Aus der Christlichen Sozialethik: KSZ wird geschlossen

Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach ist im vergangenen Jahr sechzig Jahre alt geworden. Ihr Gründungsort erinnert an den einflussreichen Mönchengladbacher Volksverein für das katholische Deutschland, der mit dem Nationalsozialismus endete. Der Volksverein war ein wichtiges sozialpolitisches Sprachrohr wie sozialethisches Bildungsinstrument in der zweiten Hälfte des Kaiserreiches und der Weimarer Republik gewesen, gegründet von dem Unternehmer Franz Brandt und dem ersten Lehrstuhlinhaber für Sozialethik, Franz Hitze.

Nach dem Jubiläum folgt nun der Katzenjammer: Die KSZ muss zum Jahresende ihre Tätigkeit einstellen. Deutsche Bischofskonferenz und der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) haben ihre Finanzierung zurückgezogen, der Trägerverein muss am Dienstag der Auflösung noch zustimmen und wird dann vermutlich ab April mit der Liquidation beschäftigt sein. Die KSZ war ein sozialethisches Forschungsinstitut, das gemeinsam von der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken getragen wurde. Unter dem langjährigen Direktor Anton Rauscher war es zunehmend zu einer Frontstellung zwischen KSZ und AG Christlicher Sozialethik, der Fachgesellschaft sozialethischer Lehrstuhlinhaber, gekommen. Letztere hatte das Berliner Werkstattgespräch in der Katholischen Akademie in Berlin als Gegenpol ins Leben gerufen. Unter dem jetztigen Direktor, Peter Schallenberg, hatte dann wieder eine Annäherung zwischen beiden Einrichtungen stattgefunden.

Über die Gründe, die zum Schließungsbeschluss geführt haben, ist bis jetzt offiziell noch nichts bekanntgegeben worden. Der Gedanke einer Schließung stand allerdings auch vor Jahren schon einmal im Raum. Ebenso wenig ist darüber bekannt, ob die Bischofskonferenz darüber nachdenkt, die Aufgaben ihres Sozialinstituts in veränderter Form weiterzuführen. Und so kann nur spekuliert werden. Ist es der allgemeine Spardruck in Zeiten zurückgehender Kirchenmitglieder, der Bischofskonferenz und VDD nun dazu gebracht hat, ihr Sozialinstitut zu schließen? Oder räumt man selbst der eigenen Tradition Katholischer Soziallehre nur noch wenig Relevanz im öffentlichen Diskurs ein?

Die Frage ist, auf welche Weise die Bischöfe künftig sozialethische und sozialpolitische Expertise einwerben wollen, vielleicht stärker und ausschließlich über Berater im Umfeld der hierfür zuständigen Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, die vom Hildesheimer Bischof, Heiner Wilmer, geleitet wird. Möglicherweise spiegelt sich im Auflösungsbeschluss auch wider, dass sozialethische Stellungnahmen heute weniger auf solide sozialpolitische Analyse und Urteilsbildung als vielmehr eine kulturwissenschaftliche Agenda setzen. Die verpflichtende Verwendung regelwidriger Gendersprache in der vom Direktor der KSZ mitherausgegebenen Fachzeitschrift „AMOSinternational“ spricht dafür.

Ob eine solche zeitgeistige Agenda aber auf Dauer der kirchlichen Stimme angesichts gravierender politisch-gesellschaftlicher Wertkonflikte tatsächlich Relevanz, Ernsthaftigkeit und Einfluss sichern wird, kann durchaus bezweifelt werden. Allzuoft verstärkt die kirchliche Sozialverkündigung auf diese Weise nur den aktuellen Mainstream. Die Anti-AfD-Erklärung, welche die Bischöfe auf ihrer Frühjahrskonferenz beschlossen haben, zeugt davon. In Zeiten rückläufiger Kirchenbindung und zunehmenden Säkularisierungsdrucks wird die Kirche auf diese Weise immer mehr zu einem austauschbaren zivilgesellschaftlichen Akteur unter vielen.

Wer sein eigenes Profil nicht schärft, wird am Ende auch nicht mehr als relevant wahrgenommen. Und dies möglicherweise zu recht.

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