Damit war zu rechnen: Vor vier Jahren hatte der Bundestag eine Widerspruchslösung im Zusammenhang mit Organspende abgelehnt. Doch deren Anhänger wollen das parlamentarische Votum nicht akzeptieren. Acht Bundesländer unternehmen nun einen neuen Vorstoß, dieses Mal über den Bundesrat. Wer der Entnahme seiner Organe nicht zustimmt, soll demnach künftig zu Lebzeiten aktiv Widerspruch einlegen, andernfalls gilt er als potentieller Organsapender. Der Widerspruch soll nach dem neuen Gesetzentwurf, der im Bundesrat eingebracht werden soll, via Organspendeausweis, Patientenverfügung, Organspenderegister möglich sein, aber auch eine Willenserklärung auf andere Art und Weise sei vorgesehen.
Bereits im März, als ein Organspenderegister initiert wurde, drängte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weitergehend auf eine Widerspruchslösung. Eine solche kehrt die Beweislast um. Wer seinen Widerspruch nicht rechtssicher dokumentiert hat, dem wird die Verfügug über den eigenen Körper und den eigenen Sterbeprozess entzogen.
Damit setzt sich fort, was schon in der Coronapolitik, die das Land bis heute spaltet, mehr als sichtbar wurde: ein autoritäres Menschenbild, das eines Rechtsstaates unwürdig sein sollte. Der Staat will eine selbstbestimmte Entscheidung erzwingen, indem er massiv in Grundrechte eingreift. Grundrechtsträger aber ist der Souverän, nicht der Untertan. Anreize für Spendebereitschaft ja, aber unter Beachtung des freien Willens mündiger Bürger. Daher ist dem Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz deutlich zuzustimmen. Für diesen erklärte Eugen Brysch zur neuen Bundesratsinitiative: „Denn die körperliche Unversehrtheit darf nicht ohne Zustimmung des Betroffenen verletzt werden.“
Um dieses zentrale Grundrecht steht es nicht zum Besten. Dieses wurde bereits durch die aggressive Impfnötigungspolitik in der Coronazeit mehr als deutlich kleingeredet, wenn nicht sogar offen verneint. Eine ehrliche Aufarbeitung der freiheitsfeindlichen Coronapolitik steht bis heute aus. Der Körper wird zunehmend kollektiviert. Dem Personalismus unseres Grundgesetzes, dessen Jubiläum erst im Mai groß gefeiert wurde, entspricht das nicht. Die neuerliche Debatte um eine Widerspruchslösung lässt nach den Erfahrungen der Coronazeit nichts Gutes ahnen. Und wie schnoddrig mit dem Recht am eigenen Körper umgegangen wird, beweisen selbst die Kritiker einer Widerspruchslösung. Einer davon ist der F.D.P.-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, der den neuerlichen Vorstoß der Länder für kontraproduktiv hält und auf die Entscheidung des Bundestages verweist. So weit, so gut. Aufhorchen lässt allerdings seine Forderung, von der Hirntod- zur Herztoddefinition zu wechseln, damit die Zahl an Organspendern erhöht werde. Wie das rechtlich und ethisch gehen soll, verrät Ullmann nicht. Schließlich war es erst der Abschied vom Herztodkriterium, der Organspenden seit den Sechzigerjahren möglich gemacht hat.
Nicht Sonntagsreden entscheiden über den Stellenwert unserer Verfassung, sondern der politische Umgang mit gravierenden Grundrechtskonflikten im politischen Alltag. Wem die körperliche Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit am Herzen liegt, sollte die neuerliche Debatte um eine Widerspruchslösung engagiert verfolgen. Die Erfahrungen der Coronazeit mahnen bis heute.
[…] Zwischenruf: Grundrechtsträger ist der Souverän, nicht der Untertan Zwischenruf: Sozialstaat kannibalisiert Grundrechte Zwischenruf: Womit zu rechnen war … […]
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