Schlaglicht: „Gendern“ hat wenig mit Sprachwandel, aber viel mit politischem Aktivismus zu tun

Für den öffentlichen Raum sollte ein Mäßigungsgebot gelten. Sprache ist ein zentrales Kulturgut und ein wichtiges Identitätsmerkmal der deutschen Kulturnation, das nicht einseitig durch weltanschauliche Positionen vereinnahmt werden darf. Daher ist es richtig, dass es Regeln gibt, etwa der amtlichen Rechtschreibung. Sie bewahren davor, dass wir unsere Freiheitsräume beständig neu ausgehandelt werden müssen und sie helfen sichern, dass nicht eine einzelne Gruppe durchsetzt, was recht ist. Ich muss meine Muttersprache angstfrei gebrauchen können – ohne damit rechnen zu müssen, beständig in ein politisches Minenfeld zu treten. Wo der Sprachgebrauch politisiert und moralisiert wird, geht ein entscheidender Freiheitsraum verloren.

Mittlerweile ist es so, dass „Studierende“ in Lehrveranstaltungen Gendersprache einfordern; in nicht wenigen Lehrveranstaltungen lernen sie, dass vermeintlich nur Gendersprasche „gerecht“ und „inklusiv“ sei. Die Anmaßung, die hinter einem solchen Ansinnen steckt, wird nicht mehr wahrgenommen: Wer sich anmaßt, den Sprachgebrauch eines anderes zu normieren, verhält sich autoritär und übergriffig. Mit „Gerechtigkeit“ und „Inklusion“ hat dies nichts zu tun. Es besteht keine Wahlfreiheit, so oder so zu schreiben, auch wenn das Freiheitsargument immer häufiger dazu verwandt wird, jene als Freiheitsgegner hinzustellen, die sich einer genderpolitischen Überformung der Sprache in den Weg stellen. Denn Gendersprache hat wenig mit natürlichem Sprachwandel zu tun, aber viel mit einer aktivistischen Agenda.

Wo die Sprache zur Arena für Politaktivisten wird, wird die Freiheit absorbiert vom Zwang, sich beständig moralisch rechtfertigen zu müssen. Dies hat am Ende auch wenig mit Wissenschaftsfreiheit zu tun, da zu dieser auch die Freiheit gehört, seine Gedanken sprachlich so auszudrücken, dass man sich nicht einem ständigen moralisierenden Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sieht. Zum Kampf um die Freiheit gehört für mich auch das Ziel, die Sprache vor Politisierung und moralisierender Vereinnahmung zu bewahren.

Wir haben uns schon viel zu sehr daran gewöhnt, dass öffentliche Organe (dazu zählen auch Senate und Frauenbeauftragte) steuernd eingreifen, wo es staatlich nichts zu steuern geben sollte – alles natürlich immer ganz sanft, getarnt im Schafspelz von „Tipps“, „Best-practice-Beispielen“ oder Qualitätmanagementinstrumenten. Der freie Bürger und der freie Wissenschaftler braucht keine Gängelung. Ferner: All diese „Beispiele und Tipps“ aus der schönen, neuen Hochschulwelt setzen unausgesprochen Prämissen voraus, die gar nicht diskutiert werden. Gendersprache ist nicht „geschlechtergerecht“, sie ist aus meiner Sicht einseitig egalitaristisch („Damit wir ALLE DIESELBE  Sprache sprechen“), während das Freiheitsmoment kleingeschrieben wird. Gerechtigkeit aber verwirklicht sich im polaren Spannungsverhältnis von Freiheit und Gleichheit.

Ein Sprachwandel, der sich aus freien Stücken im Rahmen der Sprachgemeinschaft vollzieht, hätte zumindest eine andere Qualität als ein politisch gesteuerter, wobei die Verfechter der Gendersprache sehr häufig diesen Unterschied verschleiern und das Durchsetzen von Gendersprache als „natürlichen Sprachwandel“ deklarieren – wenn dem so wäre, bräuchte es ja gerade keine Beschlüsse von Senaten, „Tipps“ von Frauenbeauftragen usw. Der Verlust an Konsens innerhalb der Sprachgemeinschaft ist schon älter als der Genderstern. Sehr oft höre ich das Argument, das generische Maskulinum sei nicht neutral, wobei dann in der Regel auch noch linguistische und sprachsoziologische Begründungen durcheinandergeworfen werden. Das Argument setzt allerdings eine Politisierung der Sprache im Rahmen sozialer Bewegungen bereits voraus – mit der Folge, dass wir jetzt in der Tat keine „neutrale“ Sprachform mehr haben. Damit bleibt es aber immer noch unredlich, wenn Verfechter der Gendersprache dann allein für ihre Varianten die Etiketten „geschlechterneutral“, „geschlechtergerecht“ oder „geschlechterinklusiv“ einseitig in Anspruch nehmen. Gegen die machtförmigen Interventionen der „Gendersprachler“ können wir nicht die Neutralität, wohl aber die Freiheit in Stellung bringen.

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