Zwischenruf: Klimaschutz ist Menschenrecht?

Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz sorgt für kontroverse Debatten: Für die Richter in Straßburg gilt Klimaschutz als Menschenrecht. Der mangelhafte Klimaschutz in der Schweiz verletze das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention, so das Gericht in seiner aktuellen Entscheidung. Der Kläger, ein Schweizer Verein der Klimaseniorinnen, wurde dabei durch Greenpeace unterstützt.

Schon länger erleben wir eine Entgrenzung der Menschenrechte, die immer weniger Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat formulieren, sondern diesen für gesellschaftsreformerische Projekte in die Pflicht nehmen – im Namen einer nicht mehr hinterfragbaren Moralisierung des öffentlichen Raumes. Man könnte hier auch von einer Pervertierung der Menschenrechte sprechen. Der Staat wird zum großen Beschützer, der alles zu unserem Besten will und einrichtet.

Seit die Menschenrechte nach Ende des Ost-West-Gegensatzes zum „Megathema“ der Sozial- und Geisteswissenschaften geworden sind, sind sie auch zum utopischen Tummelplatz verkommen. Ich habe solche Tendenzen allerdings auch schon auf juristischen Tagungen wahrgenommen, etwa als eine juristische Referentin Klimaschutzmaßnahmen kinderrechtlich begründete. Denn ohne Klima auch
keine Grundrechte, schlichter geht es nicht.

Schutzgüter und Sicherheit sind etwas anderes als (Grund-)Rechte. Der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer hat dies in seinem lesenswerten Bändchen „Warum Strafe sein muss“ treffend auf den Punkt gebracht – zumal ein „Recht auf Sicherheit“ notwendigermaßen unbegrenzt ist. Denn man könnte immer noch eine Schippe an „Sicherheit“ drauflegen. Wer könnte schließlich schon sagen, genug an Sicherheit getan zu haben, so lange wir nicht im Paradies auf Erden leben – und das wurde bekanntlich immer die Hölle auf Erden. Am Ende gibt es eben keine Freiheit mehr. Das spielt allerdings in einer Gesellschaft immer weniger eine Rolle, in der immer weniger Menschen die Freiheit vermissen. Wie schön lässt es sich doch leben, wenn der Staat rund um für einen sorgt. Sicherheit macht träge, umgekehrt ist Freiheit aber eben anstrengend.

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