Rezension: Welche Rechte haben Kinder?

Sollen Kinderrechte explizit in die Verfassung aufgenommen werden? Über diese Frage wird verstärkt diskutiert, seit sich die Große Koalition Ende des vergangenen Jahres daran gemacht hat, ein entsprechendes Vorhaben ihres Koalitionsvertrages abzuarbeiten. Die Frage stand auch im Mittelpunkt der Bamberger Jahrestagung 2018 der rechts- und staatswissenschaftlichen Sektion der Göres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft, deren Beiträge im Verlag Duncker und Humblot veröffentlicht wurden:

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Arnd Uhle (Hg.): Kinder im Recht. Kinderrechte im Spiegel der Kindesentwicklung (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zu Philosophie, Politik und Geistesgeschichte; 96), Berlin: Duncker & Humblot 2019, 328 Seiten.

Axel Bernd Kunze rezensiert den Tagungsband in der aktuellen Ausgabe der internationalen Zeitschrift für christliche Sozialethik, AMOS international:

Es gibt, wie der vorliegende Band verdeutlicht, gute juristische Gründe gegen ein eigenständiges Kindergrundrecht, auch wenn die Versuchung groß ist, auf diese Weise politisch ein „Zeichen zu setzen“. Die Verfassung aber sollte nicht für Symbolpolitik missbraucht werden. Gerade Eltern, aber auch Lehrer könnten die Folgen systematischer Brüche in der Verfassungsordnung deutlich zu spüren bekommen. Sollten staatliche Ämter zunehmend verpflichtet werden, die Rechte Minderjähriger anwaltschaftlich zu vertreten, könnte der Staat in die paradoxe Doppelrolle geraten, sowohl Adressat als auch Träger von Grundrechten zu sein.

Ein weiterer Aspekt kommt im Band nur am Rande vor. Hinter Forderungen nach einer stärkeren grundrechtlichen Subjektivierung  von Kindern steckt auch, neue Aufgaben und zusätzliche Ressourcen auf dem Feld der Kinderförderung zu generieren. Unterschlagen wird häufig, dass bei einer Schwächung des Elternrechts bestimmte Entscheidungen gleichfalls stellvertretend für Heranwachsende getroffen werden müssen, und zwar umso stärker, je jünger das Kind ist. Dies stärkt in der Konsequenz administrative Entscheidungswege und fördert institutionelle Einflussnahmen. Wo die Autonomie der Familie zurückgedrängt wird, wächst umgekehrt die sozialstaatliche Organisation. Der liberale Rechts- und Verfassungsstaat sollte allerdings einem gerechten Sparsamkeitsgrundsatz folgen. Zulässig sind demnach Eingriffe des Staates in die Grundfreiheiten seiner Bürger nur, wenn diese das Gesamt an Grundfreiheiten stärken und möglichst gering gehalten werden. Unter dieser Maßgabe wird der Staat vorrangig mit Anreizstrukturen arbeiten müssen; da auch von diesen immer schon eine steuernde Wirkung ausgeht, bleibt begleitend ein hinreichender Minderheitenschutz wichtig. (13. Jg., Heft 4/2019, S. 51 f.)

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