Neuerscheinung: Gottesdienstmodell zum Erntedankfest

Axel Bernd Kunze: Herz des Evangeliums [Lesejahr C. Erntedank], in: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen 22 (2025), H. 5, S. 859 – 873.

Das Erntedankfest wird im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz in der Regel am ersten Sonntag im Oktober gefeiert. Es kann in Gemeinden aber auch Ende September oder, wo die Ernte noch nicht abgeschossen ist, an einem der folgenden Sonntage begangen werden. Zum Brauchtum dieses Tages gehören Erntedankprozessionen, das Schmücken der Kirche mit einer großen Erntekrone, Erntedankteppiche aus Feldfrüchten und Getreide vor dem Altar und die Segnung der Erntegaben. In schlichter Form können Brot und Weintrauben auf oder vor dem Altar stehen. Im sonntäglichen Gottesdienst an diesem Tag sagt die Gemeinde Gott als dem Schöpfer aller Gaben Dank für die Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit des Jahres, das sich herbstlich dem Ende zuneigt. Da das Erleben des Erntedankfestes in vielen Kindergärten ein zentrales Element im Jahreskreis darstellt, werden vielfach die Kinder in die Gestaltung des Erntedankgottesdienstes einbezogen. Wo das Erntedankfest gefeiert wird, werden die liturgischen Texte nicht vom jeweiligen Sonntag genommen, sondern passend zum Erntedank ausgewählt.

Gebet zum Erntedankfest:

Lasset uns beten. – Gott, unser Schöpfer, du gibst uns Nahrung, wie es recht ist. Du segnest unsere Arbeit und unser Tun. Darauf dürfen wir vertrauen. Wir danken dir heute für die Früchte dieses Jahres, für alles, was wir mit deiner Hilfe durch unsere Arbeit geschaffen haben. Segne die Ernte dieses Jahres, segne das, was uns gelungen ist. Nimm aber auch das an, was unvollendet geblieben ist, und wandle es in Segen. Darum bitten wir durch deinen Sohn, Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist uns Leben schenkt heute und bis in Ewigkeit. Amen.

Ein Gruß zum Schuljahresende

„Geschafft!“, werden vielleicht viele von Ihnen sagen, zumal nach den mitunter doch sehr heißen Tagen in diesem Frühsommer: Geschafft – ein weiteres Schuljahr, ein weiteres Ausbildungsjahr. Jetzt dürfen wir loslassen, ausruhen, neue Kraft schöpfen, die Zeit einmal anders nützen als mit Klassenarbeiten und Korrekturen, Arbeitsblättern und Arbeitsaufträgen, Gruppenarbeiten und pädagogischen Konzepten … Wir dürfen aber auch in aller Gelassenheit all das loslassen, was uns vielleicht in diesem Schuljahr nicht geglückt ist, wo wir uns selbst oder anderen gegenüber etwas schuldig geblieben sind – damit wir wieder frei werden für die nächsten Schritte, die auf uns warten. Das Gelungene, aber auch das Unvollendete dieses Schuljahres dürfen wir am Ende dieses Gottesdienstes getrost unter den Segen Gottes stellen.

Ich wünsche allen – Schülerinnen und Schülern, Kolleginnen und Kollegen – und Ihren Angehörigen gute, erholsame, ja, gesegnete Sommerferien, damit wir alle das neue Schuljahr mit neuem Elan und neuer Kraft starten können.

(aus einem Schulleitungsgrußwort zum Schuljahresende 2024/25)

Veranstaltung: Marsch für Märtyrer

Der Verein Selige Märtyrer von Dachau e. V. freut sich, heuer wieder zusammen mit Kirche in Not zum Marsch für Märtyrer einladen zu können.

Am Samstag, 27.09.2025, geht es um 11:00 Uhr am Dachauer Bahnhof los.

Diesmal wird Frau Monika Kaiser-Haas, die Nichte des seligen Karl Leisner, mitgehen und in der Andacht in der Todesangst-Christi-Kapelle sprechen, ebenso Herr Gunter Geiger von der Katholischen Akademie in Fulda.

Herzliche Einladung daher auch an alle, die nicht so viel Zeit haben oder beim Marsch nicht dabei sein können, zur Andacht um ca. 13:30 Uhr  und zur Abschlussmesse um ca. 14:00 Uhr in der Todesangst-Christi-Kapelle auf dem Gelände der Gedenkstätte des KZ Dachau.

Rezension: Sprachliches Gendern – ein Kulturkampf?

Ingo von Münch: Gendersprache: Kampf oder Krampf?, Berlin: Duncker & Humblot 2023, 93 Seiten.

Netzwerk Wissenschaftsfreiheit e. V. (Hg.): Jahrbuch Wissenschaftsfreiheit, 2. Band, Berlin: Duncker & Humblot 2025, 251 Seiten.

Wenn von „geschlechterneutraler“, „gendergerechter“ oder „gendersensibler“ Sprache die Rede ist, wird unausgesprochen eine Prämisse vorausgesetzt, die bereits mehr als fraglich ist. Gendersprache ist nicht neutral, sondern fußt auf ganz bestimmten partikularen Annahmen, etwa queertheoretischen oder radikalkonstruk­tivistischen Theorien, wie sie etwa von der Philosophin Judith Butler und ihrer Schule vertreten werden. Für den radikalen Konstruktivismus liefert Wahrnehmung nicht das Bild einer bewusstseinsunabhängigen Realität. Vielmehr ist Realität eine letztlich individuelle Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung. Jede Wahrnehmung sei vollständig subjektiv. Dies gelte auch für die Konstruktion von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Geschlechterverhältnissen.

Gendersprache besetzt den öffentlichen Raum einseitig durch radikalkonstruktivistische Theoriebildung; gegen linguistische Erkenntnisse werden grammatikalisches und biologisches Geschlecht ineinsgesetzt. Der liberale Kultur- und Verfassungsstaat und seine Institutionen, etwa Bildungseinrichtungen oder Verwaltungen, dürfen nicht einseitig Partei ergreifen oder sogar sprachwissenschaftliche Argumente gänzlich ignorieren. Die unausgesprochenen und unaufgearbeiteten Prämissen, die mit einer administrativ durchgesetzten Gendersprache transportiert werden, überwältigen.  Sprache, die allen gehört, wird durch das Gendern politisiert und moralisiert. Wer anderer Meinung ist, wird ausgegrenzt.

Gerechtigkeit im sozialen Zusammenleben schöpft aus der polaren Spannung von Freiheit und Gleichheit. Wo der freie Sprachgebrauch und der freie Diskurs über konkurrierende Theoriebildung hingegen beschnitten wird, kann auch nicht mehr von Gerechtigkeit gesprochen werden.

I.

Mit der Diskussion um sprachliches Gendern ist Sprache ist zum Kampfplatz geworden – oder anders gesagt: Ein Kulturkampf ist entbrannt. Für die einen ist Gendersprache eine Frage der Gerechtigkeit, für die anderen eine Ideologie. Die einen sprechen von üblichem Sprachwandel, die anderen von repressiven Praktiken, mit denen über Sprache Gesinnung gesteuert werden soll. Für die einen geht es um ein zeitgemäßes Mittel der Gleichstellung, für die anderen um eine zwangsweise Umerziehung der Gesellschaft.

Kampf oder Krampf?, fragt Ingo von Münch in einem schmalen Bändchen und geht den Hintergründen der sprachlichen Polarisierung nach. Der Band ist allen zu empfehlen, die unvoreingenommen nach Antworten suchen, warum das Thema so umkämpft. Ingo von Münch hält mit seiner Position nicht hinter dem Berg. Der behauptete Sprachwandel sei ein Märchen, das generische Maskulinum sei nicht mit dem männlichen Geschlecht zu verwechseln. Weniger rigoros urteilt er bei der Auflösung personaler Ausdrücke in nichtpersonenbezogene Substantive – etwa bei Umbenennung der Fachzeitschrift „Der Chirurg“ in „Die Chirurgie“.

Doch gibt es – auch wenn von Münch dies anders sieht – durchaus gute Gründe, einer solchen sprachlichen Veränderung zu widersprechen. Was hier passiert, ist eine Entpersonalisierung der Sprache und in der Folge eine Entindividualisierung oder ein Verlust an Auktorialität. Die vom Autor angeführte Umbenennung der Zeitschrift „der Architekt“ in „Die Architekt“ kann nur noch als sprachliche Umweltverschmutzung bezeichnet werden – oder mit anderen Worten: als Kulturbruch. Dasselbe gilt für das Beispiel von „Zeitzeug*innengesprächen“, das von Münch anführt – soll aus Personen wirklich Zeug werden?

Mit der Sprache steht ein hohes Kulturgut auf dem Spiel, das – wie von Münch zu Recht sagt – uns allen gehört. Mit Spräche spielt man nicht, möchte man sagen. Denn ohne gemeinsame Sprache verliert eine Sprachgemeinschaft ihre Sprachfähigkeit, verliert ein Gemeinwesen seine Identität. Das Gendern spaltet, politisiert und moralisiert die Sprache, wie der Autor aufzeigt und erweist dem Ziel der Chancengleichheit eher einen Bärendienst. Die Forderung nach sprachlichem Gendern gehört aufgrund seiner radikalkonstruktivistischen Bezüge auch nicht zu den Themen des klassischen Feminismus, der an einem solchen ideengeschichtlichen auch gar keine Interesse haben kann, wenn er sich selber ernstnimmt.

Das Fazit aus seinen Überlegungen fasst von Münch am Ende in zehn Thesen zusammen. Die zehnte und längste These am Schluss klingt wie ein Friedensangebot: Wem die Debatte um Kampf oder Krampf des Genderns gleichgültig sei, der könne das Gendern tolerieren. Die anderen müssten aktiv werden, wobei Widerstand jeder in höflicher Form selbst leisten könne, wenn von ihm Gendersprache verlangt werde. 

Doch Vorsicht: Hierbei handelt es sich um eine Pseudotoleranz. Wo strukturell Druck, Repression und Zwang aufgebaut werden, reicht es nicht aus, den Widerstand zu individualisieren – dann muss dieser Widerstand politisch geführt werden. Denn es geht um strukturelle, gesetzliche, berufliche Strukturen, die unser Zusammenleben deutlich verändern.

II.

Auf ähnlicher Linie liegt auch der Philosoph Franziskus von Heeremann, der im zweiten Band des Jahrbuches Wissenschaftsfreiheit zwar deutliche Bedenken gegenüber dem sprachlichen Gendern anmeldet, am Ende dann aber doch mehr oder weniger die verschiedenen Ansichten nebeneinander stehenlassen will. Wer meine, damit die Welt zu verbessern, solle so reden. Wer meint, Sprache solle mehr der Einheit dienen, als die Unterschiedlichkeit betonen, solle es lassen. Doch Feuer und Wasser vertragen sich nicht. Und richtig: Von Heeremann spricht letztlich nur von privaten Kontexten, in denen keine institutionelle Verpflichtung vorhanden sei. Wie der Einzelne allerdings verfahren soll, wenn er sich institutionellem Druck beugen soll (und dieser kann beruflich, schulisch, wissenschaftlich durchaus sehr heftig sein), dies aber nicht will, lässt von Heeremann offen.

Die Verkehrssprache ist niemals privat, sie ist und bleibt ein gemeinsames Kulturgut, das gepflegt werden will. Und dieses sollten wir freihalten von Partikularismen, erst recht von solchen ideologischer oder parteipolitischer Art. Wenn von Heeremann am Ende seines Aufsatzes ein Zuviel an Polarisierung, Hader und Zwist im öffentlichen Diskurs beklagt, dann liegt gerade hier die Ursache dafür.

„Muss jede*r so sprechen?“, fragt von Heeremann mit dem Titel seines Aufsatzes – und verneint dies. Stärker als von Münch untermauert von Heeremann seine Position mit linguistischen Argumenten. Wie die verschiedenen Argumente wider das Gendern strategisch in die gesellschaftliche Breite getragen werden können, zeigt im selben Band des Jahrbuches Wissenschaftsfreiheit Jan Wirrer, Professor im Ruhestand an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, auf – im Wechselspiel mit einer Journalistin entstanden ein fachliches Arbeitspapier, das dann in eine allgemeinverständliche journalistische Form gebracht wurde.

Für das Jahrbuch wertet Wirrer die Reaktionen aus, die auf den Beitrag in der „Neuen Westfälischen“ eingegangen sind. Dabei zeigen sich – etwa in Leserbriefen – ähnlich gegensätzliche Positionen, wie sie auch von Münch gebündelt aufführt. Seiner Disziplin entsprechend, kommentiert Wirrer die Reaktionen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive und zeigt dabei auf, wie Gendersprache nicht zu mehr Klarheit, sondern sprachlicher Entdifferenzierung führt.

Am Ende ordnet er das Thema in die Debatte um „Political Correctness“ ein und bietet auch Raum für die Argumente der Befürworter sprachlichen Genderns. Sein Fazit am Ende fällt deutlich aus: Was mit dem Anspruch hoher Moral daherkommt, erweise sich bei genauerem Hinsehen als oberflächliches Moralisieren. Sollte Wirrer damit Recht haben, wäre dies ein wichtiges Argument, die Debatte nicht einfach laufen zu lassen. Denn sprachliche Differenzierung, eine repressionsfreie Sprachkultur und der Erhalt eines zentralen Identitätsmerkmals der Kulturnation wiegen schwerer gegenüber persönlichen Vorlieben der Einzelnen oder moralisierenden Einmischungen.

Beide vorgestellten Bände vermitteln, auch wenn man nicht in allen Wertungen den Autoren zustimmen mag, einen sehr guten Einblick, warum die Wellen beim Thema Gendersprache so hoch schlagen – und dies nicht ohne Grund: Denn es steht einiges auf dem Spiel.

Axel Bernd Kunze (Rez.)

Rezension: Weimar – mehr als ein Erinnerungsort. Ein Kraft- und Ideenort bis heute

Helge Hesse: Ein deutsches Versprechen. Weimar 1756 – 1933, Ditzingen: Philipp Reclam jun. 2023, 283 Seiten.

Marita Lanfer: Säen bei Nacht. Der Deutsche Widerstand als Auftrag zur Erziehung, Bad Schussenried: Gerhard Hess 2021, 467 Seiten.

Wenn eine Stadt zu Recht den Titel „Kulturstadt“ trägt, dann wird man dies sicher über Weimar sagen dürfen. Die Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach hat wie keine andere deutsche Stadt die Kulturgeschichte in einer Dichte geprägt, die nahezu einmalig und im Stadtbild noch heute sichtbar ist. Von den Hauptvertretern der Weimarer Klassik – Goethe, Schiller und Herder – bis zum Bauhaus. Man darf mit Fug und Recht auch noch Eisenach dazu nehmen, das 1741 dem Herzogtum Sachsen-Weimar vertragsgemäß zufiel und mit der historisierend wiederaufgebauten Wartburg, den Bach- und Lutherstätten, seinen ausgedehnten Gründerzeitvierteln und dem Burschenschaftsdenkmal gleichfalls auf bis heute sichtbare Weise die deutsche Nationalkultur repräsentiert – und mit dem Mahnmal für das protestantische Entjudungsinstitut wie Weimar ebenfalls den Kulturbruch von 1933 mitträgt.

Der Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler Helge Hesse nimmt seine Leser auf eine faszinierende Reise durch die Kultur-, Ideen- und Geistesgeschichte Weimars mit – bis zum Zivilisations- und Kulturbruch von 1933, der sich im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar manifestierte. Damit endet der historische Durchgang – eine Entscheidung des Autors, die plausibel ist. Dennoch wäre möglicherweise ein Schlusskapitel zum Fortwirken des „deutschen Versprechens“ von Weimar und dem Umgang damit in der DDR wie in der Bundesrepublik wünschenswert gewesen. Noch heute ist das DDR-Erbe in Gestalt seiner Architektur unmittelbar neben dem Deutschen Nationaltheater, dem Gründungsort der Weimarer Republik, deutlich im Stadtbild sichtbar.

Das Buch ist jedem zu empfehlen, der sich auf einen Besuch Weimars vorbereiten will. Aber es geht um mehr als einen Reiseführer für Kulturbürger. Der geistes- und ideengeschichtliche Durchgang durch die Jahre von 1756 bis 1933 zeigt, wie wichtig die Pflege der kulturell-moralischen Grundlagen für die geistige Vitalität, intellektuelle Tiefe und prägende Ausstrahlungskraft eines Gemeinwesens ist. Hesse beginnt seinen historischen Durchgang mit Anna Amalia aus dem Hause Braunschweig-Wolfenbüttel und der Zeit des jungen Herzogs Carl August. Es folgen Kapitel zu Goethe, Schiller sowie Maria Pawlona und Schopenhauer und dann Liszt. Mit Graf Kessler und van de Velde tritt Weimar in die Moderne ein, das Schlusskapitel widmet sich der Epoche des Bauhauses. Ein Personenregister zum schnelleren Auffinden einzelner Episoden fehlt leider.

Historische Fehler trüben den Lesefluss nur geringfügig. So ereignete sich die Heidelberger Spargelaffäre, die den Nationalsozialisten als äußerer Anlass für das Verbot der studentischen Korporationen diente im Kreis des Corps Saxo-Borussia, auch wenn Hesse diesem Ereignis einen burschenschaftlichen Hintergrund gibt. Hesse erwähnt das Wartbugfest, geht aber auf studentengeschichtliche Bezüge in seinem Band nicht weiter ein. Dabei lohnte es sich durchaus, zu fragen, inwiefern das liberale Klima in den thüringischen Fürstentümern auch die Entwicklung der spezifischen Form des deutschen Couleurstudentums begünstigt hat; immerhin liegen die Wurzeln nicht weniger Korpoationsverbände, wie Orte wie Eisenach, Sondershausen, Schwarzburg oder Jena bezeugen, gerade hier in Mitteldeutschland.

Auch gelingt es Hesse nicht, die nationalsozialistische Vergangenheit Weimars in ideengeschichtliche Zusammenhänge einzuordnen. Als Beispiel sei Johannes Itten genannt, den Hesse als Esoteriker kennzeichnet. Wer das Bauhausmuseum in Weimar besucht, erfährt zumindest am Rande, dass sich schon der am Bauhaus lehrende Meister – ein Anhänger der Mazdaznanlehre, eines reformierten Zarathustrismus – mit der damals noch jungen Rassetheorie beschäftigte. Diese war keine „Erfindung“ der Nationalsozialisten, und Itten keineswegs der Einzige seiner Zeit, der sich für deren  vermeintlich „wissenschaftliche“ Thesen interessierte – Hesse erwähnt dieses Interesse des Kunsttheoretikers Itten nicht (nur am Rande sei erwähnt, dass gegenwärtig erneut über rassetheoretische Bezüge im Denken des jungen Joseph Beuys diskutiert wird). Solche Bezüge auszuleuchten, hätte es etwas mehr Tiefenschärfe gebraucht; die Kulturgeschichte der Moderne lässt sich nicht allein im Gegensatz zur nationalsozialistischen Diktatur erzählen, was die brutale Bilderstürmerei der nationalsozialistischen Kulturpolitik in Thüringen gegen das Bauhaus keineswegs rechtfertigt.

Zustimmen mag man dem Autor, wenn er in einem knapp gehaltenen Ausblick schreibt: Weimar habe vor allem dann Ausstrahlungskraft besessen, wenn es mit der eigenen Identität nicht haderte und gerade deshalb auch offen sein konnte für die Begegnung mit anderen Identitäten und Anregungen von außen (Weimar zog Persönlichkeiten wie Franz Liszt, Henry van de Velde oder Wassily Kandinski an). Dies wäre jeder Kulturpolitik zu wünschen, und zwar jenseits üblicher Sonntagsreden. Daher bleibt zu hoffen, dass das humanistische Versprechen der kleinen thüringischen Residenzstadt auch heute und künftig ausstrahlt und Weimar weiterhin ein „bedeutender Kraft- und Ideenort“ (Hesse, S. 276) – so Hesse – bleibt.

Ein Land braucht solche Kraft- und Ideenorte, gerade in seinen dunklen Stunden. Und an dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf  Marita Lanfers Band „Säen bei Nacht“, in Anlehnung an eine Formulierung des Jesuitenpaters Alfred Delp, der dem Kreisauer Kreis angehörte. Die Lehrerin fragt nach jenen ideellen Kraftorten, aus denen Mut zum Widerstand erwachsen kann: „Es war auch diese tiefe Verwurzelung in Familie, Heimat und Volk, aus der den Widerstandskämpfern die sittliche Verpflichtung erwuchs, sich bis zur Hingabe ihres Lebens für die Heimat einzusetzen, die sie die ihre nennen konnten“ (Laufer, S. 436). Hier ist sie wieder zu spüren: die eigene Identität, die nicht mit sich selbst hadert. Dabei geht es um eine Verwurzelung, die sich nicht von aktueller politischer Rhetorik täuschen lässt: „Der Nationalsozialismus schien ursprünglich zwar gerade die Ideale von Volk und Heimat hochzuhalten und neu ins Recht zu setzen. Doch das sie jetzt rassisch vergötzt und in ihrem Namen die Achtung anderer Völker und ihrer Heimat mit Füßen getreten wurde, war Verrat von dem, was Verwurzelung ausmachte, und stellte sie infrage“ (ebd.).

Dieser Wurzelgrund muss gepflegt werden, braucht einen Nährboden. Für Lanfer heißt dies: die Bereitschaft der älteren Generation, den Auftrag zur Erziehung anzunehmen; die Bereitschaft, als lebendiges Vorbild zu wirken; die Kraft positiver Leitbilder nicht zu leugnen und den Mut, einen autoritativen Erziehungsstil zu pflegen und Leistungsbereitschaft zu fördern – und, davon ist Lanfer überzeugt, die Weitergabe des Glaubens als Grund jeder Resistenz. Keinem der Widerstandskämpfer, so Lanfer, waren der Mut zur Verantwortung und zum Einstehen für ihre Überzeugungen in die Wiege gelegt, sondern mussten reifen – durch Erziehung und Selbsterziehung: „Zur Selbsterziehung den Grund gelegt zu haben, ist vielleicht die schönste Frucht erzieherischer Arbeit“ (Lanfer, S. 460). Erziehung beinhaltet ebenfalls ein humanes Versprechen, und zwar das Versprechen, dem anderen etwas zuzutrauen

Dass es dabei nicht um Rückwärtsgewandtheit geht, sondern um einen Konservatismus im besten Sinne der Bewahrung tragender Orientierungswerte, der gleichzeitig für Neues offen ist, macht Lanfer am Beispiel des Widerstandskämpfers und Reformpädagogen Adolf Reichwein deutlich. Der junge Akademieprofessor und Sozialdemokrat wurde 1933 zwangsenthoben und entwickelte in der brandenburgischen Provinz von Tiefensee eine eigene Reformschule, die verschiedene Stränge der Reformpädagogik miteinander verband. Im Kreisauer Kreis galt Reichwein, der 1944 – verraten durch einen Spitzel – im Zuge der Schauprozesse nach dem gescheiterten Hitlerattentat hingerichtet wurde, als Kultusministerkandidat in einer Regierung nach Hitler. Sein pädagogisches wie politisches Denken war stark durch die Ideale der Jugendbewegung geprägt: „Bei der Herausbildung der Jugend, die Reichwein zur Berufung wurde, ging es ihm nicht nur um Wissensvermittlung und Verstandesschulung, sondern um die Erziehung des ganzen Menschen, um Wertevermittlung und Charakterbildung. Hier zeigt sich Reichweins Beeinflussung durch die Jugendbewegung ebenso wie in seiner Bereitschaft, Andersdenkende zu akzeptieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Mit dieser Einstellung konnte er einen wichtigen Beitrag innerhalb des Kreisauer Kreises leisten, der sich vor der Aufgabe sah, die teils stark divergierenden Auffassungen und Visionen seiner Mitglieder einander anzunähern“ (Lanfer, S. 200).

Axel Bernd Kunze (Rez.)

Rezension: Kinderrechte im Kontext Schule

Adolf Bartz, Katharina Gerarts, Lothar Krappmann, Claudia Lohrenscheit (Hgg.): Praxis der Kinderrechte an deutschen Schulen. Eine Zwischenbilanz (Kinderrechte und Bildung; debus Pädagogik), Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag Dr. Kurt Debus 2023, 380 Seiten.

Manfred L. Pirner, Michaela Gläser-Zikuda, Michael Krennerich (Hgg.): Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule (Wochenschau Wissenschaft), Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag Dr. Kurt Debus 2022, 327 Seiten.

Wie steht es um die Kinder- und Menschenrechte in der Schule? Zwei Bände aus dem Frankfurter Wochenschau-Verlag versuchen eine Bilanz.

Der Band aus der Reihe „Kinderrechte und Bildung“ stellt vor allem die Beteiligungsrechte von Schülern und Schülerinnen in den Mittelpunkt. Die Zusammenstellung bietet eine anschauliche Sammlung von Praxisbeispielen, einschließlich eines Materialanhangs für die konkrete Umsetzung der Kinderrechte im Kontext Schule. Hier schreiben Lehrkräfte, Studienleiter, Schulleiter … Und das ist wichtig: Denn wie eine beteiligungsorientierte Praxis in der Schule umgesetzt werden kann, ist nicht aus der Menschenrechtstheorie abzuleiten. Deren Erkenntnisse müssen vielmehr pädagogisch rekontextualisiert werden. Und hierfür ist der Blick der Schulpädagogik und Didaktik wichtig, aber entscheidend auch die Stimme der pädagogischen Praxis.

Der Band von Manfred Pirner, Michaela Gläser-Zikuda und Michael Krennerich weitet den Blick, indem er – in jeweils getrennten Teilen des Bandes – die Schutz-, Förder- und Partizipationsrechte von Kindern und Jugendlichen gleichermaßen thematisiert und fragt, was daraus für eine kinderrechtsgemäße Schul- und Unterrichtskultur folgt. Der Band dokumentiert eine Tagung des Center for Human Rights (CHREN) und des Kompetenzzentrums für Schulentwicklung und Evaluation (KSE) der Universität Erlangen-Nürnberg, des Regionalbüros Nürnberg des Deutschen Schulpreises und der Deutschen Schulakademie sowie der Wissenschaftlichen Arbeitsstelle Evangelische Schulen (WAES) in Hannover und des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg. Wichtig für die Umsetzung der Kinderrechte im schulischen Kontext ist – wie das Fazit am Ende des Bandes andeutet –, dass deutlich unterschieden ist, wer in diesem Rahmen jeweils welche Aufgaben hat. Dies wird nur im gemeinsamen Miteinander von Schulpraxis, Politik und Wissenschaft gelingen.

Rezension: KI und Transhumanismus – Zentralthemen des neuen Pontifikats?

„Vatikanastrologen“ erwarten für den ersten Herbst des neuen Pontifikats zahlreiche Entscheidungen und Weichenstellungen. Eine Frage, die medial diskutiert wird, lautet: Wird Papst Leo XIV. die Themen KI und Transhumanismus zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit machen? Und wenn ja: Wie wird er – in der Tradition seines Vorgängers Leo XIII. – diese Themen als neue Herausforderungen der Sozialen Frage heute deuten? Und wie wird er darauf reagieren?

Wer nach einer dezidiert christlichen Antwort auf den Transhumanismus sucht, wird bei Susanne Hartfiel fündig. Die Autorin ist Sozialwissenschaftlerin und Sozialpädagogin, sie studierte in Bremen, Siegen und an der Syracuse University in den USA. Ausdrücklich spricht sie von der Entscheidung zwischen einer Gott- versus Menschenzentrierung, welcher wir gegenwärtig gegenüberstehen. Und die Verlorenheit vieler Zeitgenossen angesichts dieser Entscheidungssituation äußert sich für Hartfiel in einer Identitätslosigkeit: „Viele Menschen wissen nicht mehr, wer sie sind, warum sie leben und was das Ziel ihres Lebens ist. Alles scheint irgendwie im Fluss zu sein“ (S. 9).

An dieser Stelle soll nur eine politische Folge dieser Orientierungslosigkeit und Entscheidungsunfähigkeit herausgestellt werden. Hartfiel spricht von einer „Rechteinflation“ (S. 174). Alles wird zum Recht, zum eigenen Anspruch umgedeutet: zum Recht auf Abtreibung (die aktuelle Kontroverse um die gescheiterte Bundesverfassungsrichterwahl vom Juli 2025 hat dieses Thema medial wieder auf die Vorderbühne gespielt), Recht auf ein eigenes Kind, Recht auf Sex … Übersehen wird dabei etwas ganz Entscheidendes: Es kann nicht etwas zum Recht, schon gar zum Grund- oder Menschenrecht, werden, wenn dadurch ein anderer Mensch mit gleichen Rechten und gleicher Würde als Mittel zum Zweck gemacht wird. Die Autorin zählt am Ende fünfzehn Punkte auf, welche transhumanistisches Denken charakterisiere (wobei es nicht einfach „den“ Transhumanismus gibt, wie Hartfiel zu Recht betonnt) – einer davon: die Aufhebung des Instrumentalisierungsverbotes des Menschen.

Die Folgen sollten klar vor Augen stehen. Und doch: Das transhumanistische Menschenbild fasziniert. Denn es verspricht die Überwindung von Leid und Krankheit, ja, selbst des Todes Auf einmal erscheint alles für den Menschen machbar. Am Ende bleibt für Hartfiel die persönliche Entscheidung – und zwar die Entscheidung, sich auf die Suche nach der wahren Natur des Menschen zu machen oder – in Anlehnung an die Rede Benedikts XIV. vor dem Deutschen Bundestag – nach einer ganzheitlichen, dem Menschen gerecht werdenden, humanen Ökologie.

Der Band bietet eine gut lesbare Einführung in die Debatte um den Transhumanismus – aus einer klaren christlichen Grundhaltung heraus. Damit kann er wichtige Impulse liefern für alle, die sich aus christlicher Perspektive an den kommenden, möglichen Debatten dieses Pontifikats beteiligen wollen. Denn eines ist klar: Die Kirche wird diesen Debatten nicht ausweichen können, wenn sie ihrer Verkündigungsauftrag treu bleiben will.

Susanne Hartfiel: Die Neuerfindung des Menschen, 2., ergänzte Auflage, Augsburg: Dominus 2023, 279 Seiten.

Rezension: Kirchliche Zeitgeschichte, Aufarbeitung und theologische Reflexion – zum innerkirchlichen Umgang mit dem früheren Par. 175 StGB

Gregor Schorberger: Liebende diskriminiert und verurteilt. Römisch-katholische „175er“ und ihre Kirche, Stuttgart: W. Kohlhammer 2024, 258 Seiten.

1994 fiel im wiedervereinigten Deutschland der Paragraph 175 Strafgesetzbuch, der homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte; eingeführt wurde dieser im Deutschen Kaiserreich im Zuge der Rechtsangleichung von 1871. 2017 wurden Verurteilungen im Zuge dieses Paragraphen aufgehoben und die Betroffenen rehabilitiert.

In den Fünfzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts erwies sich die katholische Kirche als starke Verteidigerin des genannten Paragraphen, eine eher unrühmliche Rolle spielte dabei nicht zuletzt der Sittlichkeitsverein „Volkswartbund“, der sich später allerdings von der katholischen Kirche löste. Bis heute dauert die innerkirchliche Diskussion über den Umgang mit Homosexualität an. Doch hat sich die Wahrnehmung deutlich verändert.

In Frankfurt am Main, Stuttgart oder Münster gibt es schwul-lesbische Gottesdienstprojekte; beim silbernen Jubiläum der Münsteraner Queergemeinde – zwischenzeitlich einmal mit einem Eucharistieverbot belegt – stand ein Weihbischof dem Festgottesdienst vor, die Jubiläumsfeier konnte im diözesanen Theologenkonvikt gefeiert werden. 2022 gründete sich die Initiative „#OutinChurch – Für eine Kirche ohne Angst.“  Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in gleichgeschlechtlichen Lebensformen  darf nach dem kirchlichen Arbeitsrecht nicht mehr ohne Weiteres gekündigt werden, wie die Generalvikare aus neunzehn Bistümern Anfang 2022 nach einer Fernsehdokumentation bestätigten. Mitarbeitern Und unter dem Motto „Wir lieben uns – welch ein Segen!“ hat das Bistum Rottenburg-Stuttgart im Juli 2025 eine Materialsammlung für Partnerschaftssegnungen jeder Art, darunter auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, vorgelegt. Das Bistum beruft sich dabei auf das Schreiben „Fiducia supplicans“ aus der Amtszeit von Papst Franziskus.

Aber es bleibt eine Menge aufzuarbeiten, wie Gregor Schorberger anhand der Lebensbilder von sieben Zeitzeugen – geboren zwischen 1929 und 1951 – in seinem Band „Liebende diskriminiert und verurteilt“ aufzeigt, teilweise in anonymisierter Form. Um der Betroffenen willen und um der historischen Aufrichtigkeit willen. Weihbischof Ludger Schepers und die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Birgit Mock, schreiben in ihrem Vorwort zu Schorbergers Studie: „Die in dem Buch beschriebenen Leben der sieben Zeitzeugen zeigt auf, dass eine neue Betrachtung auf Homosexualität in der katholischen Kirche möglich ist“ (S. 7). Und der Verfasser unterstreicht in seiner Einleitung mit einem Zitat des ehemaligen Kirchentagspräsidenten Andreas Barner: „Was nicht aufgearbeitet ist, wirkt weiter“ (S. 21).

Es geht um den innerkirchlichen Umgang miteinander, um einen theologisch reflektierten Umgang mit sexueller Vielfalt und um ein verantwortliches Handeln der Kirchen nach innen und außen – und dies, wie Schorberger einleitend schreibt, gerade auch angesichts der aktuell wieder zunehmenden gesellschaftlichen Gewalt gegenüber Homosexuellen. Wichtig wäre allerdings, dass die Kirche die Kraft zu einem verantwortlichen Umgang mit Homosexualität aus eigener theologischer Tiefe findet – und nicht allein aus der affirmativen Übernahme aktueller kultur- und sozialwissenschaftlicher Theorien. Dann könnte die Kirche vielleicht auch im Sinne gesellschaftlich-kultureller Diakonie dazu beitragen, Polarisierung im öffentlichen Diskurs nicht zu replizieren oder sogar zu verstärken, sondern auflösen zu helfen.

Schorbergers Studie kann hierzu beitragen. Denn der erste Schritt theologischer Reflexion ist und bleibt das Hinhören auf die Erfahrungen Betroffener.

Wer sind die sieben Zeitzeugen, die im Band zu Wort kommen? Karl Greth trat nach nicht ganz fünfzig Jahren wieder in die katholische Kirche ein – durch Kontakt mit dem Frankfurter Projekt schwul + katholisch, über das Schorberger promoviert hat (veröffentlicht 2013 unter dem Titel „schwul + katholische. Eine christliche Gottesdienstgemeinschaft“). Siegfried Schneider (anonymisiert) engagierte sich seit Kriegsende in der Frankfurter Schwulenbewegung und trat 1970 aus der Kirche aus. Bundesanwalt Manfred Bruns, bekannt durch seinen politischen Einsatz im Lesben- und Schwulenverband wie in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, machte die Erfahrung, dass ihm das Erzbistum Freiburg die Exkommunikation androhte. 1985 trat er dann – wie er selber es verstand – aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht aber aus der katholischen Kirche als solcher aus. Hans-Joachim Hassemer tat dies 1983, entschloss sich aber 2015 zum Wiedereintritt und nimmt heute mit seinem Partei offen am Pfarreileben seines neuen Wohnortes teil. Peter H. (anonymisiert) erlitt durch einen nächtlichen Überfalle in lebenslanges Trauma. Er war Mitorganisator der ersten bundesweiten Homosexuellendemonstration 1972 auf dem Münsteraner Domplatz und ist heute Mitglied der dortigen Queergemeinde. Thomas Wagner, 2014 wieder in die Kirche eingetreten, hat sich publizistisch immer wieder mit dem Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen beschäftigt, politisch u. a. engagiert in der Arbeitsgruppe „Verfolgung von Homosexuellen von 1933 – 1993 im Saarland“. Und schließlich: Alois Kannenmacher (anonymisiert), Diakon und Bistumsarchivar, der über berufliche Diskriminierung durch seinen kirchlichen Dienstgeber berichtet – und dennoch seinen eigenen Glaubensweg geht, den Schorberger so skizziert „Im Bewusstsein, von Gott geliebt zu sein und der daraus resultierenden Selbstannahme ist sein seelsorglicher Wille, auch andere Menschen die Liebe Gottes im Namen Jesu spüren zu lassen und sie zur Selbstannahme und Freiheit zu ermuntern, seine Hauptantriebsfeder“ (S. 195).

Schorberger gibt den Portraits sprechende Namen: Der Zeuge, Der Couragierte, Der Menschenanwalt, Der Liebende, Der Suchende, Der Prophet, Der Diakon. Ein umfangreicher Anhang dokumentiert zeithistorische Quellen und Briefe zur innerkirchlichen Auseinandersetzung über den Umgang mit Homosexualität. Auch wenn Schorberger dabei selber Akteur ist, lässt er die notwendige Distanz zur zeitgeschichtlichen Forschung nicht vermissen.

Die vorliegende Studie liegt quer zu den theologischen Disziplinen. Sie kann sowohl der kirchlichen Zeitgeschichte und Pastoraltheologie als auch der Moraltheologie und Aszetik wichtige Impulse liefern.

Axel Bernd Kunze (Rez.)