Christi Himmelfahrt

Rembrandt (1636): Himmelfahrt Christi

„Auf der Liste der Feste, von denen man meint, sie sollten abgeschafft werden, steht Himmelfahrt ganz oben“, hat der Neutestamentler Klaus Berger einmal beklagt. Drei Gründe macht er dafür aus.

Himmelfahrt – ein überflüssiges Fest?

Zum einen recht naive Vorstellungen des Geschehens – ähnlich jenem Brauch der Barockzeit, als die Himmelfahrt Jesu mittels Seilwinde durch das Hinaufziehen einer Christusfigur zur Kirchendecke inszeniert wurde, bis die Gemeinde schließlich nur noch die Füße der Holz- oder Gipsfigur sah. Eine solche Vorstellung sei modernen Menschen zu Recht nicht mehr vermittelbar.

Dann die Widersprüche, die im Neuen Testament selbst deutlich werden – wir haben es heute gehört: Lukas stellt das Ereignis zweimal ganz verschieden dar: am Ende seines Evangeliums und zu Beginn seiner Apostelgeschichte. Mal findet die Himmelfahrt am Ende des Ostertages statt, dann erst vierzig Tage später. Wenn schon ein und derselbe Autor das Geschen so grundsätzlich verschieden beschreibt, müsse es doch wohl eher um eine fiktive Geschichte gehen.

Schließlich bleibt die Frage, was die Himmelfahrt nach Ostern überhaupt noch Neues bringen soll. Ist Jesus nicht schon mit seiner Auferstehung wieder im Himmel? Wo soll er denn sonst die vierzig Tage verbracht haben? Ohne Himmelfahrt würde dem Osterglauben doch schließlich nichts fehlen – außer ein Feiertag im schönen Mai, den man gut für einen Vatertagsausflug nutzen kann.

Auf das Ende kommt es an

Richtig ist: Ostern und Himmelfahrt gehören eng zusammen. Das zeigen auch die beiden Darstellungen bei Lukas. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass beide gar nicht so grundverschieden sind, wie es zunächst anmutet. In beiden Fällen – am Ende seines Evangeliums und am Beginn seiner Apostelgeschichte – beschreibt Lukas die Himmelfahrt Jesu als Abschluss einer Ostererscheinung. Der auferstandene Herr erscheint den versammelten Jüngern. Das eine Mal hören sie, wie Jesus sich zweien von ihnen auf dem Weg nach Emmaus beim Brotbrechen offenbart hat, das andere Mal sind die Jünger zum gemeinsamen Mal versammelt. Beide Erzählungen beschreiben das Himmelfahrtsgeschehen aber mit eigener Akzentsetzung.

Jesus erweist sich in den Ostererscheinungen als der Gekreuzigte und Auferstandene, der lebt. Entscheidend ist dabei nicht so sehr, wo er herkommt. Jesus kommt nicht aus einem irdischen Versteck, sondern erscheint „vom Himmel her“; er ist nicht mehr an die Begrenzungen von Raum und Zeit gebunden. Viel entscheidender als der Anfang aber ist bei der Darstellung des Lukas, wie Jesus von den Jüngern Abschied nimmt. Darin ähnelt Lukas den jüdischen Autoren seiner Zeit.

Jesus wird von den Seinen erkannt – und verschwindet. Die Jünger wissen, dass er lebt – und sie erkennen, wer Jesus in letzter Wirklichkeit für sie ist. In beiden Darstellungen stellt Lukas jeweils einen anderen Aspekt in den Vordergrund:

Am Ostertag erweist sich der Auferstandene als priesterlicher Messias, der seine Jünger zum Abschluss segnet. Der Segen, ein Zeichen priesterlicher Hoheit, ist das Vermächtnis des Herrn an seine Gemeinde: nicht als Segen eines Toten, sondern eines Lebendigen. Im Segen des Auferstandenen erfüllt sich die Verheißung an Abraham, in dem alle Völker der Erde gesegnet sein sollen. In seinem Segen bleibt Christus in der Welt lebendig. Im Griechischen sind „segnen“ und „lobpreisen“ dasselbe Wort: Der Segen von Gott, den Jesus hinterlässt, findet seine Antwort im Lobpreis der Jünger.

Vierzig Tage später erweist sich Jesus im Geschehen der Himmelfahrt als jener prophetische Messias, in dem sich die Verheißungen Israels erfüllen. Die Wolke, die ihn aufnimmt, ist Zeichen der Hoheit und Anwesenheit Gottes. Die Jünger erfahren Jesus als den, der wiederkommen wird, wie er von ihnen gegangen ist, und zwar als der zukünftige Richter, der die Verheißungen in Fülle vollenden wird.

Sichtbarer, sieghafter Übergang

Wenn wir Christi Himmelfahrt nur als eine alte Geschichte in vormodernem Gewand feiern wollten, wäre dieses Fest tatsächlich überflüssig. In ihrer Feier soll Christi Himmelfahrt vielmehr gegenwärtig werden als ein Ereignis, das uns zutiefst betrifft: Die Himmelfahrt beschließt das Osterereignis – als sichtbarer, sieghafter Übergang Jesu, des Gekreuzigten, in die Herrlichkeit des Vaters. Er erweist sich tatsächlich als jener Hohepriester und Prophet, in dem sich Israels Verheißungen unüberbietbar erfüllen.

Nicht die Unheilspropheten und Todesboten, die unsere Welt mit Terrorismus, Gewalt und Menschenverachtung überziehen, werden das letzte Wort behalten. So wie Jesus sichtbar von uns gegangen ist, so wird er auch sichtbar wiederkommen in Macht und Herrlichkeit, um alles zu vollenden. Himmelfahrt zeigt uns, was wir erhoffen dürfen: die Vollendung des Menschen, so wie Gott ihn gewollt hat, in Freiheit vor Gott, in der Herrlichkeit des Himmels – nicht als Ausdruck maßloser Selbstüberschätzung des Menschen, sondern als Zusage von Gottes Treue. Größer und hoffnungsvoller können wir vom Menschen nicht sprechen.

(Predigtgedanken aus: WortGottesFeiern an allen Sonn- und Feiertagen, 13. Jg., H. 3/2016)

Allen Lesern von „Bildungsethik“ wünsche ich einen gesegneten, hoffnungweckenden, von österlicher Freude erfüllten Himmelfahrtstag.

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