Schlaglicht: Mangelnde Coronavorsorge wird auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen

„Schulen sollen geöffnet bleiben.“ So fordern es die Kultusminister. So steht es heute – 12. November 2020 – als Hauptschlagzeile in der F.A.Z. Nichts anderes fordern die Lehrerverbände – wenn man genau hinhören würde. Aber das kann offenbar auch „Edelfeder“ Heike Schmoll nicht. Die Lehrerverbände fordern tragfähige Konzepte, die einen „Salami-Lockdown“ der Schulen verhindern und Unterricht mit Gesundheitsschutz verbinden sollen.

Schmolls Leitartikel gleich daneben ist wenig „edel“, sondern gleicht einer Aneinanderreihung von Unterstellungen: „Wes Geistes Kind die Lehrerverbände sind, haben sie in den vergangenen Wochen zur Genüge gezeigt“, schreibt die Bildungsjournalistin der F.A.Z. Ja, das haben sie: Bereits im Oktober haben die Lehrerverbände tragfähige Lösungsvorschläge für eine zweite „Coronawelle“ vorgelegt. Warum sind diese von der Politik bis heute nicht diskutiert worden? Warum hat man erst Ende Oktober ein bundesweites Lüftungskonzept für Schulen vorgelegt, dem bis heute in der Regel keine technischen Maßnahmen gefolgt sind? Warum hat man nicht frühzeitig damit begonnen, FFP2-Masken für Lehrkräfte zu bevorraten? Warum hält man einen Sicherheitsabstand umgekehrt in Schulen für entbehrlich? Warum hat man nicht frühzeitig Verordnungen erarbeitet, welche die Schulen in diesem Schuljahr administrativ und organisatorisch entlasten, damit sich die Lehrkräfte voll und ganz auf einen anspruchsvollen Hybridunterricht konzentrieren können? Weitere Fragen ließen sich finden. Aber die Kanzlerin rechnete in ihrer Regierungserklärung zu den aktuellen Lockdownmaßnahmen eher mit „denkenden“ Viren als mit „denkenden“ Lehrern – und das rächt sich am Ende (wer im Deutschunterricht aufmerksam war, darf jetzt an Bertolt Brecht denken).

Und daher noch eine Frage: Warum wirft Heike Schmoll den Lehrerverbänden vor, sie würden sich für ihre Berufsgruppe einsetzen? Dies als bloßen „Lobbyismus“ abzutun, ist unter Provinzblattniveau. Wenn Frau Schmoll die Auslegung des UN-Sozialpaktausschusses zum Recht auf Bildung kennen würde, wüsste sie, dass die Lehrerrechte genauso Bestandteil dieses Rechts sind und in der jetzigen Situation genauso wie die Rechte der Lernenden und ihrer Eltern abgewogen werden müssten. Zur Fürsorgeverpflichtung der Dienstgeber gehört auch ein hinreichender Schutz der Lehrergesundheit. Wer gestern, am 11. November, den Aufmacherbeitrag der „Tagesschau“ aufmerksam verfolgt hat, konnte feststellen, dass in den Interviewausschnitten von Seiten der befragten Bildungspolitiker von einer solchen Fürsorgeverpflichtung in keinster Weise die Rede war. Die derzeitige Politik der Kultus- und Bildungspolitiker in Deutschland ist populistisch, aber weder zielführend noch verantwortlich. Ausgetragen werden die politischen Versäumnisse auf dem Rücken der Lehrkräfte und auch auf dem Rücken der Schüler.

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