Zwischenruf: „Diversity to go“ oder Resilienz durch ein substantielles Bildungsverständnis?

Die Vizepräsidentin der Universität Bamberg für Diversität und Internationales hat aktuell verschiedene Aktionen ihrer Hochschule zum bundesweiten Diversity-Tag angekündigt, selbstverständlich mit Genderstern. Ich kann mir nicht helfen: Wenn ich von einer Vizepräsidentin für „Diversität und Internationales“ höre, denke ich an ein DDR-Milieu. Der öffentliche Raum wird mit ideologischen Phrasen besetzt. Selbstverständlich sollte eine Universität internationale Beziehungen pflegen. Und selbstverständlich sollten Universitäten auch plural ausgerichtet sein. Aber hier geht es um etwas anderes: Der öffentliche Raum wird durch eine internationalistische, antitraditionalistische, dekonstruktivistische, weltanschaulich einseitige Ideologie besetzt. Und die Universitäten sind eine der Speerspitzen dieser ideologischen Vereinnahmung.

Nun legen Krisen Fehlentwicklungen schonungslos offen. Das gilt auch für die Coronakrise, die ein verfasungsrechtlicher Sündenfall sondergleichen war. Eine Universität, die ohne jeden Widerstandsgeist bereitwillig eine grundrechtswidrige 2G-Regel exekutiert, hat sich selbst ins Unrecht gesetzt und akademische Glaubwürdigkeit verwirkt, noch von Diversität zu sprechen. Professorenschaft, Hochschulleitungen, Hochschulverbände haben in ihrer Mehrheit bereitwilligst mitgemacht und sich am Geist unserer Wert- und Verfassungsordnung vergangen. Und damit dem Ansehen des akademischen Deutschlands schweren Schaden zugefügt.

Aber es geht noch um mehr: Mit der Bolognauniversität und der Umsteuerung auf eine plumpe, bildungstheoretisch unterkomplexe Kompetenzorientierung ist nicht alles beim Alten geblieben. Der Universität ist ein substantielles Verständnis von akademischer Bildung verloren gegangen – bei gleichzeitiger Massenakademisierung, die, bei Lichte besehen, keine ist. Früher studierte man Rechtswissenschaft, Theologie, Medizin, Philosophie – heute „Social Media“, „Demokratie und Regieren in Europa“, „Erneuerbare Energien“. Es geht nicht mehr um ein Gesamtverständis einer menschlichen Teilpraxis, es geht um die ideologische Zurichtung auf ein eng umgrenztes, politisch gewolltes Handlungsfeld. Es geht nicht mehr um die Befähigung, eine noch unbekannte Zukunft zu gestalten, sondern um Anpassung an aktuell für wichtig gehaltene politische Erfordernisse. Es geht nicht mehr um akademische Befähigung, Probleme selber zu erkennen, sondern um die Zurichtung auf politisch vorab bestimmte Fragen.

Ein bekannter Bildungsforscher sagte vor Jahren auf einem Bildungskongress, es sei egal, ob Schüler Goethes Erlkönig oder eine Taschenrechneranleitung lesen würden. Es gehe am Ende nur um inhaltsunabhängige „Textkompetenz“. Das ist antitraditionalistisch, offenbart ein funktionales Menschenbild und nimmt den Einzelnen als Person nicht wahr. Die Konfliktlinien von damals zeigen sich heute in zunehmender Schärfe: Es geht um die Grenzziehung zwischen einem substantiellen, humanistisch orientierten, personalen Bildungsverständnis und einem sozialtechnokratischen Bildungsverständis, etwa im Dienste der Diverstitätsorientierung oder des Internationalismus. Und all das hat Folgen.

Die Coronakrise hat es an den Tag gebracht. Eine Gesellschaft im Allgemeinen, der ein substantielles Bildungsverständnis verloren geht, und eine Universität im Besonderen, der ein substantielles Verständnis akademischer Bildung verloren geht, wird gegenüber Krisen nicht resilienter. Im Gegenteil: Es regieren Emotionalisierung, Moralisierung, autoritäre Diskurssteuerung, Panikmache, Ausgrenzung, Polarisierung, Diffamierung, Hetze, Dehumanisierung, Entpersonalisierung und ein Verlust an Grundfreiheiten. Studenten, die sich zum Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bekennen, werden von der Universität aus der akademischen Gemeinschaft ausgeschlossen und ihrer Teilhaberechte beraubt. Wissenschaftler, die abweichende Positionen vertreten, werden diffamiert und mundtot gemacht, wer dem Mainstream folgt und widerständige Positionen aus dem akademischen Diskurs auszugrenzen versucht, wird als „Hochschullehrer des Jahres“  geadelt. Die Menschenwürde wird mit Füßen getreten. Und das unter der mehr oder weniger bewussten Billigung durch die breite Masse.

Wir brauchen kein lächerliches „Diversity to go“, wie die Universität Bamberg jetzt ankündigt, und keine „Expertise in geschlechtersensibler Forschung“. Wir brauchen überhaupt eine Universität, die ein Verständnis akademischer Bildung vertritt, die diesen Namen verdient, verstanden als Befähigung zur Selbstbestimmung auf Grundlage des ernsthaften, unvoreingenommenen wissenschaftlichen Ringens um das bessere Argument. Wir brauchen keine politischen Phrasen und das eifrige Geschwätz universitärer Presse- und Stabsstellen, sondern die ernsthafte geistige Auseinandersetzung um die Fragen der Zeit. Und diese sind nicht gering.

Ja, wir haben diverse radikale Politikwechsel erlebt – wobei immer noch offen bleibt, welche „gut“ und welche „böse“ sind . Der Atomausstieg oder die rechtswidrige Grenzöffnung Merkels wurden bejubelt, auch an den Universitäten, der Brexit verdammt. Einen solchen Politikwechsel können wir auch in der Hochschulpolitik erwarten – ob er kommen wird, weiß ich nicht. Aber die Massenakademisierung lebt davon, dass der Arbeitsmarkt sich noch als aufnahmefähig erweist. Dies könnte sich im Zuge fortschreitender Krisenentwicklung (Inflation, Verschuldungspolitik, demographischer Wandel, geopolitische Instabilität usw.) ändern – wenn sich zeigt, dass sich ein stabiles, öknomisches Gemeinwesen eben nicht auf akademische Pseudokompetenz, sondern nur auf Leistungsfähigkeit gründen lässt. Wir haben es in der Hand. Noch garantiert Wohlstand eine solche Politik, aber wir fahren schon länger auf Reserve. Auch der zunehmede Traditionsverlust und die fortschreitende Säkularisierung, die als Fortschritt verkauft wird, können radikale Politikwechsel befördern.

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