Der Politikwissenschaftler, Prof. Dr. Peter Graf Kielsmansegg, fordert in einem Leserbrief an die F.A.Z. („Offensichtliche Ungleichheiten“, Nr. 263, 11.11.2020) einen Solidaritätszuschlag zur Umverteilung der Coronalasten zwischen unterschiedlich betroffenen Berufsgruppen. Die Zeiten verlangen uns „Außergewöhnliches, Außerordentliches“ ab, wie Graf Kielmannsegg schreibt. Gewiss, aber bestehen werden wir diese nur mit stabilen öffentlichen Institutionen. Diese dürfen nicht geschwächt werden – einige Anmerkungen:
1. Die Sonderprämien für Pflege- oder Gesundheitskräfte sind zu kritisieren, weil sie das System der Tarifautonomie unterlaufen und das System der Lohnfindung parteitaktischer Politik nach Gutsherrenart unterwerfen.
2. Erst unter dem Druck von Warnstreiks hat die Dienstgeberseite ein Verhandlungsangebot vorgelegt. Ver.di hatte allen Grund zu streiken. Auch eine Nullrunde hätte tarifpolitisch begründet werden müssen.
3. Auch die Berufsgruppen im öffentlichen Dienst tragen Coronalasten. Dies zeigen aktuell die Schulen (vgl. Bernd Freytag in derselben Ausgabe der F.A.Z., S. 15): Die Politik will diese – auch ohne Sicherheitsabstand – auf Biegen und Brechen offenhalten, schafft hierfür allerdings nicht die notwendigen Rahmenbedingungen und vernachlässigt die Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften, die ihre medizinische Schutzausrüstung selbst zahlen müssen.
4. Solidaritätszuschläge sind „ultima ratio“ in nationalen Krisensituationen, aber kein Ersatzinstrument zur Abschaffung der Tarifautonomie.
Für die Aufrechterhaltung der rechtsstaatlichen Ordnung und ihrer Institutionen muss gelten: „Business as usual“ – sonst verschärfen wir diese Krise. Aber mit unseren öffentlichen Institutionen gehen wir schon lange sehr verschwenderisch um …
PS: Zum Weiterlesen, die Forderungen des Deutschen Lehrerverbandes, der zu Recht auf die Versäumnisse der Politik gegenüber Schulen und Lehrkräften in der zweiten „Coronawelle“ hinweist.