Es ist mal wieder Katholikentag. Direkt vor der Haustür. Neben der Eingangstür meiner Pfarrkirche stand heute morgen beim Himmelfahrtsgottesdienst: nach Stuttgart 15 km. Aber ich werde dieses Ereignis meiden. Ja, der Katholikentag läuft und läuft und läuft, gut geölt, am Laufen gehalten vom kirchlichen Apparat und seinen Referenten. Doch die Aufmerksamkeit sinkt, wenn man Umfragen im Vorfeld Glauben schenken will. Und auch heute morgen im Gottesdienst: keinerlei Hinweis auf dieses Ereignis.
Also: Stell Dir vor, es ist Katholikentag – und keiner geht hin. Der Gründe hierfür mag es viele geben. Neben einer fortbestehenden Unsicherheit gegenüber Großveranstaltungen möglicherweise auch eine Übersättigung. Denn ein Blick in das Programm zeigt die üblichen Mainstreamthemen: Klima, Klima und noch mal Klima – um nur eines zu nennen. Die Kirche fragt sich, wer sie noch braucht. Doch der Katholikentag wird darauf keine Antwort geben. Er ist kein geistliches Ereignis mehr, kein Motivationsort mehr, bei dem sich Christen gegenseitig stärken können. Eher verdoppelt er die üblichen Zeitgeistdebatten allabendlicher Talkshows. Nein, dafür braucht man nicht nach Stuttgart zu kommen.
Wollte die Kirche geistlich anregende, theologisch weiterführende Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit und auch auf ihre eigene Zukunft in einem immer stärker entchristlichten, säkularisierten Land geben, müsste das gastgebende ZdK seine politische Zeitgeistigkeit und ideologische Einseitigkeit aufgeben, müsste es dazu anregen, die politisch bewusst geförderte Polarisierung des Landes zu überwinden und die Sprachlosigkeit der Debattenlager zu beenden. Doch davon ist das ZdK, das längst nur noch einen kleinen Ausschnitt des Laienkatholizismus zu vertreten vermag, weit entfernt, wie eine jüngste Meldung zeigt:
Mag sein, dass der deutsche Katholizismus zu Kaisers Zeiten ultramontan war. Wenn er dies noch wäre. Doch diese Verhüllungsaktion steht für die neue Ideologie einer kulturell und historisch entkernten Nation, für die auch der Staatsgründer weichen muss. Mit der roten Verhüllung verschleiert man noch nicht einmal mehr die sozialistischen Wurzeln dieses Denkens. Eine solche Aktion desavouiert den Katholikentag.
Antworten auf die land auf, land ab gestellte Frage, wozu es die Kirche in unserem Land noch braucht und wie sie wieder attraktiv werden kann, wird es durch unverhüllten Politaktionen nicht geben. Dem Land wird es nicht gut tun. Die polarisierte Coronadebatte hat gezeigt, wohin ein säkularisierter Gesundheitsglaube führt. Und auch die Debatte um das Werbeverbot für Abtreibungen ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf jene Kulturkämpfe, die noch kommen werden. Unsere Wert- und Verfassungsordnung wird sich auf Dauer verändern, wenn das christlche Fundament schwindet. Ob unser Zusammenleben dadurch humaner wird, glaube ich nicht.