Zwischenruf: Aufarbeitung der Coronapolitik und Aussöhnung bleiben weiterhin notwendig

Bis heute verweigern sich die Funktionseliten unseres Landes der Aufarbeitung einer grundrechts- und freieitsfeindlichen Coronapolitik, die weiterhin unser Zusammenleben spaltet. Die Diskussion um die Preisverleihung des Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit an den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, ist nur ein Beispiel hierfür. Ein kleiner Lichtblick kommt nun aus der Nordkirche und ein notwendiges Eingeständnis: Bischof Jeremias spricht öffentlich davon, dass „wir als Kirche schuldig geworden seien“. Dies ist ein anderes Zeichen als jenes, einen hochschulpolitischen Hauptakteur dieser desaströsen Coronapolitik mit einem Freiheitspreis auzuzeichnen.

Die Haltung gegenüber der damaligen Coronapolitik dürfte ein (nicht der einzige) Grund für den Niedergang der Kirchen sein, den wir gegenwärtig erleben. Ein trauriger Tiefpunkt und eine geistliche Bankrotterklärung waren die 2G-Gottesdienste an Weihnachten 2021. Im neuen Band „Menschenwürde im Intensivstaat?“ (Regensburg 2023) heißt es „Später waren es dann beispielsweise Gottesdienste unter 2G-Regeln, die gerade kirchentreue Gläubige vor den Kopf gestoßen haben. Dieser kirchliche Kern wird nicht aktivistisch lautstark austreten, sondern sich schleichend zurückziehen.“ Als Gesprächspartner für einen differenzierten und verantwortlichen Umgang mit den Wertkonflikten der Coronajahre sind die Kirchen seinerzeit nahezu vollständig ausgefallen, von wenigen persönlichen Ausnahmen abgesehen. Der Niedergang der Kirchen für unser Land und seine geistigen Orientierungswerte wird uns noch bitter auf die Füße fallen wird. Der autoritäre, biopolitische Neokollektivismus einer Coronapolitik „ohne rote Linien“ war ein Vorgeschmack, welch geistiger Klimawandel ins Haus stehen könnte. Noch schlimmer, wenn eine solche Politik auch noch mit Freiheitspreisen gewürdigt wird.

Dabei geht es nicht um die persönliche Schuld des Preisträgers, die er mit seinem Beichtvater ausmachen muss. Es geht um die politische Verantwortung eines langjährigen Funktionärs eines hochschulpolitischen Spitzenverbandes, von dem Kollegen, die coronapolitisch gravierenden Grundrechtseingriffen und berufliche Nachteile erfahren haben, keinerlei Unterstützung zu erwarten hatten. Dies bleibt für einen Berufsverband ein Armutszeugnis. Und über diese politische Verantwortung muss öffentlich diskutiert werden. Sie ist im Falle Kempens so groß, dass sich die Auszeichnung mit einem Freiheitspreis verbietet. Eine Aufarbeitung dieser Coronapolitik und ein Prozess öffentlicher Aussöhnung bleiben notwendig. Das Eingeständnis des Bischofs der Nordkirche ist ein erster kleiner Schritt dorthin.

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