlechter dastünden als Deutschland im Pandemiegeschehen [4]. Äußerst fragwürdig erscheint eine bedingungslose Maskenpflicht im Fernverkehr [5], von der in umliegenden Ländern völlig abgesehen wird, auch in Flugzeugen. Als ebenso fragwürdig hat die Option einer Maskenpflicht an Schulen zu gelten [6]; wir können uns eine weitere Behinderung des Lernerfolgs unserer Kinder und Jugendlichen nicht mehr leisten.
5. Die immer deutlicher zutage tretenden Nebenwirkungen der Covid 19-Impfungen müssen endlich systematisch erfasst und öffentlich diskutiert werden; allen Betroffenen muss geholfen werden. Haftungsausschlüsse für Impfstoffproduzenten darf es nicht mehr geben.
6. Eine Debatte zur Coronapolitik muss möglich sein, ohne dass es nochmals zu öffentlicher Diffamierung von Ungeimpften / Unaufgefrischten kommt. Zahlreiche Ungeimpfte haben ausweislich belastbarer Studien zur Eingrenzung des Pandemiegeschehens durch verstärkten Selbstschutz mehr beigetragen als Geimpfte, die ihrer Impfung guten Glaubens mehr an Schutzwirkung zugetraut haben, als ihr tatsächlich eignete [7]. Politische Äußerungen, die eine Kriminalisierung von Ungeimpften implizieren oder gar einfordern (für die letzten zwei Jahre hinreichend dokumentiert etwa bei #Wirhabenmitgemacht), sollten in Zukunft als Manifestationen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gewertet werden.
7. Es verwundert nach mittlerweile drei Jahren Pandemiegeschehen, dass die Politik für ihre Maßnahmen immer noch auf eine angeblich an ihre Belastungsgrenzen stoßende Intensivmedizin referiert. Was ist geleistet worden, um diesen Bereich krisenfester zu gestalten? Eine erste Maßnahme zur Verbesserung der Situation, die dringend ansteht, ist eine sofortige und ausnahmsfreie Rücknahme der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Ein geimpfter Pfleger, der infiziert und nicht getestet ist, wird Corona eher übertragen als ein ungeimpfter Pfleger, der sich einem Test unterzogen hat.
Wir bitten daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, bei der anstehenden Abstimmung über die Änderung des IfSG gegen die Vorschläge der Bundesregierung entsprechend den „Formulierungshilfen“ vom 24.8.2022 zu stimmen und sich stattdessen einzusetzen
– für die sofortige Beendigung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
– für einen Infektionsschutz auf freiwilliger Basis. Jeder kann sich so oft impfen lassen, wie er mag, und jeder ist frei, eine Atemmaske zu tragen, wann und wo er möchte.
[3] Die Viruslast ist nicht gänzlich eliminiert, sondern nur zeitweise reduziert, s. die Studien in Fn. 1.
[4] Vgl. z.B. https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/ (aktualisiert am 2.9.2022). Danach gibt es in Deutschland derzeit in der 7 Tage-Inzidenz 234,4 Neuinfektionen, während das Vereinigte Königreich und Frankreich, in denen keine Maskenpflicht mehr gilt, eine Inzidenz von 90,7 bzw. von 176,9 aufweisen. Das für seine zurückhaltende Corona-Politik bekannte Schweden kommt auf eine Inzidenz von 45,2. Nach Berechnungen der. technischen Beratungsgruppe der WHO-COVID-19-Mortalitätsbewertungsgruppe betrug übrigens die Übersterblichkeit in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 in Deutschland im Mittel 73,013 mit einem 95%-Kredibilitätsintervall von 59,565-84,583 pro 100.000 Einwohner, in Schweden 66,333 (57,567-74,938) (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/134232/Uebersterblichkeit-WHO-Autoren-korrigieren-Daten-fuer-Deutschland-und-Schweden, Abruf v. 3.9.2022, m.w. Nachw.).
[6] Vgl. Coma et al. Unravelling the role of the mandatory use of face covering masks for the control of SARS-CoV-2 in schools: a quasi-experimental study nested in a population-based cohort in Catalonia (Spain), Arch Dis Child 2022;0:1–6, https://doi.org/10.1136/archdischild-2022-324172.
[7] Vgl. Ioannidis, Benefit of COVID-19 vaccination accounting for potential risk compensation, npj Vaccines vol. 6, 99 (2021), npj Vaccines (2021) 6:99 ; https://doi.org/10.1038/s41541-021-00362-z; Chaguza et al., Rapid emergence of SARS-CoV-2 Omicron variant is associated with an infection advantage over Delta in vaccinated persons, Med 3, 325–334, May 13, 2022, https://doi.org/10.1016/j.medj.2022.03.010.
Die Neue Zürcher Zeitung berichtet über die Stellungnahme: