Kommentar – nach zwei Jahren Coronakrise:
https://christlichesforum.info/staatsversagen-nach-zwei-jahren-coronakrise-verstaendigung-statt-weiterer-spaltung-tut-not/
Monat: Januar 2022
Schlaglicht: Warum unser Land einen Aussöhnungsprozess brauchen wird
Wie soll Deutschland auf die Infektionen mit Omikron reagieren? Ein klares politisches Vorgehen ist nicht erkennbar. Oder sollte man vielleicht besser sagen: immer weniger. Auch zwei Jahre nach Beginn der Coronakrise reagiert die Politik hektisch, moralisierend und wenig rational auf die damit verbundenen Herausforderungen. Die politischen Maßnahmen scheinen nur sehr vage mit dem medizinischen Geschehen verbunden zu sein. Die Datenlage ist in vielem immer noch sehr dünn und wenig gesichert. Ja, schlimmer noch: Datenskandale wie in Hamburg oder Bayern haben das ohnehin schon beschädigte Vertrauen in die Politik noch weiter erschüttert. Dass die immer zahlreicher werdenden „Spaziergänge“ gar nicht erst behördlich angemeldet werden, ist Ausdruck dieses Vertrauensverlustes – und ein beachtliches Signal in einem Land, in dem Revolutionäre einem bekannten Zitat zufolge früher angeblich erst eine Bahnsteigkarte lösten, wenn sie den Bahnhof besetzen wollten.
Die Erfahrungen nach zwei Jahren Coronakrise können auf einen Begriff gebracht werden: Wir haben es mit einem Fall von Staatsversagen zu tun. Die politischen Handlungsträger und die Verwaltungen sind überfordert. Immer komplexere Detailregelungen (mittlerweile gibt es nicht nur Geimpfte, Genesene oder Getestete, sondern auch noch „frisch Geimpfte“, „Geboosterte“ und „Genesene mit Auffrischimpfung“), die kaum noch zu durchschauen sind, verhindern ein effizientes Krisenmanagement, verhindern notwendige Routinen in der Bevölkerung und damit einen zielgerichteten, effektiven Infektionsschutz. Stattdessen werden die Kollateralschäden immer größer.
Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: An immer mehr Stellen erodiert die Wert- und Verfassungsordnung des Landes. Alle drei Gewalten sind mittlerweile ramponiert. Die Judikative hat ihre Unschuld verloren, seit die obersten Richter im Kanzleramt diniert haben. Nun droht auch der Bundestag durch 2G-Regelungen an Würde zu verlieren. Wer Abgeordnete ausgrenzt, trifft damit immer auch Teile des Souveräns, die sich mitgemeint sehen – und das zu Recht. Dabei sind es nicht allein die selbsternannten Fortschrittskoalitionäre, die sich maßlos überschätzen, wenn sie keine roten Linien mehr anerkennen wollen. Gleiches gilt für Politiker der C-Parteien, die bei der Debatte über eine allgemeine Impfpflicht gar keine Gewissensentscheidung zu erkennen vermögen; ein Staatsverständnis, das aus einer solchen Haltung spricht, wird dem christlichen Personalitätsprinzip nicht gerecht.
Die politischen Spitzen, vom Bundeskanzleramt bis zum Präsidenten des Landkreistages, haben sich auf eine solche Impfpflicht als einzige Lösung der Krise eingeschossen. Aber keiner wagt sich so richtig an einen Gesetzentwurf heran. Die quälende Debatte wird weitergehen und das Land noch mehr spalten. Zwar gibt es erste Anzeichen, die eine wachsende Unsicherheit gegenüber einer solchen staatlichen Zwangsmaßnahme andeuten, ein grundlegender Richtungswandel ist in der Debatte aber noch nicht erkennbar. Die Situation könnte sich in diesem Jahr noch brandgefährlich zuspitzen, wenn eine allgemeine Impfpflicht real durchgesetzt werden sollte, die Ausgrenzung durch 2G(+)-Regeln auch über den Sommer hinweg durchgezogen wird und die Proteste gegen diese Politik weiter zunehmen werden. Die Spaltung der Bevölkerung in unterschiedliche Gruppen zerstört auf Dauer den gesellschaftlichen Zusammenhalt und beschädigt eine lebendige Bürgergesellschaft. Aber möglicherweise ist es vielen in der Politik – zumindest unbewusst – gar nicht unrecht, wenn Formen einer selbstbewussten, konservativen, bürgerlichen Kultur die Coronakrise nicht überleben werden.
Es wird immer deutlicher, dass nach dieser Krise viel aufzuarbeiten sein wird. Dies betrifft nicht nur Fragen nach der Handlungsfähigkeit des Staates in einer Krisensituation – schon das allein wäre eine dringend notwendige Aufgabe. Denn Corona wird in einer globalisierten Welt nicht die letzte biopolitische Herausforderung bleiben.
Wir werden einen nationalen Aussöhnungsprozess brauchen, der nicht mit billiger Münze zu haben sein wird. Der politische Vertrauensverlust, den diese Krise hinterlassen wird, ist deshalb so veritabel, weil bei nicht wenigen der Eindruck entstanden ist, als Rechtspersönlichkeit nicht mehr geschützt zu sein – und das wiegt schwer, rührt an die Fundamente unserer Wert- und Verfassungsordnung. Erst recht dann, wenn es um Eingriffe des Staates in die körperliche Unversehrtheit, theologisch kann man sogar sagen: in die Integrität der eigenen Leiblichkeit, geht. Allerdings bleibt die Frage, wie ein solcher Aussöhnungsprozess angestoßen werden kann, wenn nahezu alle politisch-gesellschaftlichen Akteure in dieser Krise moralisch Schaden genommen haben werden, von der Politik über die Medien und Hochschulen bis zu den Kirchen und darüber hinaus. Der Bundespräsident hat mit einer Diskussion in Schloss Bellevue vor einer halben Woche versucht, einen ersten Schritt in diese Richtung zu setzen. Aber es steht zu erwarten, dass der jetzige und wohl auch künftige Amtsinhaber nicht das notwendige Format besitzt, diese Mammutaufgabe wirklich zu leisten. Möglicherweise werden sich aus der Krise heraus neue politische Mehrheiten oder Formationen ergeben, denen es gelingt einen solchen Aussöhnungsprozess anzustoßen; Friedrich Merz sollte etwa nicht zu früh eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD ausschließen. Wie auch immer – eines bleibt sicher: Wir werden einen nationalen Aussöhnungsprozess brauchen, wenn das Land nicht dauerhaft gespalten bleiben soll.
Eine wichtige Voraussetzung hierfür wäre eine erneuerte Streitkultur und ein offenes, respektvolles, unvoreingenommenes Diskursklima. Dies gilt nicht allein für die Corondebatte, sondern etwa auch für die Klima- oder Migrationspolitik. Schon länger und immer häufiger werden politische Konflikte moralisch kodiert. Dadurch werden alternative Positionen „unsagbar“, Andersdenkende an den Rand getrieben und faktisch aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. Verständigung und Annäherung müssen misslingen, solange diese Mechanismen nicht durchschaut und aufgearbeitet werden.
Petitionen gegen eine Impfpflicht
Mittlerweile gibt es verschiedene Petionen gegen eine Impfpflicht –
auf Bundesebene:
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2021/_12/_06/Petition_128564.nc.html
auf europäischer Ebene:
Jeder muss selbst prüfen, wie er sich politisch in der Debatte verhält. Aber eines ist sicher: Eine allgemeine Impfpflicht betrifft jeden, hier kann es keine distanzierte Haltung geben. Daher sollte sich auch jeder seine eigene politisch-ethische Meinung bilden. Und wie immer gilt dabei: Sapere aude!
Schlaglicht: Seit wann ist das Lied der Deutschen verboten?
Hubertus Knabe kommentiert auf WELT online das neue Dossier des Berliner Senats zur Umbenennung von Berliner Straßen. Mehr als hundert Straßen wurden als Problemfall etikettiert, von Martin Luther und Katharina von Bora über Hoffmann von Fallersleben und Richard Wagner bis zu Thomas Mann und Konrad Adenauer. Vor den neuen Kulturkämpfern ist keine Epoche und kein Namen mehr sicher. Nur Karl Marx fehlt in der Sammlung des Gutachtens.
Wenn wir das Dossier ernstnehmen, wissen wir, was an kulturellen Verteilungskämpfen auf uns zukommen wird und welch scharfer Wind über kurz oder lang allen um die Ohren wehen wird, die sich künftig noch zu den kulturellen Traditionen unseres geliebten Vaterlandes bekennen wollen. Und bei alldem nimmt es das Gutachten mit den Fakten nicht so genau – denn: Heute zählt Haltung mehr als ein Wissensstand, wie uns die neue Werbekampagne der „Zeitung für Deutschland“, der F.A.Z., wissen lässt. So schreibt Knabe:
„Manchmal stimmen nicht einmal die Fakten – wie die Behauptung, die beiden ersten Strophen des Deutschlandliedes seien ‚aufgrund ihres aggressiven Nationalismus und revanchistischen Gehalts‘ verboten worden. Ihr Verfasser, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, findet sich ebenfalls auf der Liste.“
Das Lied der Deutschen ist keinesfalls verboten und wird auf burschenschaftlichen Veranstaltungen auch weiterhin gesungen. Bezeichnend für den Verfall der politischen Debatte in unserem Land ist, dass für eine Senatsverwaltung juristische Wahrheit offenbar nicht mehr zählt. Ein solcher Staat ersetzt das Recht schleichend durch die Herrschaft kultureller Willkür. Eine Politik aber, die das kulturelle Gedächtnis des Landes ausradieren will und Unterstellungen an die Stelle des Rechts setzt, gefährdet die kulturelle Stabilität des Gemeinwesens. Man nennt das wohl „gesellschaftlichen Fortschritt“, denn die Parteien desselbigen regieren in unserer Hauptstadt.
Eine bissige Schlussbemerkung: Berlin darf nur der Anfang sein. Über kurz oder lang werden wir dann auch für das Verbindungshaus jener Burschenschaft, welcher der Verfasser angehört, eine neue Adresse bekommen. Ganz sicher. Der auf das nahegelegene ehemalige Siechenhaus zurückgehende Name Siechenstraße diskriminiert bestimmt alle Kranken, jedenfalls die geimpften. Die „demokratischen“ Parteien im Bamberger Stadtrat sollten endlich handeln und eine Straßenumbenennung einleiten.
7 Argumente gegen eine gesetzliche Impfpflicht: Erklärung wurde ins Englische übersetzt
Die Erklärung „Die Spaltung überwinden: sieben wissenschaftliche Argumente gegen eine gesetzliche Impfpflicht und für einen offenen Diskurs“ von 56 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wurde inzwischen auch schon in den USA verbreitet:
Christliches Forum: 15 Wissenschaftler solidarisieren sich mit Professor Dr. Wagener
15 Wissenschaftler solidarisieren sich mit Professor Dr. Wagener, in: Christliches Forum, 7. Januar 2022:
https://christlichesforum.info/die-gottesformel-des-grundgesetzes-bedeutet-zugleich-eine-rote-linie/
Schlaglicht: Deutschland vor der Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht
Bereits vor einem Jahr, als in Deutschland mit den Coronimpfungen begonnen wurde, forderten erste Stimmen eine Impflicht – also lange vor Omikron und einer vierten Welle, und völlig unabhängig von der tatsächlichen Impfbereitschaft im Land. Die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht hat ab Sommer beständig an Fahrt gewonnen. In Kürze wird der Bundestag darüber entscheiden, ohne Fraktionsdisziplin. In Form von wissenschaftlichen Erklärungen, Offenen Briefen oder „Montagsspaziergängen“ formiert sich zunehmend Widerstand gegen einen staatlichen Zwang zum Impfen. Lässt sich ein solcher noch verhindern?
Ich befürchte: Nein. Die Entscheidung über eine Impfpflicht wird im Parlament nicht mehr aufzuhalten sein. Auch besitzt die kleine Gruppe der Impfpflichtgegner um Wolfgang Kubicki wenig moralische Glaubwürdigkeit bei ihrer Position, insofern sich diese Abgeordneten bereits früher gegen den indirekten Impfzwang hätten wehren müssen, statt die bisherigen Maßnahmen im Rahmen der Fraktionsdisziplin mitzutragen.
Aber die gegenwärtigen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Initiativen wider eine Impfpflicht haben dennoch einen großen Wert – abgesehen von der Funktion, den eigenen Moralhaushalt so zu beeinflussen, dass man noch morgens in den Spiegel sehen kann. Sie dokumentieren, dass die Entscheidung für eine Impfpflicht nicht alternativlos ist. Auch wenn die politischen Mehrheitsverhältnissse gegenwärtig nicht zu ändern sind, speisen widerständige Stellungnahmen und Positionierungen einen „Vorrat“ an Fähigkeit zum Perspektivwechsel in den öffentlichen Moraldiskurs ein – auf Vorrat sozusagen, für die spätere Debatte. Denn die Kontroverse über diese Politik, bei der viel für unser künftiges Zusammenleben sowie das Staats-, Freiheitsverständnis und Menschenbild unserer Wert- und Verfassungsordnung auf dem Spiel steht, muss weitergehen. Und das ist auch gut so.
Manche „Spaziergänge“ gleichen gegenwärtig einem Schweigemarsch, was ein wirksames Mittel des politischen Protests sein kann, wie die Geschichte zeigt. So ist der Widerstand gegen einen staatlichen Impfzwang gegenwärtig vielleicht nicht mehr als eine stumme Mahnung – aber schon das ist wichtig. Warum bin ich so skeptisch, dass sich die politische Stimmung gegenwärtig noch drehen lässt – wohlgemerkt: zugunsten einer freien, selbstbestimmten Entscheidung des Einzelnen für oder gegen eine Impfung, nicht gegen jede Impfung als solche.
Zunächst ist die Stimmung in der Bevölkerung mehrheitlich immer noch eine andere. Das Narrativ von einer vermeintlichen „Pandemie der Ungeimpften“ bleibt wirksam. Die Mehrheit hofft, dass mit einer Impfpflicht alles bald vorbei sei. Dann ist die neue Regierung mit einer solchen Entschlossenheitsrhetorik gestartet, dass ein Zurück jetzt kaum denkbar ist. Schließlich haben sich die führenden Politiker in den Parteien auf eine Impfpflicht eingeschossen, zu nennen sind hier nur allein die beiden Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg – daran werden sich trotz Gewissensentscheidung ohne Fraktionszwang viele Abgeordnete orientieren. Dann hat es die Politik in den vergangenen Jahren der Merkelära immer mehr verlernt, Fehler einzugestehen – und das müssten die Politiker bei einem Kurswechsel in Richtung freier Impfentscheidung. Und ein Letztes: Die Zeit für eine grundlegende Debatte ist mittlerweile zu kurz, um noch substantielle Bewegungen zu erreichen. Hierfür müssten bereits Gruppenanträge auf dem Tisch liegen, über die transparent und kontrovers diskutiert werden könnte.
Ich kann in der Impfpflichtdebatte gegenwärtig keinen Stimmungswechsel ausmachen – aber: Ich würde mich in dieser Frage liebend gern irren.
PS: Und die bildungsethische Moral von der Geschicht‘? Wer nach einer Pflicht ruft, gesteht indirekt ein, dass rationale Argumente nicht mehr zu überzeugen vermögen. Schon länger bestimmt Moralisierung den Coronadiskurs.
Wissenschaftliche Autorengruppe schreibt an Bundestagsabgeordnete: 7 Argumente gegen eine Impfpflicht
Eine wissenschaftliche Autorengruppe aus Deutschland und der Schweiz hat sich vor der parlamentarischen Entscheidung über eine Impfpflicht mit einer Erklärung an die Mitglieder des Deutschen Bundestages gewandt. Die Erklärung trägt den Titel: Die Spaltung überwinden: sieben wissenschaftliche Argumente gegen eine gesetzliche Impfpflicht und für einen offenen Diskurs.
Die Erklärung ist über die neue Internetseite https://7argumente.de einsehbar. Über die Internetseite kann auch mit der Autorengruppe Kontakt aufgenommen werden.
Christliches Forum: Grundgesetz, Gottesformel und rote Linie
CHRISTLICHES FORUM übernimmt Beitrag zum Amtantritt der neuen „Ampel“-Koalitionsregierung: