Freiheit ist kein fester Besitz; um sie muss immer wieder neu gerungen werden. Das Bewusstsein für den Wert der Meinungs-, Publikations- und Wissenschaftsfreiheit schwindet bedenklich, auch wenn die Kanzlerin anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Mauerfalls anderes behauptet. Heike Schmoll spricht zu Recht von einer „Selbstzerstörung der Wissenschaft“ (F.A.Z. v. 4. November 2019. S. 1). Die Universitäten sind durchaus Taktgeber dieser Entwicklung. Treibende Kraft sind nicht immer radikale Studenten. Immer häufiger sind es die Wissenschaftler selbst, welche die Verfolgung des heterodoxen Geistes in den eigenen Reihen organisieren, mitunter sogar im Namen der Pluralität. So rufen Fachgesellschaften zum Boykott bestimmter Zeitschriften auf, mahnen an, diese nicht mehr in Bibliotheken zu führen, oder verlangen ihren Mitgliedern ab, politische Gesinnungsbekenntnisse zu unterzeichnen. Wie überzeugend ein wissenschaftliches Argument ist, kann allein im freien, fairen wissenschaftlichen Diskurs geprüft werden. Hierfür muss eine Position aber erst einmal ausgesprochen oder veröffentlicht werden dürfen.