Video caelos apertos, et Iesum stantem a dextris virtutis Dei. Alleluia.
(aus der Liturgie am 26. Dezember)
Liebe Leser und Leserinnen meines Weblogs,
herzlichen Dank für alle Verbundenheit im zu Ende gehenden Jahr und für Ihre Interesse an meinem bildungsethischen Weblog. Ich freue mich, wenn wir die bildungsethische Debatte auch im neuen Jahr gemeinsam fortsetzen.
Dieses Mal möchte ich meinem Weihnachtsgruß einige Gedanken zum zweiten Weihnachtstag beifügen. Bereits seit dem vierten Jahrhundert feiert die Kirche an diesem Tag den heiligen Erzmärtyrer Stephanus. Weil sein Fest in die Weihnachtsoktav fällt, wird er auch als einer der „Begleiter Christi“ bezeichnet.
Gesegnete, friedvolle Weihnachtstage sowie alles Gute, Wohlergehen und Gottes Segen für das neue Jahr!
„Gerade einmal ein Tag und eine Nacht – und die Weihnachtsidylle ist wie weggeblasen. Ein neues Kapitel bricht in den heutigen Lesungen für das junge Christentum an: Die Steinigung des Stephanus ist Auftakt für die Verfolgung und Zerstreuung der Jerusalemer Urgemeinde.
Weitere Verfolgungen werden folgen, bis in unsere Tage. Papst Johannes Paul II. schrieb vor der Jahrtausendwende: „In unserem Jahrhundert sind die Märtyrer zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam ‚unbekannte Soldaten‘ der großen Sache Gottes.“ Ein Ende ist nicht abzusehen. Das Christentum sei die am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft weltweit, urteilen Nichtregierungsorganisationen. Das Hilfswerk „Open Doors“ spricht von rund 160 Millionen verfolgten Christen; in 69 Ländern seien sie Bedrohungen oder Benachteiligungen ausgesetzt.
Schon die Evangelien sprechen von Verfolgungen, mit denen die Anhänger Jesu zu rechnen haben. […] Nach der Apostelgeschichte war der Diakon Stephanus der erste, der seinen Glauben sogar mit dem Leben bezahlte. Was zunächst wie ein geordneter Prozess beginnt, gerät außer Kontrolle. Falsche Zeugen heizen die Stimmung an, bis zum Lynchmord.
Stephanus verteidigt sich in einer glänzenden Rede, welche die Wut seiner Gegner nur noch mehr anstachelt. Ausgehend von den Patriarchen, zeigt er auf, wie die Heilsgeschichte Israels auf Jesus zuläuft. Nicht mehr Gesetz und Tempel sind entscheidend. Gottes Heiligkeit offenbart sich in einer Person, in der Gott selbst Mensch wurde. Immer wieder hat sich Israel gegen Gott aufgelehnt und sein Gesetz missachtet. Am Ende konnte selbst Jesus sich der Verwerfung nicht entziehen.
Hier zeigt sich das entscheidende Kennzeichen eines christlichen Martyriums: Es gründet in einer Beziehung. Der Märtyrer stirbt nicht für eine bestimmte Weltanschauung oder eine abstrakte Idee. Der Märtyrer stirbt für Jesus Christus, der schon vorweg für ihn gestorben ist. Das Martyrium ist die stärkste Form des Zeugnisses, die der Christ ablegen kann. Der Märtyrer gibt sich selbst und wird dadurch Christus ähnlich, der die Freiheit besaß, sich selbst ganz am Kreuz hingeben zu können – für das Heil der Menschen. Jesus ist in seinem Zeugen gegenwärtig. Sein Geist ist es, so sagt es Matthäus, der in der Stunde der Entscheidung aus dem Märtyrer spricht.
Der heilige Augustinus nennt die Märtyrer „Fürsten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe“. Das Martyrium bezeugt den Glauben an Gott, der die Kraft hat aus dem Tod zu retten. Wer in der Taufe mit Christus gestorben ist, weiß, dass er auch mit ihm auferstehen wird. Gegen die Gefahr, angesichts der Unausweichlichkeit von Gewalt zu resignieren, verkörpert der Blutzeuge die Hoffnung, dass Sünde und Gewalt nicht das letzte Wort in der Geschichte haben werden. Dem gewalttätigen Nein der Menschen stellt er den Tod Christi entgegen: So wie Christus am Kreuz übereignet er sich der offenbarenden Liebe Gottes und stellt Gott restlos sein Leben zur Verfügung.
Das Martyrium provoziert: nicht allein die Verfolger, die durch die Bereitschaft zur Ganzhingabe in Frage gestellt werden. Indem es den unbedingten Anspruch der Sache Jesu bezeugt, bleibt das Martyrium auch eine Anfrage an die Kirche und an jeden Einzelnen von uns.
Auch wir sind dazu berufen, treu zu Jesus Christus zu stehen und den Glauben an ihn zu bezeugen. […] Zeugnis beginnt im Alltag. Dort sollen wir Zeugnis ablegen von der Hoffnung, die uns erfüllt. Es liegt an uns, ob andere vom Evangelium erfahren oder ob wir den Schatz des Glaubens verstecken – aus der Angst heraus, aufzufallen, anzuecken, ausgelacht zu werden, als intolerant zu gelten oder auch als ewiggestrig.“
(Auszug aus: Axel Bernd Kunze, in: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen, 17. Jg., Heft 6/2020)