Gesegnete Allerheiligen- und Allerseelentage

„Wenn wir am Beginn des Gottesdienstes unsere Sünden bekennen, werden wir daran erinnert, dass wir begrenzte und sterbliche Menschen sind. Sterben ist kein punktuelles Ereignis, sondern durchdringt schon immer unser Leben. Für den Glaubenden gehören das Leben vor wie nach dem Tod zusammen. Wer sich daher auf das Sterben vorbereitet, flieht nicht aus dieser Welt; sein Leben vermag an Ernsthaftigkeit und Tiefe zu gewinnen. So kann sich für uns bereits heute das Wort des Paulus erfüllen: „Wir sind wie Sterbende, und seht: Wir leben.“ Diese Erfahrung, so glauben wir, wird auch einmal über der letzten Stunde unseres Lebens stehen. Diese Erfahrung erhoffen und erbitten wir an Allerseelen auch für unsere Verstorbenen, die uns zu Gott vorausgegangen sind.“

(aus: Liturgie konkret, Heft 2/2005; Bild: Das Jüngste Gericht, Bamberger Apokalypse, um 1000)

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen von „Bildungsethik“ gesegnete Allerheiligen- und Allerseelenfesttage. Bleiben Sie dem bildungsethischen Austausch auch weiterhin gewogen. Herzlich, Ihr Axel Bernd Kunze

Auf fremden Seiten: Fünf Wissenschaftler fordern von Minister Aufklärung

„Beamte haben die Pflicht, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anordnungen bei ihren Vorgesetzten geltend zu machen. Im Zuge der Corona-Politik wurden im RKI erkennbar Manipulationen durchgesetzt. Wie die Beamten reagiert haben, wollen fünf renommierte Wissenschaftler wissen.“

Zum Weiterlesen: https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/rki-brief-lauterbach-corona/

Veranstaltung: Sprachtradition und Sprachpolitik

Der Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache lädt zu folgender Veranstaltung ein:

Referent: Dr. Tareq Syed

Titel: Organismen als Energiewandler – Wie Sprachtradition und Sprachpolitik evolutionsbiologische Erkenntnis beeinflussen.

Zeit: 19. November 2024, 18 Uhr c. t.

Ort: Hörsaal A 014, Ludwig-Maximilians-Universität München, Hauptgebäude, Geschwister-Scholl-Platz 1

Im Rahmen der Evolutionstheorie werden Organismen als hochgradig abwandlungsfähige Entitäten betrachtet. Dass sich verschiedene, für Organismen zur Verfügung stehende wissenschaftliche Beschreibungssprachen sehr unterschiedlich auf die Rekonstruktion von Evolutionsprozessen auswirken können, steht außer Frage. Vergleichsweise weniger untersucht ist dies vor dem Hintergrund sprachpolitischer Kontroversen, insbesondere der mancherorts angestrebten Total-Anglisierung des Hochschulbetriebes.

Zwischenruf: Mehr Aufmerksamkeit für bedrohte Wissenschaftsfreiheit – diese Chance wurde vertan

Nach der missglückten Verleihung eines Positivpreises für Wissenschaftsfreiheit an den Juristen Reinhard Kempen, langjährig Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, der am Ende vor allem durch seine gezielte wissenschaftspolitische Unterstützung einer freiheitsfeindlichen Coronapolitik auffiel, setzt das gleichnamige Netzwerk Wissenschaftsfreiheit seine Preispolitik fort. Zog man im Februar deutliche Kritik auf sich, weil die Preisentscheidung für Kempen die Unteilbarkeit der Menschenrechte infrage stellte, lief es jetzt im Herbst auch nicht besser.

Der Negativpreis für Wissenschaftsfreiheit wurde dreigeteilt – in einer Pressemitteilung des Netzwerkes heißt es zur Begründung: „Der erste Preisträger ist Prof. Dr. Seesemann von der Universität Bayreuth. Grund für die Preisverleihung ist seine Aufforderung an das Rektorat der Universität Frankfurt, gegen Susanne Schröter und die von ihr veranstalteten Tagungen einzuschreiten, obgleich dort weder Strafnormen verletzt wurden (insbesondere das Aussprechen bestimmter abwertender Termini ist für sich genommen nicht strafbar) noch rechtswidrige Diskriminierungen proklamiert wurden (was im übrigen keine ausreichende Grundlage für ein Einschreiten wäre). Die zweite Preisträgerin ist Prof. Dr. Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin. Grund für die Preisverleihung ist ihr Vorwurf an das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, sich auch für rechtskonservative Kollegen einzusetzen – sie ist als Präsidentin einer Universität rechtlich verpflichtet, auch deren Rechte zu achten und zu schützen. Die dritte Preisträgerin ist Dr. Carolin Wagner, SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie hat in einer Rede im Bundestag gleichsam beiläufig die Aktionen des Netzwerks – die in Stellungnahmen, Briefen an die Rektorate zugunsten der Wissenschaftsfreiheit bedrängter Kollegen gleich welcher politischen Ausrichtung und Pressemitteilungen bestehen – als Schüren von Vorurteilen und Verunsicherung von Lehrenden und Studierenden bezeichnet, obgleich sie als Abgeordnete des Bundestags zu besonderem Respekt vor den Grundrechten auch von Andersdenkenden verpflichtet ist.“

Man sollte meinen, dass ein Preisgeber Interesse hat, mit seinem Preis auch eine breite Öffentlichkeitswirkung zu erzielen und so auf seine Anliegen aufmerksam zu machen. Doch die Preisverleihung ist auf den Internetseiten des Netzwerkes nur versteckt unter den Pressemitteilungen zu finden. Eine Presseresonanz blieb bisher auch weitgehend aus. Auszunehmen hiervon ist das Magazin „Cicero„, das fragt: „Vor Kurzem wurde der Negativpreis Wissenschaftsfreiheit 2024 verliehen – und nahezu zeitgleich eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht. Deren Ergebnis: Es gibt kaum Probleme mit der Cancel Culture an Deutschlands Universitäten. Was stimmt denn nun?“

Die Antwort formuliert Matthias Brodkorb, früher einmal Kultusminister in Mecklenburg-Vorpommern – und stellt der Preispolitik des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit kein gutes Zeugnis aus: „Das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hat sich keinen Gefallen getan. Es verteilte seinen Negativpreis Wissenschaftsfreiheit gleich auf drei Personen auf einmal und raubte sich dadurch selbst die kommunikative Schlagkraft: auf Rüdiger Seesemann (Universität Bayreuth), Geraldine Rauch (Präsidentin der TU Berlin) und Carolin Wagner (SPD-Bundestagsabgeordnete). Allen Prämierten wurde der Preis außerdem dafür verliehen, dass sie entweder Mitglieder des Netzwerks angegriffen haben oder dieses selbst. Das riecht nach beleidigter Leberwurst.“ Da wurde eine große Chance vertan, ein bedrohtes Grundrecht ins Licht der Öffentlichkeit zu heben.

Und das wäre dringend notwendig. Um das Freiheitsbewusstsein im Allgemeinen und das Recht auf Wissenschaftsfreiheit steht es nicht gut in unserem Land, auch nach Ende der coronabedingten Freiheits- und Grundrechtseinschränkungen. Daher hätten beide Preisverleihungen in diesem Jahr die große Chance geboten, die Bedrohungen der Wissenschaftsfreiheit durch einen übergriffigen Staat und vielfältige Formen gesellschaftlicher „Cancel Culture“ öffentlichkeitswirksam zu thematisieren. Doch leider wurde diese Chance zweimal nicht genutzt. Der Preisgeber sollte dringend darüber nachdenken, was er mit seinem Preis überhaupt erreichen will, welches Freiheitsverständnis er stark machen will und wie er sein Anliegen in die gesellschaftlich-politische Breite tragen will.

Buchvorstellung: Die pädagogische Wende

Am Mittwoch, dem 30. Oktober 2024, stellt Prof. Dr. phil. Ralf Lankau  sein neues Buch vor:

Die pädagogische Wende

Über die notwendige Besinnung auf das Erziehen und Unterrichten

Buchvorstellung, Vortrag und Diskussion

Die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie sind für das deutsche Bildungssystem, vor allem aber für die Zukunft junger Menschen, verheerend. Negativrekorde sind eine stabile Tendenz aller Leistungsvergleiche seit 2012. Daher müssen wir in einem gemeinsamen Akt der Besinnung auf die Bedeutung von Schule und Unterricht wieder den Menschen als Lernenden und Lehrenden in den Mittelpunkt von Bildungsprozessen stellen. Wir brauchen einen Humanpakt Bildung statt der einseitigen Fixierung auf Digitaltechnik.

 Prof. Dr. Ralf Lankau, Fakultät Medien, HS Offenburg

Inhaltsverzeichnis: Lankau: Die Pädagogische_Wende

Link zum Beltz-Verlag:

Die pädagogische Wende. Über die notwendige (Rück-)Besinnung auf das Unterrichten

Termin und Ort:
Mittwoch, 30. Oktober 2024, Offenburg
KiK Offenburg, Weingartenstr. 34c, D.77654 Offenburg. 20.00 Uhr

Jubiläum: 30 Jahre CCB – Festkneipe am 19.10.2024 in Bonn

Gott – Freiheit – Vaterland: Dieser Dreiklang ist typisch für den christlichen Teil der burschenschaftlichen Bewegung. Christliche Burschenschaften sind nichtschlagend und lehnen seit ihrer Gründung aufgrund des christlichen Selbstverständnisses Duell und Mensur ab. Besonderes Kennzeichen christlicher Burschenschaften ist das Christianum. Dieses verlangt vom Einzelnen kein konfessionelles Bekenntnis, wohl aber die Bereitschaft, sich mit dem Christentum und seiner Ethik auseinanderzusetzen. Das Ziel christlich-deutscher Gesinnung verbindet unter Berufung auf die Urburschenschft das geistige Erbe abendländischer Kultur mit dem Streben nach nationaler Einheit.

Pflege urburschenschaftlicher Tradition

Vor dreißig Jahren schlossen sich drei Burschenschaften innerhalb des Schwarzburgbundes (SB) zum Cartell Bayerischer Burschenschaften zusammen: die Burschenschaft Teutonia Nürnberg (To), die Burschenschaft Ostmark-Breslau zu Regensburg (Om) und die Leipziger Burschenschaft Alemannia zu Bamberg (ALE); die letzten beiden sind heute verbandsfrei. Ziel war es, die burschenschaftliche Ausrichtung innerhalb des SB zu stärken. Damit war der Grundstein für das heutige Cartell Christlicher Burschenschaften (CCB) gelegt, dessen rundes Jubiläum vom 18. bis 20. Oktober 2024 in Bonn gefeiert wurde. Höhepunkt war am Abend des 19. Oktober eine klangvolle Festkneipe auf Haus der Burschenschaft Rheno-Germania Bonn (RhG). Von Anfang an war das Cartell darum bemüht, die burschenschaftliche Tradition zu pflegen und zu erneuern, ohne in einen falschen Traditionalismus auf der einen oder eine Beliebigkeit auf der anderen Seite zu verfallen. Und so ist es bis heute geblieben.

Die Namensänderung erfolgte 1999, als die Bonner Rheno-Germania dazustieß. Seit 2012 können sich auch Burschenschaften außerhalb des SB dem Cartell anschließen. Jüngstes Mitglied ist die verbandsfreie Burschenschaft Alemannia Leipzig (Ale).

Freundschaftsbund

„Der Zweck des Cartells ist die Pflege des urburschenschaftlichen Gedankengutes christlicher Prägung, die Verbreitung dieser Ideale in der Öffentlichkeit und die Erhaltung des deutschen Verbindungsstudententums in seiner urburschenschaftlichen Ausprägung einschließlich der damit verbundenen Traditionspflege. Weiterer Zweck ist, zu einer aktiven Betätigung in Staat und Gesellschaft anzuhalten.“ – so heißt es in der Satzung. Das Cartell bekennt sich zum Männerbund und pflegt das Farbentragen. Und es will ein lebendiger Freundschaftsbund sei. „Heimat ist, wo ich mich nicht erklären muss“, sagte ein Teilnehmer der Festkneipe in seinem Grußwort. Dieses Wort Herders ist Programm.Jeder Cartellbruder soll sich bei den anderen Cartellburschenschaften genauso zuhause fühlen wie im eigenen Bund.

Daher lag es nahe, dass sich auch die Festrede dem Thema Freundschaft widmete. Festredner war der Bildungsethiker und Erziehungwissenschaftler Axel Bernd Kunze (ALE, RhG, Ale). Er erinnerte daran, dass schon Aristoteles die politische Eintracht in Freundschaftskategorien gedeutet habe und mahnte: „Nicht allein angesichts aktueller Debatten um Gewalt im öffentlichen Raum sehen wir, wie gefährdet ein solches Fundament unseres Zusammenlebens ist. Das gemeinsame Ethos unseres Gemeinwesens will gepflegt werden.“ Insofern hat das, was die christlichen Burschenschaften auf Basis ihrer Tradition pflegen, eine eminent politische Bedeutung, die nicht unterschätzt werden sollte – und dieses Pfund sollte nicht hinter den Mauern der Verbindungshäuser versteckt, sondern im akademischen Beruf und im Engagement für das Gemeinwesen eingesetzt werden, damit es reichen Zins bringt – mehr, als uns Banken heute geben können.

Angereichert wurde die Festkneipe durch persönliche Erinnerungen aus der Festcorona, die zeigten, was gelebte Cartellbrüderlichkeit bedeutet.

Weitere Programmpunkte der Jubiläumsfeier in Bonn waren der traditionelle Begrüßungsabend, ein Ausflug nach Rhöndorf mit Führung durch das Wohnhaus Konrad Adenauers und anschließende Einkehr in einem Weingut sowie eine Bierverkostung unter Anleitung des Bamberger Biersommeliers Dominik Maldoner (ALE). Der historische Ausflug in die Anfänge der Bonner Republik und die Rheinromantik, die im während des Zweiten Weltkriegs unzerstörten Rhöndorf – am Fuße des Drachenfelsen – besonders greifbar wird, setzten historische Schlaglichter. Gerade die interessante Führung durch das Adenauerhaus und das angeschlossene Museum ließen lebendig werden, wie sich das politische Geschäft von Adenauers Zeiten bis zur Berliner Republik heute verändert hat, vermutlich nicht immer zum Besten.

Frei und unerschütterlich

Als Symbol trägt das Cartell Christlicher Burschenschaften seit 2010 eine silberne Eiche: „Zeichen für ein bodenständiges Volk und ein stetig blühendes und gedeihendes, auf den Wurzeln unseres freiheitlichen Grundgesetzes stehenden Vaterlandes, das sich nicht von den Stürmen der Zeit beeindrucken lässt“, wie es auf den Internetseiten des Cartells heißt.

Selbstverständlich erklang zum Ende der Festkneipe in Bonn im kräftigen Männerchor auch das Lied des Cartells, passend zum gewählten Symbol der Eiche: „Frei und unerschütterlich / wachsen unsere Eichen / ihre Wurzeln in die Erd / tief hinunter reichen. / Mit dem Schmuck der grünen Blätter / stehn sie fest in Sturm und Wetter, / wanken nicht noch weichen.“ Der Text geht auf August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zurück. Die Melodie schrieb der Bamberger Alemanne Andreas Schertel eigens für das CCB.

Pflege der christlichen Grundlagen unseres Verfassungsstaates

Aber ein solches Selbstverständnis muss immer wieder gepflegt werden, wie der Festredner mahnte: „Welchen Beitrag können christliche Burschenschaften in den zivilreligiösen Diskurs einspeisen? Welchen Beitrag können sie zur kulturethischen Pflege christlicher Traditionen in einer pluralen Gesellschaft beitragen? Wie können sie ihr spezifisches Profil bewahren, wenn selbst im eigenen Nachwuchs mit einer schwächer werdenden religiösen Sozialisation zu rechnen ist?  Wir werden diese Debatten führen müssen. Und das ist auch gut so.“

Religion und Politik brauchen einander, soll sich nicht jeweils eine Seite absolut setzen – was in der Geschichte noch nie gut ausgegangen ist. In der zivilreligiösen Fragestellung zeigt sich, wie religiöse und politische Fragen miteinander verwoben sind. Denn die politisch denkenden Bürger sind zugleich Träger religiöser Haltungen im weitesten Sinne – und umgekehrt. Daher wird es keine Zivilreligion ohne Bezug zur verfassten Religion geben können, wie umgekehrt die verfasste Religion stets auf politische Rahmenbedingungen trifft. Bildung und Wissenschaft sind Orte, das Ineinander religiöser und politischer Fragestellungen reflexiv zu bearbeiten. Der akademische Anspruch wie die kulturethische Überzeugung im Cartell Christlicher Burschenschaften sollten die einzelnen Cartellbrüder dazu verpflichten, sich aktiv an dieser Debatte zu beteiligen – aus einer doppelten Verantwortung heraus.

Zum einen besitzen Bildung und Religion auch unter den Bedingungen gesellschaftlicher Plu­ralität unverzichtbare Bedeutung für einen freiheitlichen, vitalen und tragfähigen Kultur­staat. Wo die Sorge um seine geistigen Grundlagen erlahmt, werden über kurz oder lang kulturelle und soziale Verteilungskämpfe ein­setzen.

Zum anderen tragen wir eine soziale Verantwortung für Werte und Normen, Ethos und Tradition, Sprache und Wissenschaft, Kunst und Kultur oder Religion, die weit über unsere eigene Gegenwart hinausreicht. Die Pflege christlich-abendländischer Tradition in den einzelen Lebensbünden lebt mehr oder weniger bewusst aus dem Wissen um diese Verantwortung. Denn wie künftige Generationen leben, denken und handeln werden, wird wiederum davon beeinflusst werden, wie wir heute leben, denken und handeln. Auch der weltanschaulich neutrale Verfassungs- und Kulturstaat, der sich zu seinen christlichen Wurzeln bekentn, darf Flagge und Kreuz gleichermaßen tragen, sofern er den Einzelnen nicht zu einem bestimmten Bekenntis zwing. Doch wird das kulturethische Fundament unserer Verfassungsordung auf Dauer nur dann tragen, wenn auch ein praktiziertes christliches Bekenntnis in unserem Land lebendig bleibt. Es liegt an jedem Einzelnen, den formalen Gottesbezug der Verfassung durch eine konkrete christliche Praxis zu füllen.

Und so endete die Festrede mit einem deutlichen Aufruf: „Sich am öffentlichen Gespräch – auch über die öffentliche Bedeutung von Religion –  zu beteiligen, ist und bleibt zentraler Bestandteil gelebter burschenschaftlicher Verantwortung. Der Freundschafts- und Lebensbund bildet hierfür das notwendige Fundament. Übernehmen wir Verantwortung, beteiligen wir uns aktiv an der politisch-gesellschaftlichen Debatte und bringen wir dabei unsere burschenschaftlichen Orientierungswerte ein – in der Politik, in der Öffentlichkeit, im Beruf, an unseren Universitäten und im akademischen Leben. Bekennen wir uns selbstbewusst zu unseren Prinzipien, auch wenn der Wind gegenüber Verbindungen rauer werden mag: Gott – Freiheit – Vaterland. Hängen wir unsere Prunkfahnen hoch – und nicht in den Wind, wie es leider in Politik und auch Kirchen nur allzuoft geschieht.“

Erfreulich ist, dass das CCB mit Beginn seines vierten Jahrzehnts immer stärker wahrgenommen wird. Ausdruck hierfür ist etwa ein Beitrag in ACADEMIA, der Verbandszeitschrift des Cartellverbandes Katholischer Deutscher Studentenverbindungen (CV), in Heft 5/2024, der sich dem Thema christliche Burschenschaften und dem Cartelljubiläum widmete. Ab der kommenden Ausgabe soll das Cartell auch in der „Fuxenstunde“ des bekannten Studentenhistorikers Bernhard Grün mit einem eigenen Eintrag vertreten sein, wie jetzt schon beispielsweise das Süddeutsche Cartell.

In diesem Sinne: Burschenschaft Alemannia Leipzig, Burschenschaft Ostmark-Breslau zu Regensburg, Burschenshaft Rheno-Germnia Bonn, Burschenschaft Teutonia Nürnberg et Leipziger Burschenschaft Alemannia zu Bamberg – vivant, crescant, floreant. Cartell Christlicher Burschenschaften – ad multos annos!

Weitere Informationen: https://www.cartell.org/

Festrede: Cartell Christlicher Burschenschaften feiert 30-jähriges Jubiläum

Festkneipe anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Cartells Christlicher Burschenschaften

Bonn a. Rhn., 19. Oktober 2024

Hohes Präsid, Hohe Festcorona!

„Miteinander reden und lachen;

sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen;

zusammen schöne Bücher lesen;

sich necken, dabei aber auch einander Achtung erweisen;

mitunter auch streiten,

freilich ohne Gehässigkeit,

wie man es wohl auch einmal mit sich selbst tut;

manchmal auch in den Meinungen auseinandergehen

und damit die Eintracht würzen;

einander belehren und voneinander lernen;

die Abwesenden schmerzlich vermissen

und die Ankommenden freudig begrüßen –

lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe,

die aus dem Herzen kommt,

sich äußern in Miene, Wort und tausend freundlichen Gesten

und wie Zunder den Geist in Gemeinsamkeit entflammen,

so daß aus den Vielen eine Einheit wird.“

Diese Worte sind tausendsechshundert Jahre alt. So umschreibt – in moderner Übersetzung – der abendländische Kirchenvater Augustinus in seinen „Confessiones“ (IV 8, 13) die Lebensform der Freundschaft: eine Lebensform, deren Feier uns auch heute Abend hier zusammengeführt hat. Jeder von uns mag die Worte mit eigenen Erinnerungen füllen, gerade auch mit Erinnerungen aus dem Zusammensein im Cartell.

Ich will heute Abend fragen: Was macht den besonderen Wert der Freundschaft aus? In den drei Antworten können wir möglicherweise auch den Dreiklang unserer Prinzipien wiedererkennen: Gott – Freiheit – Vaterland. Wenn auch in anderer Reihung.

1. Freiheit – oder: Freundschaft als Beginn der Philosophie

Joachim Negel, Fundamentaltheologe an der Universität Freiburg im Uetland, umschreibt diese Lebensform folgendermaßen: „Freundschaft ist zunächst und vor allem Gespräch. Freunde sind im Gespräch miteinander, und je intensiver das Gespräch, umso größer der Raum, der sich zwischen ihnen eröffnet. In ihm wird die Welt bedeutsam; man hört, was die Dinge sagen wollen; man sieht (in) ihr Antlitz und gerät dadurch in eine Tiefe und Weite der eigenen Seele wie auch der Welt, die es vorher nicht gab.“ Und so kann die Freundschaft auch als Geburt der Philosophie bezeichnet werden.

Es geht um ein hohes Ideal: Omnia vincit amor; et nos cedamus amori. – Dieses berühmte Zitat aus seiner letzten Ekloge widmete Vergil seinem Freund, dem Politiker und Dichter Gaius Cornelius Gallus. Die Liebe besiegt alles.

2. Vaterland – oder: Freundschaft als politische Tugend

Die amicitia ist nicht allein eine philosophische, sondern zugleich eminent politische Tugend. So schreibt Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik: „Die Erfahrung lehrt, daß Freundschaft die Polisgemeinden zusammenhält, denn die [politische] Eintracht hat offenbar eine gewisse Ähnlichkeit mit der Freundschaft.“ Nicht allein angesichts aktueller Debatten um Gewalt im öffentlichen Raum sehen wir, wie gefährdet ein solches Fundament unseres Zusammenlebens ist. Das gemeinsame Ethos unseres Gemeinwesens will gepflegt werden. Gerechtigkeit im Staat gründet im Kern auf der Tugend seiner Bürger. Der Mensch ist unhintergehbar ein „zoon politikon“. Eine zentrale Tugend des öffentlichen Zusammenlebens hat Michel Foucault einmal so ausgedrückt: „Eintracht ist Freundschaft unter Bürgern.“ Unser gesellschaftliches Ethos, das für ein humanes und gerechtes Zusammenleben unabdingbar ist, „beruht auf der Vorzüglichkeit ihrer seelischen Veranlagung, auf der konzentrierten Pflege solcher Veranlagung im Austausch mit den Freunden sowie auf der daraus sich erbildenden vernünftigen Einsicht“. Wo dieses Ethos zerfällt, degeneriert der Staat zur Tyrannis, zur Ochlokratie oder zur Oligarchie.

Insofern hat das, was wir in unseren Burschenschaften auf Basis unserer Tradition pflegen, eine eminent politische Bedeutung, die wir nicht unterschätzen sollten – und dieses Pfund sollten wir nicht hinter den Mauern unserer Verbindungshäuser verstecken, sondern im akademischen Beruf und im Engagement für unser Gemeinwesen einsetzen, damit es reichen Zins bringt – mehr, als uns Banken heute geben können.

3. Gott – oder: Freundschaft als Tür in die Unendlichkeit

Und ein dritter Gedanke: „Nur am Du bildet sich ein Ich.“ Ohne liebendes Du kann es auch kein Ich geben – so hat es Martin Buber in seiner Dialogphilosophie stark gemacht. Dies mag der Grund sein, warum das Thema Freundschaft die Gemüter aller Epochen der abendländischen Geistesgeschichte immer wieder bewegt hat. Wo sich Menschen in Freundschaft verbinden, öffnen sich unverhoffte Möglichkeiten, erleben wir uns als beschenkt und können auch andere beschenken. Ich kann dem Leben trauen, weil ein anderer zu mir steht. Freundschaft bedeutet Treue und Trost – so heißt es schon in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur. „Es gibt Gefährten, die gereichen zum Verderben. Mancher Freund aber ist anhänglicher als ein Bruder“ (Spr 18, 24), heißt es im Buch der Sprichwörter. Und „ein treuer Freund ist ein Trost im Leben; ihn findet, wer den Herrn fürchtet“ (Sir 6, 16), sagt der Weisheitslehrer Jesus Sirach.

Trost und Treue – nicht umsonst wurde in der christlichen Tradition versucht, auch die innertrinitarische Beziehung in Freundschaftskategorien zu denken und die Beziehung zu Gott als Gottesfreundschaft zu deuten.

Letztlich versprechen wir mit jeder Freundschaft mehr, als wir Menschen in unserer Sterblichkeit halten können. Mit der Treue, die wir einander versprechen, eröffnen sich existentielle Fragen religiöser Natur. Es geht um den Grund des Lebens, der mich trägt. In einer säkularen Gesellschaft wirken Fragen danach oft peinlich. Und auch in unseren Lebensbünden mag es oft nicht mehr leicht fallen, diese Fragen zu stellen. Und doch: Wir können ihnen am Ende nicht ausweichen. „Die Religion war mir seit langem zuwider, und trotzdem spürte ich auf einmal eine Sehnsucht, mich auf etwas beziehen zu können. Es war unerträglich, einzeln und mit sich allein zu sein.“ – so Peter Handke in seinem „Kurzen Brief zum langen Abschied“.

Für Christen kann der tragende Grund des Lebens letztlich vom Menschen nicht selbst gemacht werden oder von ihm ausgesucht werden; er übersteigt das, was der Mensch sich selbst geben kann. Für Christen ist es ein ganz Anderer, der uns sagt: Du sollst sein. Theologen sprechen von Gnade. An ihr hat die Freundschaft Anteil. Und so öffnet uns die Freundschaft eine Tür in die Unendlichkeit

Gespräch und Hochherzigkeit, Eintracht und vernünftige Einsicht, Treue und Trost – ich wünsche uns allen, dass wir das immer wieder in unseren Verbindungen erfahren. Ja, dies dürfen wir auch immer wieder unseren Kritikern entgegenhalten: Wir sind hier versammelt zu löblichem Tun.

Als Cartell Christlicher Burschenschaften berufen wir uns bei unserem „löblichen Tun“ ausdrücklich und bewusst auf das religiös geprägte Fundament unseres staatlichen und kulturellen Zusammenlebens.

4. Ausblick

Religion und Politik brauchen einander, soll sich nicht jeweils eine Seite absolut setzen – was in der Geschichte noch nie gut ausgegangen ist. In der zivilreligiösen Fragestellung zeigt sich, wie religiöse und politische Fragen miteinander verwoben sind. Denn die politisch denkenden Bürger sind zugleich Träger religiöser Haltungen im weitesten Sinne – und umgekehrt. Daher wird es keine Zivilreligion ohne Bezug zur verfassten Religion geben können, wie umgekehrt die verfasste Religion stets auf politische Rahmenbedingungen trifft. Bildung und Wissenschaft sind Orte, dieses Ineinander religiöser und politischer Fragestellungen reflexiv zu bearbeiten. Unser akademischer Anspruch wie unsere kulturethische Überzeugung sollten uns verpflichten, uns als christliche Burschenschafter aktiv an dieser Debatte zu beteiligen – aus einer doppelten Verantwortung heraus. Zum einen: Bildung und Religion besitzen auch unter den Bedingungen gesellschaftlicher Plu­ralität unverzichtbare Bedeutung für einen freiheitlichen, vitalen und tragfähigen Kultur­staat. Wo die Sorge um seine geistigen Grundlagen erlahmt, werden über kurz oder lang kulturelle und soziale Verteilungskämpfe ein­setzen.

Zum anderen: Wir tragen eine soziale Verantwortung für Werte und Normen, Ethos und Tradition, Sprache und Wissenschaft, Kunst und Kultur oder Religion, die weit über unsere eigene Gegenwart hinausreicht. Die Pflege christlich-abendländischer Tradition in unseren Bünden lebt mehr oder weniger bewusst aus dem Wissen um diese Verantwortung. Denn wie künftige Generationen leben, denken und handeln werden, wird wiederum davon beeinflusst werden, wie wir heute leben, denken und handeln. Viel war von der kulturethischen Bedeutung des Christentums die Rede. Diese wird auf Dauer aber nur tragen, wenn auch ein praktiziertes christliches Bekenntnis in unserem Land lebendig bleibt. Es liegt an jedem Einzelnen, den formalen Gottesbezug der Verfassung durch eine konkrete christliche Praxis zu füllen.

Welchen Beitrag können christliche Burschenschaften in den zivilreligiösen Diskurs einspeisen? Welchen Beitrag können sie zur kulturethischen Pflege christlicher Traditionen in einer pluralen Gesellschaft beitragen? Wie können sie ihr spezifisches Profil bewahren, wenn selbst im eigenen Nachwuchs mit einer schwächer werdenden religiösen Sozialisation zu rechnen ist?  Wir werden diese Debatten führen müssen. Und das ist auch gut so.

Unser Cartell Christlicher Burschenschaften wird dreißig Jahre alt. Und wird öffentlich immer stärker wahrgenommen. ACADEMIA, die Verbandszeitschrift des CV, berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über unser Jubiläum. Ab der neuen Auflage wird das CCB in der „Fuxenstunde“ des bekannten Studentenhistorikers Bernhard Grün einen eigenen Eintrag erfahren, wie jetzt schon das Süddeutsche Kartell.

Sich am öffentlichen Gespräch – auch über die öffentliche Bedeutung von Religion –  zu beteiligen, ist und bleibt zentraler Bestandteil gelebter burschenschaftlicher Verantwortung. Der Freundschafts- und Lebensbund bildet hierfür das notwendige Fundament. Übernehmen wir Verantwortung, beteiligen wir uns aktiv an der politisch-gesellschaftlichen Debatte und bringen wir dabei unsere burschenschaftlichen Orientierungswerte ein – in der Politik, in der Öffentlichkeit, im Beruf, an unseren Universitäten und im akademischen Leben. Bekennen wir uns selbstbewusst zu unseren Prinzipien, auch wenn der Wind gegenüber Verbindungen rauer werden mag: Gott – Freiheit – Vaterland. Hängen wir unsere Prunkfahnen hoch – und nicht in den Wind, wie es leider in Politik und auch Kirchen nur allzuoft geschieht.

In diesem Sinne: Burschenschaft Alemannia Leipzig, Burschenschaft Ostmark-Breslau zu Regensburg, Burschenshaft Rheno-Germnia Bonn, Burschenschaft Teutonia Nürnberg et Leipziger Burschenschaft Alemannia zu Bamberg – vivant, crescant, floreant. Cartell Christlicher Burschenschaften – ad multos annos!