Zwischenruf: Was mit der Widerspruchslösung auf dem Spiel steht …

Was vor einigen Jahren im Bundestag scheiterte, soll jetzt über den Bundesrat kommen – jedenfalls wenn es nach dem Willen der Länderkammer geht: die Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz. Jeder soll demnach als potentieller Organspender gelten – oder aber er hat bereits zu seinen Lebzeiten widersprochen, ersatzweise dann noch seine Hinterbliebenen. Die Beweislast wird umgekehrt. Wer seinen Widerspruch nicht rechtssicher dokumentiert hat, dem wird die Verfügung über den eigenen Körper und den eigenen Sterbeprozess entzogen.

Anders als bei der aggressiven Coronaimpfnötigungspolitik, die wir erlebt haben, kommt dieses Mal Widerspruch aus der katholischen Moraltheologie. Andreas Lob-Hüdepohl, der seinerzeit deutlich für eine mindestens moralische Impfpflicht plädiert hatte, meldete in einem Interview mit der Zeitschrift „Publik-Forum“ deutliche Bedenken an einer Widerspruchslösung an. Organspende müsse immer eine freiwillige Entscheidung bleiben, es gehe um die Entscheidung über den eigenen Sterbeprozess. Eine derart freiheitliche Position hätte man sich vom Mitglied des Deutschen Ethikrates auch schon zu Coronazeiten gewünscht, als es um nicht weniger als gravierende Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit ging.

In beiden Fällen geht es um einen autoritären biopolitischen Neokollektivismus, bei dem der Staat sich Zugriff auf den innersten Kernbereich der Persönlichkeit, das Recht am eigenen Körper und am eigenen Sterbeprozess, anmaßt. Dahinter verbirgt sich ein mehr als verqueres Menschenbild: Der Staat will eine selbstbestimmte Entscheidung des Einzelnen erzwingen, indem er massiv in Grundrechte eingreift. Ein solches Machthandeln des Staates ist das Gegenteil von Selbstbestimmung. Schon in der Coronazeit wurde gegen Anstand und Logik gleichermaßen zu begründen versucht, dass Druck kein Zwang sei – selbst dann nicht, wenn die so zur Impfung Genötigten am Ende Arbeitsplatz, Bewegungsfreiheit und soziale Teilhabe verlieren sollten. Ein Staat, der so agiert, muss sich am Ende nicht wundern, wenn ihm kein Vertrauen mehr entgegebengebracht wird. Und wer Zwang sät, wird Entsolidarisierung ernten.

Organspende ist eine ehrenwerte Sache, für die es gute Argumente gibt, sie darf aber nicht erzwungen werden. Sie muss eine freie, selbstbestimmte moralische Entscheidung des Einzelnen bleiben. Der Zweck heiligt eben nicht jedes Mittel. Ein Rechtsstaat, der seine Bevölkerung zur Impfung mit einem allein notfallzugelassenen neuartigen Impfverfahren mit großer Eingriffstiefe, aber geringer Schutzwirkung zwingt, verliert seine Würde. Ein Rechtsstaat, der sich die freie Zustimmung der Einzelnen zu medizinischen Maßnahmen im Grenzbereich von Leben und Tod dadurch erschleicht, dass er Schweigen schon als eine solche deutet, ebenso.

Grundrechtsträger ist der Souverän, nicht der Untertan. Der freiheitliche Rechts- und Verfassungsstaat darf Anreize setzen, die Spendebereitschaft zu erhöhen, aber er darf nicht den freien Willen der Einzelnen außer Kraft setzen. Es verheißt nichts Gutes für künftige gesundheitspolitische Debatten, nicht zuletzt in den Grenzbereichen am Anfang und Ende des Lebens, wenn ein solches Staatsverständnis weiter um sich greift. Die bis heute nicht geheilte Spaltung der Gesellschaft durch eine freiheitsfeindliche, polarisierende Coronapolitik zeigt, was auf dem Spiel steht. Es geht um mehr als eine bloße Änderung des Transplantationsgesetzes. Es geht um unser Menschenbild und Staatsverständnis.

Hinterlasse einen Kommentar