Kommentar: Warum Gendersprache keine Frage individueller Beliebigkeit sein kann

Immer wieder wird über Gendersprache an Universitäten und Hochschulen diskutiert. Jüngstes Beispiel ist eine Debatte an der Theologischen Fakultät in Greifswald. Genügt es, in solchen Debatten lediglich eine Nötigung zum Gendern abzuwehren? Oder ist das zu wenig?

Gendersprache ist nicht allein eine Frage, die der individuellen Beliebigkeit überlassen werden darf. Wissenschaftler sind in unterschiedlichen Rollen unterwegs. Sie sind Wissenschaftler, aber auch Vertreter einer Institution, in den meisten Fällen staatlicher oder staatlich anerkannter Hochschulen. Und im öffentlichen Raum gilt ein Mäßigungsgebot. Die öffentliche Verkehrssprache ist kein Verfügungsobjekt individueller wissenschaftlicher Standpunkte – so sehr ich auch jederzeit bereit bin, das individuelle Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit zu verteidigen. Im privaten Sprachgebrauch kann Freiheit herrschen. Im amtlichen Sprachgebrauch besteht kein Recht, den öffentlichen Raum mit einseitigen ideologischen, partikularen oder weltanschaulichen Überzeugungen, z. B. radikalkonstruktivistischen Sprachauffassungen, zu besetzen. Zum einen ist damit ein Angriff auf die Freiheit Andersdenkender verbunden, die sich zu Recht gegen solche ideologischen Übergriffe im öffentlichen Raum wehren dürfen. Zum anderen darf der Souverän von steuerfinanzierten Amtsträgern erwarten, dass diese im Sinne nationaler Werte handeln und nicht die Grundlagen unserer Kulturnation zerstören. Und zu diesen Grundlagen unserer Kulturnation, die ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut darstellen, gehört eine gemeinsame, von ideologischen Übergriffen geschützte Sprache.

Wo das Mäßigungsgebot im öffentlichen Raum unterlaufen wird, wächst am Ende nicht individuelle Freiheit, sondern gehen individuelle Freiheitsräume verloren und obsiegt am Ende die Gewalt der Mehrheit. Und wenn sich eine bestimmte partikulare Weltanschauung das Recht herausnimmt, den öffentlichen Raum der Sprache einseitig ideologisch zu überformen, ist das letzten Endes nichts anderes als Gewaltanwendung.

Wir erleben einen Freiheitskampf, bei dem es um die Ideologiefreiheit unserer Sprache geht. Und diese ist das wichtigste „Handwerkszeug“ des Wissenschaftlers, zumal des Geisteswissenschaftlers. Gendersprache hat nichts mit natürlichem Sprachwandel zu tun, sondern viel mit technokratischer Umsteuerung der Gesellschaft, mitunter mit brutalen Machtmitteln. Daher ist falsche Irenik fehl am Platze. Dieser Kampf wird nur gewonnen werden, wenn er mit notwendiger Entschiedenheit aufgenommen wird. Um der Freiheit willen.

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