Die Lesung vom brennenden Dornbusch aus dem Buch Exodus ist ein Schlüsseltext für das biblische Gottesverständnis: Gott offenbart sich dem Mose im brennenden Dornbusch. Mose erhält eine Antwort, die das jüdisch-christliche Gottesverständnis entscheidend prägt: Gott ist nicht einfach in menschlichen Kategorien greifbar. Doch Gott ist auch nicht einfach ein abstraktes Prinzip, er hat eine Beziehung zu seinem Volk. Mit der Offenbarung an Mose beginnt die Befreiungsgeschichte des Auszugs aus Ägypten. Hier verbinden sich philosophisches und personales Gottesverständnis.
Der Erzvater Jakob hatte bei seinem Kampf mit Gott auf dieselbe Frage keine Antwort erhalten. Anders Mose: Dieser muss nicht mit leeren Händen zu seinem Volk zurückkehren. Er kann antworten: Der „Ich-bin“ hat mich zu euch gesandt.
Gott erhält einen Namen, doch dieser bleibt rätselhaft. Denn Gott lässt sich nicht einfach benennen wie irdische Dinge. Das „Ich-bin“ verweist auf das Wesen Gottes: Gott ist der Seiende, der Beständige, aber auch der Unverfügbare. Der Mensch muss mit Gott rechnen. Aber Gott ist da, wie und wann er will.
Dies ist die eine Seite. In dem rätselhaften Namen, den Mose erhält, steckt aber noch eine andere: Das Wesen Gottes bleibt nicht abstrakt, so wie die Philosophie davon spricht. Es gehört zum Wesen Gottes, dass er nicht nur ist, sondern dass er mit uns ist. Er ist zuverlässig für uns da. Und er ist der Einzige, für den das gilt, von Geschlecht zu Geschlecht, für alle Zeiten. Dies ruft uns Menschen in die Entscheidung. Wollen wir uns auf Gottes heilsame Nähe einlassen?
Als Getaufte glauben wir, dass sich die Idee des Gottesnamens „Ich-bin“ in Jesus Christus vollendet hat. In ihm tritt Gott dem Menschen als Person gegenüber – so sehr, dass Jesus von sich sagen kann: Ich bin das Licht der Welt. Ich bin das Brot des Lebens. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Was das Mit-Sein Gottes für uns bedeutet, hat sich in letzter Konsequenz am Kreuz gezeigt. Benedikt XVI. kann daher in seiner Jesustrilogie formulieren: „Der brennende Dornbusch ist das Kreuz.“ Am Kreuz erweist Gottes Liebe ihre äußerste Kraft, die den ganzen Menschen umgreift und verwandelt – vom Tod zum Leben.
Die Gedanken werden in einem Gottesdienstmodell für den Dritten Sonntag der Österlichen Bußzeit näher ausformuliert:
Axel Bernd Kunze: Dornbusch und Kreuz [Lesejahr C. Dritter Sonntag der österlichen Bußzeit], in: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen 19 (2022), H. 2, S. 261 – 276.