Aus einem Schulleitungsgrußwort zur Abschlussfeier mit feierlicher Zeugnisübergabe:
Der Bereich frühkindlicher Erziehung, Bildung und Betreuung wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten – im Anschluss an die ersten PISA-Studien – stark ausgebaut. Die Gründe sind vielfältig. Vom Umbau der Krippen- und Kindergartenlandschaft zum Elementarbildungsbereich versprach man sich, so eine der Erwartungen, ein Mehr an Bildungsgerechtigkeit. Die Fachschulen für Sozialpädagogik konnten im Rahmen dieser Entwicklung politisch durchsetzen, dass die staatliche Anerkennung von Erziehern und Erzieherinnen im Deutschen Qualifikationsrahmen, der 2013 in Kraft trat, im Kompetenzniveau einem akademischen Bachelorabschluss gleichgestellt wurde.
Ferner haben die Bundesländer eigene Bildungspläne für den Elementarbereich erlassen. In Baden-Württemberg wurde erst am Montag vor einer Woche der neue, gänzlich überarbeitete Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in Kindertagesbetreuung und Kindertagespflege öffentlich vorgestellt. Sie werden sich im Rahmen Ihrer Berufseinstiegsphase sicher noch intensiv mit diesem auseinandersetzen müssen.
Der Gemeinsame Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen, auf dem die Orientierungs-, Rahmen- oder Bildungspläne für den Elementarbereich in den einzelnen Ländern aufbauen, verzichtet bewusst auf eine Abgrenzung zwischen Bildung und Erziehung. Dort heißt es: „Der Bildungsprozess des Kindes umfasst alle Aspekte seiner Persönlichkeit. Bildung und Erziehung werden als ein einheitliches, zeitlich sich erstreckendes Geschehen im sozialen Kontext betrachtet.“ Zwischen den Zeilen ist die Warnung vor einer „Verschulung“ des Kindergartens herauszulesen. Vermieden werden soll ein Bildungsverständnis, wie es schulischer Didaktik zugrunde liegt, bei der die Auseinandersetzung zwischen Lernenden und Lehrenden immer primär über einen methodisch strukturierten Bildungsinhalt verläuft – Zitat: „Eine Fächerorientierung oder Orientierung an Wissenschaftsdisziplinen ist dem Elementarbereich fremd. Eine Beschreibung von Themenfeldern, in denen sich kindliche Neugier artikuliert, aber ist sinnvoll, weil sie die Angebote der Kindertageseinrichtung konkretisiert.“ In der Elementardidaktik soll sich der „Prozess der Weltaneignung“ vorrangig aus sozialen Situationen ergeben, also alltagsbasiert erfolgen. Bildung geschieht über die lern- und entwicklungspsychologisch angemessene Gestaltung von Beziehungen, Situationen, Zeiten und Räumen.
Doch dieser Bildungsanspruch von Kindertageseinrichtungen ist im Zuge des Fachkräftemangels unter Druck geraten: „Der Erziehungs- und Bildungsauftrag tritt in den Hintergrund, der Betreuungsauftrag in den Mittelpunkt“, formuliert der Bundesverband evangelischer Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik (BeA), dem auch unsere Fachschule angehört, in einem aktuellen Positionspapier mit dem sprechenden Titel: „Betreuung statt Bildung? – Ohne uns!“ Weiter heißt es: „Indem wir dafür einstehen, dass Bildung und Erziehung genuine Aufgaben von Kindertagesstätten bleiben, engagieren wir uns für zentrale Zukunftsaufgaben, die gesellschaftliche Entwicklung sowie ein humanes, friedvolles und gemeinwohlorientiertes Zusammenleben sichern.“
Im März dieses Jahres wurden die Forderungen der bundesweit mehr als fünfundfünfzig evangelischen Fachschulen, die sich im BeA zusammengeschlossen haben, im Rahmen einer Strategie 2030 und einer Ausbildungsoffensive Sozialpädagogik konkretisiert.
Wichtig ist uns dabei:
- Sie haben sich mit Ihrer Ausbildung, die Sie heute erfolgreich beenden, für einen anspruchsvollen Bildungsberuf entschieden. Das Berufsethos Pädagogischer Fachkräfte basiert darauf, dass Sie die Selbstbestimmungsfähigkeit und Mündigkeit der Ihnen anvertrauten Kinder fördern wollen.
- Diese Arbeit ist äußerst anspruchsvoll und verlangt nach einer hohen Fachlichkeit. Und sie ist eine wichtige gesellschaftliche Zukunftsaufgabe, die öffentliche Anerkennung verdient. Und diese Arbeit wird angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen nicht an Bedeutung abnehmen, sondern gewinnen.
- Die hohe Bildungs- und Erziehungskompetenz Pädagogischer Fachkräfte sichert die hohe Professionalität der Berufsgruppe, die Attraktivität Ihres Berufsbildes und das gesellschaftliche Ansehen.
- Das evangelische Bildungsprofil stärkt diese Anliegen. Religiöse Bildung ist ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung und fördert darüber hinaus interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen.
Dies alles dürfen auch Sie sich auf die Fahne schreiben, wenn Sie heute Ihr Abschlusszeugnis, Ihre staatliche Anerkennung und darüber hinaus auch den Titel eines „Bachelor Professional in Sozialwesen“ in Empfang nehmen. Bildung sichert Zukunft. Oder anders gesagt: Sie sichern Zukunft. Sie tragen entscheidend dazu bei, den Kindern ihr Recht auf Bildung und Erziehung zu sichern.
Dies gilt für Ihre konkrete berufliche Tätigkeit in Krippe oder Kindertagesstätte, Grundschulbetreuung oder Hort, Jugendarbeit oder Hilfen zur Erziehung. Dies gilt aber auch gesellschaftlich: Sie sind wichtige Botschafterinnen und Botschafter für den Bildungsauftrag Pädagogischer Fachkräfte – dort, wo Sie stehen: im Rahmen der Erziehungspartnerschaft mit den Eltern; in der Praxisanleitung, wenn Sie in zwei Jahren vielleicht selbst als Mentor oder Mentorin aktiv sein werden; im Rahmen Ihres Trägers, in der Kommunalpolitik, in Berufs- und Fachverbänden oder überhaupt in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit.