Aus einem Predigtentwurf zum Zwanzigsten Sonntag im Jahreskreis:
„Die Coronakrise hat unsere Gesellschaft gespalten. Die Impfdebatte und der Streit um die richtige Coronpolitik haben polarisiert. In einer großen deutschen Tageszeitung war in einer mehrseitigen Reportage von einem Riss die Rede, der mitten durch Freundeskreise, Vereine, Kollegien und auch Familien gehe. Mancher von uns wird sich beim heutigen Evangelium an diese Erfahrung erinnert fühlen, wenn Jesus sagt: Nicht Frieden werde er bringen, sondern Spaltung und Zwietracht. Selbst familiäre Beziehungen würden zerschnitten.
Hart klingen diese Worte. Zu hart? Denn viele von uns sehnen sich nach Harmonie. Der Wunsch ist verständlich – zumal in einer Welt, die an vielen Stellen aus den Fugen geraten zu sein scheint. In Krisenzeiten wollen wir wenigstens in unserem Alltag, soweit es geht, Konflikten aus dem Weg gehen. Aber gerade dieser Wunsch wird im heutigen Evangelium durchkreuzt. Doch welches Feuer meint Jesus, von dem er heute spricht?
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Jesu scharfe Worte, die wir heute gehört haben, erregen Anstoß und verstören. Sie verstören, weil sie einem geschönten, allzu seichten, weichgezeichneten Jesusbild widersprechen. Es wäre eine fromme Lüge, den herausfordernden Anspruch Jesu kleinzureden, zu verdrängen, zu verflachen, zu spiritualisieren oder zu verkitschen. Das Wort vom Feuer stellt sich solchen Versuchungen kirchlicher Rede entgegen.
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Vor welche Entscheidungen uns der Glaube stellt, kann ganz unterschiedlich aussehen, ist sehr individuell. Betrachten wir die Situation in unserem Land, verlangt eine Glaubensentscheidung im Großen und Ganzen dem Einzelnen wenig ab. Das sieht in anderen Ländern durchaus anders aus. Aber auch bei uns spüren wir, dass die Großwetterlage für Glaube und Kirche keinesfalls günstig steht. Das Klima wird rauer.
Und was passiert, wenn wir doch einmal in eine gravierende Entscheidungssituation gestellt werden? Wenn unser Glaube angegriffen wird und wir uns sehr deutlich entscheiden müssen? Wir sollten nicht hochmütig sein. Vielleicht spüren wir Beklemmung, wenn wir über diese Fragen nachdenken.
Doch eines ist uns zugesagt: Wir werden in einer solchen Situation nicht allein sein, wenn wir auf Gottes Geist vertrauen. Und selbst im Scheitern dürfen wir noch auf Gottes Gnade hoffen, wenn wir unseren Glauben ernstnehmen. Der Glaube birgt Zündstoff, aber er ist alles andere als ein Strohfeuer.“
Zum Weiterlesen:
Axel Bernd Kunze: Kein Strohfeuer (Lk 12, 49 – 53) [Lesejahr C. 20. Sonntag im Jahreskreis], in: Der Prediger und Katechet 161 (2022), Heft 5, S. 634 – 637.