Zwischenruf: Auch „Cancel Culture“ ist Machtmissbrauch

Bei der Kritik am geplanten Hochschulstärkungsgesetz in Nordrhein-Westfalen, worüber die Zeitschrift des Deutschen Hochschulverbandes, Forschung und Lehre, in ihrer aktuellen Ausgabe 2/2025 berichtet, sollte es nicht allein um Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit gehen, so wichtig dieses Grundrecht auch ist. Das geplante Gesetzesvorhaben höhlt weitergehend überkommene Prinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates und damit einhergehende Kontrollmechanismen aus. Denn der unabhängige Beamte sollte innerhalb der Exekutive vornehmlich verfassungs- und staatsloyal agieren und erst in zweiter Linie die Regierungslinie stützen.

Die Kritik der Hochschullehrer an dem geplanten Gesetz ist berechtigt. Allerdings bleibt auch deutliche Selbstkritik an den Universitäten notwendig. Denn diese waren in der vergangenen Zeit deutliche Taktgeber für eine Moralisierung und Emotionalisierung des akademischen und weitergehend des öffentlichen Diskurses. Die zunehmende „Cancel Culture“ im akademischen Betrieb zeugt davon. Unliebsame Positionen werden schnell als illegitim von vornherein aus dem Diskurs ausgegrenzt, statt sich argumentativ damit auseinander zu setzen – ebenfalls eine Form des Machtmissbrauchs. Als Reaktion auf diese Entwicklungen gründete sich 2020 das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Polarisierung wird nicht durch eine Kultur des Misstrauens und des Verdachts überwunden, sondern durch einen unvoreingenommen, fair und streitbar geführten Diskurs. Diesen wieder zu fördern und in den Mittelpunkt der universitären Kultur zu stellen, bleibt Aufgabe der Hochschullehrer selbst.

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