Zwischenruf: Preispolitik des Deutschen Hochschulverbandes verwechselt Wissenschaft und Politik

Der Deutsche Hochschulverband, die wichtigste berufsständische Vertretung im Universitätsbereich, zeichnet jährlich einen Kollegen oder eine Kollegin als „Hochschullehrer des Jahres“ aus. Die Auszeichnung ist mit zehntausend Euro dotiert. In den Vorjahren waren die Preisträger 2021 der Virologe Christian Drosten, 2022 Özlam Türeci und Ugur Sahin. Drosten bestimmte maßgeblich die coronapolitische Linie der Bundesregierung und bestimmte durch eigene Podcasts dann auch noch gleich selbst wesentlich deren wissenschaftsjournalistische Kommentierung. Türeci und Sahin waren über ihre Firma BioNTech maßgeblich an der Entwicklung der neuen umstrittenen Coronaimpfstoffe auf Basis der mRNA-Technologie beteiligt. Dass sowohl Drostens wissenschaftliche Haltung als auch die intransparente Rolle von BioNTech in der Coronakrise bis heute umstritten ist, ficht den Deutschen Hochschulverband, der mit seiner Preispolitik einseitig Position für die aggressive deutsche Impfnötigungspolitik bezogen hat, in keiner Weise an.

Nun steht fest, wer die Auszeichnung im kommenden Jahr erhalten wird: Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Die wissenschaftliche Leistung der Preisträgerin soll nicht in Abrede gestellt werden, keineswegs. Doch auch dieses Mal ist die Preisverleihung offenbar in erster Linie politisch motiviert.

Denn der Präsident des Verbandes, Bernhard Kempen, verweist in der Bekanntgabe zur Preisentscheidung ausdrücklich darauf, dass die Geehrte als „Anwältin der Meere und herausragende Wissenschaftskommunikatorin“ ausgezeichnet werde. Aha! Wer meinte, die Hauptaufgabe von Hochschullehrern seien Forschung und Lehre, muss sich wohl irren. Nach Ansicht des Hochschulverbandes sind offenbar politisches Agendasetting und Wissenschaftskommunikation wichtiger. Der Auszeichnung erweist der Verband damit einen Bärendienst.

Wem pädagogische und wissenschaftsethische Standards am Herzen liegen, sollte den Preis künftig eher meiden. Einmal mehr verwechselt der Deutsche Hochschulverband bei seiner Preispolitik Wissenschaft mit Politik. Seriöse Politikberatung ist etwas anderes als ein wissenschaftliches Expertentum, das als Sprachrohr der Politik ausgegeben wird. Ein Wissenschaftsfunktionär wie Kempen tut der Kollegin keinen Gefallen, diese in eine politische Rolle zu drängen. Und Expertise ist noch keine Entscheidung.

Die Wissenschaft kann nicht politische Abwägungen vorwegnehmen und der Politik die Aufgabe aus der Hand nehmen, verbindliche Entscheidungen zu formulieren und parlamentarisch zu legitimieren. Umgekehrt kann die Politik ihr abverlangte Wertentscheidungen nicht unmittelbar aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten und sich dadurch zu entlasten suchen, dass sie allein Expertenmeinungen umsetze. Wo die Unterscheidung zwischen Beratung und Legitimation verkannt wird, tun sich weder Politik noch Wissenschaft auf Dauer einen Gefallen. Politik bedarf der wissenschaftlichen Beratung von außen, aber aus ihr lassen sich nicht gleichsam wie mit einer mathematischen Formel politische Entscheidungen ableiten. Wo das versucht wird, verkehren sich wissenschaftliche Argumente zu politischen Sachzwängen, die sich am Ende politischer Verantwortung entziehen. Umgekehrt erstirbt auf Dauer der wissenschaftliche Diskurs, wenn durch eine Verwechslung der Handlungsebenen Argumente, denen die Politik nicht folgt, auch zugleich als unqualifiziert oder unmoralisch aus dem wissenschaftlichen Diskurs ausgeschieden werden.

Hochschullehrer, die sich wissenschaftlich und pädagogisch verdient gemacht haben, sollen durchaus geehrt werden. Aber dann auch als Hochschullehrer, und nicht als politische Anwälte, Aktivisten oder Wissenschaftsjournalisten. Eine solche Preispolitik verträgt sich nicht mit den ethischen Maximen eines fairen, unparteiischen und ergebnisoffenen wissenschaftlichen Diskurses.

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