Aus dem Institut für Christliche Sozialwissenschaften in Münster, der wichtigsten Forschungseinrichtung für katholische Sozialethik im deutschsprachigen Raum, gibt es ein neues Arbeitspapier: Es geht um „Global Health (Ethics)„. Aber wie so oft: Nichts Neues unter der Sonne. Es dreht sich mal wieder alles um Gleichheit. Freiheit kommt dann allenfalls noch als soziale, primär institutionell vermittelte und damit global gesteuerte oder sogar zugeteilte Freiheit vor.
Dabei gäbe angesichts der Debatten um den hochproblematischen Pandemievertrag der WHO und eine Aufarbeitung der freiheitsfeindlichen Coronapolitik aus freiheitsrechtlicher Sicht sozialethisch viel zu diskutieren. Doch Fehlanzeige! Mit dem geplanten Pandemievertrag wird nationaler Willensbildung und Entscheidungsfindung über gravierende Grundrechtseingriffe in biopolitischen Krisensituationen der Boden entzogen. Freiheitseingriffe werden zum Automatismus einer globalen Steuerungselite. Freiheit sieht anders aus, sollte im freiheitlichen Rechts- und Verfassungsstaat anders aussehen. Das vorliegende Arbeitspapier spricht gern von Menschenrechten, vor allem zuletzt dort, wo es um eine Kritik am Eurozentrismus geht. Freiheit und Menschenrechte bleiben am Ende aber reichlich abstrakt. Doch wo bleibt der Abstieg in jene Niederungen und dunklen Täler, die wir in den Coronajahren massiver, nicht selten reichlich schlampig begründeter Freiheits- und Grundrechtseingriffe ganz real erlebt haben? Ach, nein, zu konkret sollte es doch bitte nicht werden.
Selbst zaghafte Problemanzeigen wie der Hinweis auf „utilitaristische Anklänge“ in „Global Health Ethics“, die sich in den Coronadebatten mehr als deutlich – und nicht selten auf sehr platte Art – gezeigt haben, werden nicht aufgegriffen und sozialethisch näher reflektiert – so heißt es auf Seite 19 des Arbeitspapiers: „Global Health Ethics muss dabei – trotz oder gerade wegen der utilitaristischen Anklänge ihrer Ausrichtung auf ein zukünftiges Gesamtwohl – immer der Versuchung widerstehen, den Ansprüchen der aktuell Bedürftigen nicht genügend gerecht zu werden.“ Unverständlicher kann man nicht formulieren. Es soll wohl wissenschaftlich klingen, macht die Aussage aber nicht besser.
Es gibt viel, sehr viel aufzuarbeiten – an der deutschen und europäischen Coronapolitik, am Umgang mit volkswirtschaftlichen Ressourcen im Krisenfall oder am Verhalten großer Wissenschaftsorganisationen gegenüber einer freiheitsfeindlichen Corona- und Impfpolitik. Erinnert sei nur an die Preispolitik des Deutschen Hochschulverbandes, die maßgeblich die regierungsamtliche Linie gestützt hat, während zu den Freiheitseingriffen und gravierenden Grundrechtseinschränkungen andersdenkender, kritischer, vielleicht ungeimpfter Wissenschaftlerkollegen aus dem Verband nur dröhnendes Schweigen zu vernehmen war. Ein moralisches Versagen auf ganzer Linie. Doch die Bereitschaft zu ernstgemeinter Aufarbeitung und Aussöhnung ist nicht vorhanden, weder politisch noch wissenschaftlich. Allzu oft versteckt man sich hinter der billigen Ausrede, es hätten eben beide Seiten Fehler gemacht. Wer mit dem Strom schwimmt, darf auf Wissenschafts- und Freiheitspreise hoffen – in Coronazeiten genauso wie jetzt. Kritische Stimmen bleiben unbequem, werden ignoriert und totgeschwiegen. Es ist daher gut, dass die Coronapolitik bis heute nicht aus den aktuellen Wahlkämpfen verschwunden ist. Denn das, was in den Coronajahren geschehen ist, muss aufgearbeitet werden. Dies darf kein Testlauf für noch gravierendere Menschenrechtsübergriffe und Verletzungen der körperlichen Selbstbestimmung werden.