Gedanken aus der Schule: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde …

So viele sind heute gekommen, um mit Ihnen den Abschluss Ihrer schulischen Ausbildung zu feiern: Ihrer Ausbildung in der Berufsfachschule für sozialpädagogische Assistenz oder in der Berufsfachschule für Kinderpflege. Und das ist auch gut so. Denn mit der heutigen Zeugnisübergabe haben Sie einen wichtigen Bildungsschritt geschafft, auf den Sie stolz sein dürfen. Im Namen der Schulleitung heiße ich Sie alle hier bei uns in der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik herzlich willkommen.

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Das erste Buch der Bibel spricht in seinem ersten Kapitel von einem Anfang. Nicht von irgendeinem Anfang, sondern von dem Anfang, vom Beginn der Schöpfung: Gott erschafft Licht und Finsternis, Himmel und Erde, Land und Meer, Pflanzen und Bäume, Sonne und Mond, Vögel und Fische und alle Tiere auf dem Land. Gleich, wie wir uns die Entwicklung des Lebens, der Welt und von allem, was auf ihr lebt, vorzustellen und wissenschaftlich zu erklären versuchen. Den letzten Ursprung allen Lebens vermag der Mensch nicht aus sich selbst zu erklären. Einen solchen Anfang kann allein Gott setzen. Er ist es, der seine Schöpfung ins Leben ruft, mit Leben erfüllt und im Dasein erhält.

Dabei macht uns die Bibel zu Beginn deutlich, dass Gott einen guten Anfang gelegt hat: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“

Auch wir Menschen verdanken uns diesem guten Anfang Gottes. Gott erschafft den Menschen, und er segnet ihn. Und er gibt ihm einen Auftrag: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ Gott übergibt dem Menschen seine Schöpfung – nicht damit er diese ausbeute oder vernichte. Die Schöpfung soll dem Menschen dienen. Zugleich soll dieser verantwortlich mit Gottes Schöpfung umgehen, damit Gottes guter Anfang weitergehen kann, damit Leben möglich ist und die Erde ein lebenswerter Ort bleibt.

Die Bibel spricht dem Menschen hier eine ungeheure Würde und Verantwortung zu: Er soll Gottes Ebenbild sein. Er ist als Gottes Ebenbild in diese Schöpfung hineingestellt. Vielleicht hilft folgendes Bild, uns ein wenig vorzustellen, was damit gemeint ist: Wenn wir uns an einen Menschen erinnern wollen, stellen wir ein Denkmal von ihm auf oder hängen ein Bild von ihm auf. Vielleicht haben Sie auch bei sich zu Hause, in Ihrem Zimmer, auf Ihrem Schreibtisch ein Bild aufgehängt oder aufgestellt, das Sie an einen Menschen erinnern soll, der Ihnen wichtig ist.

Dabei geht es um mehr als ein Bild: Was dieser Mensch für Sie bedeutet und was er verkörpert, wird dadurch lebendig. Sie denken an ihn. Der Mensch, an den Sie sich erinnern, ist Ihnen auf diese Weise nahe, er begleitet ihre Gedanken, ihre Gefühle, ihr Handeln.

Gewiss, jeder Vergleich ist unvollkommen, das ist auch hier der Fall. Doch wenn die Bibel vom Menschen als Ebenbild Gottes spricht, geht es um etwas Ähnliches: Der Mensch ist in Gottes Schöpfung gestellt. Er soll Gott selbst sichtbar machen. Vor allen anderen Geschöpfen ist der Mensch dazu bestimmt, in Gemeinschaft mit seinem Schöpfer zu leben und diese Welt in Freiheit zu gestalten, in Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen.

Dies alles ist kein Verdienst des Menschen, sondern Geschenk Gottes. Der Mensch darf mit Gott Erfahrungen machen. Die Schöpfung bleibt das Anfangsgeschenk Gottes an den Menschen – aber der Mensch muss sich zugleich entscheiden, ob er Gottes Geschenk annehmen will oder nicht. Er ist von Anfang an in eine ursprüngliche – die Bibel sagt zu Beginn: „paradiesische“ – Entscheidungssituation gestellt. Wir wissen, dass der Mensch mit seiner Freiheit, die ihm Gott geschenkt hat, nicht immer verantwortlich umgegangen ist. Der Mensch ist zum Guten, aber auch zum Bösen fähig – und er kann selbst dem eigenen Bruder zum Feind werden. Schon Kinder erfahren dies, mehr oder weniger heftig.

Gott aber hat den Menschen nicht verstoßen. Er hat den guten Anfang, den er gesetzt hat, nicht widerrufen. Vielmehr hat er sein Ja zu seiner Schöpfung, zu dieser Welt und zum Menschen wiederholt: In Jesus Christus ist Gott selbst Mensch geworden. An Jesus Christus können wir sehen, was es heißt, als voller Mensch zu leben – so, wie Gott den Menschen gewollt und geschaffen hat. Uns ist ein Leben in Fülle verheißen, das am Schöpfungsmorgen seinen Anfang nahm und das am Ende der Schöpfung vollendet werden wird. Die Bibel verwendet dafür ein herrliches Bild: Gott wird uns zu einem himmlischen Mahl einladen, er wird mit uns essen und trinken – so wie Sie heute Abend vielleicht auch noch gemeinsam essen und feiern werden. Beim himmlischen Mahl werden wir die Früchte Seiner guten, vollendeten Schöpfung in Fülle genießen.

Für Sie, liebe Absolventinnen und Absolventen, fängt heute wieder etwas Neues an: Das Berufspraktikum liegt vor Ihnen – und damit ein weiterer wichtiger Schritt hinein in die Berufswelt, in den pädagogischen Beruf, in die berufliche Selbständigkeit, damit aber auch in ein Mehr an Verantwortung, die von Ihnen erwartet wird. Ich bin aber sicher, dass Sie für diesen neuen Schritt wichtiges Rüstzeug in Ihrer Ausbildung mit auf den Weg bekommen haben.

Vor dem großen Anfang der Schöpfung, von dem wir gehört haben, mag sich dieser Anfang, an dem wir heute stehen, ganz klein ausnehmen. Und doch: Jeder von uns kann dort, wo er tätig ist, seinen Teil dazu beitragen, diese Welt verantwortlich zu gestalten. Das gilt nicht zuletzt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: im gemeinsamen Durchdenken bedeutsamer Fragen, im Umgang miteinander, in der Gestaltung des pädagogischen Alltags in Krippe, Kindergarten, Ganztagesbetreuung oder Hort, im Umgang mit den Eltern, im kollegialen Miteinander im Team. Was wir aus dem machen, was heute beginnt, liegt an uns. Es ist in unsere Verantwortung, in unsere Freiheit gelegt.

Wer sich für einen pädagogischen Beruf entschieden hat, ist in besonderer Weise ein Vorbild für die Kinder und Jugendlichen, die ihm anvertraut sind. Er oder sie soll ihnen helfen, verantwortlich mit dem umzugehen, was Gott uns an Freiheit und Möglichkeiten, an Fähigkeiten und Erfahrungen geschenkt hat. Und sie sollen den Heranwachsenden helfen, dass sie Gottes guten Anfang spüren, dass sie ermutigt werden und dass Gottes Zusage in ihrem eigenen Leben spürbar wird.

Gerade dies aber können wir nicht allein. Wir würden uns moralisch unter Druck setzen und überfordern, wenn wir meinten, dies allein aus eigener Kraft vollbringen zu können. Wir können es nur im Vertrauen auf Gottes Zusage. Gerade deshalb wird am Ende dieser Feier auch ganz bewusst der Segen stehen, der Zuspruch, dass Gott mit uns ist und unser pädagogisches Tun segnet und begleitet.

Vor kurzem war ich zur Verabschiedung eines Kollegen eingeladen. Dieser überreichte seiner Nachfolgerin ein Schild mit dem Spruch: „Das Leben ist schön, von einfach hat keiner etwas gesagt“ – von ihm abgewandelt in: „Schulleitung ist schön, von einfach hat keiner etwas gesagt“. Das gilt aber für jeden pädagogischen Beruf. Und so wünsche ich Ihnen, dass dieser Tag heute ein guter Anfang sein und bleiben möge. Dass Sie auch noch nach vielen Jahren im Beruf werden sagen können: „Mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ist schön.“ Ich wünsche Ihnen, dass Sie den pädagogischen Beruf, in den Sie heute starten, als bereichernd und erfüllend erfahren, auch dann, wenn es vielleicht auch einmal nicht ganz so einfach ist.

In diesem Sinne gratuliere ich Ihnen im Namen der Schulleitung wie des Kollegiums, aber auch ganz persönlich zu Ihrem Abschluss. Unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche begleiten Sie in den Beruf und in das Berufspraktikum.

(aus einer Schulleitungsrede zur feierlichen Zeugnisübergabe)

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