Kommentar: Verbeamtete Lehrer – „Unfug“ oder Garanten eines handlungsfähigen Staates?

Das Bundesverfassungsgericht muss darüber entscheiden, ob verbeamtete Lehrer weiterhin einem Streikverbot unterliegen sollen. Im Hintergrund der Klage steht eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – und damit die Frage, ob Deutschland sein Beamtenrecht im Zuge der europäischen Einigung anpassen muss. Die Kläger führen an, dass ein Streikverbot nur dann gelten dürfe, wenn Beamte – wie etwa Polizisten – im Namen des Staates Zwang anwendeten.

Einmal mehr zeigt sich, dass über die Frage, was eine hoheitliche Tätigkeit ist, keine Einigkeit besteht, weder juristisch noch politisch oder gesellschaftlich. Heike Göbel hat in der F.A.Z. vom 18. Januar 2018 der deutschen Tradition, Lehrer zu verbeamten, recht platt das Etikett „Unfug“ umgehängt, verbunden mit der Unterstellung, die Verbeamtung verhindere Motivation und Leistungsbereitschaft in der Lehrerschaft.

Wer den Staat nur noch als Agentur betrachtet, die private Bedürfnisse befriedigt und für ein glückliches Leben zu sorgen habe, mag sich vielleicht schwer vorstellen, dass Lehrer Aufgaben von hoheitlicher Qualität ausführen. Dies gilt erst recht für Deutschland, in dem das Bildungs- und Berechtigungswesen eng miteinander verflochten sind. Lehrer vergeben formale Bildungszertifikate. Zum einen nehmen sie damit nicht unerheblich Einfluss auf den Lebensweg des Einzelnen; dies wird schnell deutlich, wenn Eltern Leistungsbeurteilungen ihrer Sprösslinge mit dem Rechtsanwalt zu Fall bringen wollen. Zum anderen übernehmen sie Gewähr dafür, dass bestimmte Berufe nur von jenen ergriffen werden können, die auch die notwendige Qualifikation mitbringen. Lehrer können diese Aufgaben nur dann angemessen ausfüllen, wenn sie vor Einflussnahme von außen geschützt sind und ein hohes Maß an pädagogischer Freiheit genießen. Die Verbeamtung ist hier nicht der schlechteste Weg.

Immer häufiger, so auch in diesem Fall, sollen überkommene Traditionen ohne erkennbare Not über Bord geworfen werden. Die Frage nach einem handlungsfähigen Staat tritt in den Hintergrund. Wir sollten diese Frage nicht erst dann stellen, wenn angestellte Lehrer demnächst tatsächlich in Prüfungsphasen einmal streiken werden.

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