Aus aktuellem Anlass: Bayerischer Kreuzerlass wurde bestätigt

Wir haben uns daran gewöhnt, in einem stabilen, demokratischen Rechts-, Sozial- und Kulturstaat zu leben. Doch selbstverständlich ist das keineswegs. Und so tun wir alle gut daran, mit den kulturellen Grundlagen unseres Staatswesens nicht allzu sorglos umzugehen. Daher ist es erfreutlich, dass gegen zahlreiche anderslautende Stimmen aus Zivilgesellschaft, aber auch Kirchen der Kreuzerlass in Bayern nun gerichtlich bestätigt worden ist. Ob sein Urheber darüber glücklich ist, steht auf einem anderen Blick; zwischenzeitlich hatte er sich in Aussagen schon deutlich von diesem wieder distanziert.

Das Kreuz im Gerichtsgebäude erinnert auch im säkularen Staat daran, dass irdische Gerechtigkeit immer fehlbar bleibt und wir noch einer anderen Instanz, nennen wir sie Gott oder Gewissen, verantwortlich bleiben. Ankläger und Zeugen werden daran erinnert, nicht leichtfertig oder gar falsch Zeugnis gegen andere abzulegen, Richter daran, das Recht nicht zu beugen oder vorschnell Urteile zu sprechen.

Das Kreuz in Amtsgebäuden, erinnert daran, dass jeder Einzelne eine unveräußerliche Würde besitzt. Im sozialen Rechtsstaat wird diese in der Anerkennung vorstaatlicher Menschenrechte konkret. Allerdings kann der Wille zum Recht rechtsimmanent allein nicht gesichert werden. Ein formaler Verfassungspatriotismus genügt als Ethos nicht, um die Menschenrechte dauerhaft zu sichern. Hierfür braucht es eine tiefergehende religiöse oder ethische Motivation.

Das Kreuz steht für die kulturellen Wurzeln, aus denen unser demokratischer Rechts-, Sozial- und Kulturstaat lebt. Es ist kein Missbrauch des Kreuzes oder die Enteignung einer Religion, wenn sich unser Staat auf diese Wurzeln besinnt und diese im öffentlichen Raum präsent hält. Er wird dadurch auch nicht übergriffig, sofern er nicht den Einzelnen zu religiösen Bekenntnisakten zwingt. Intoleranz gegenüber Religion entsteht im Gegenteil leichter dort, wo diese als etwas Bedrohliches erscheint und öffentlich nicht mehr verstanden wird. Der Staat verletzt auch nicht die notwendige Pluralität unserer Gesellschaft oder das Toleranzgebot, wenn seine Akteure darauf hinweisen, dass die kulturellen Grundlagen des Gemeinwesens und die Identität des Staatsvolkes nicht beliebig austauschbar sind. Ja, selbst der Streit über das Kreuz als religiöses und kulturelles Symbol setzt die besondere abendländische Prägung voraus, wie sie sich in der Trennung von religiöser und politischer Sphäre bei gleichzeitiger Kooperation beider Gewalten äußert.

Das Kreuz zwingt staatliches Handeln zur Demut und bewahrt vor der Versuchung des Totalitarismus. Die rechtmäßige, in biblischer und sozialethischer Tradition gut begründete Gewalt des Staates bedarf normativer Grundlagen, wenn sie nicht zum Unrecht einer Räuberbande mutieren soll. Das Kreuz bleibt aber auch eine Anfrage an die Kirche, die sich vor allzu vorschnellen politischen Heilsgewissheiten in vorletzten Fragen hüten sollte. Ganz aktuell hat der Kirchentag in Nürnberg gezeigt, wie virulent diese Versuchung für die Kirchen ist.

Das Kreuz ist öffentlich, weil auch der Tod Jesu ein öffentliches Ereignis war. Das Kreuz ist politisch relevant, weil es aus christlicher Sicht eine Wahrheit über Gott und den Menschen ausdrückt. Es ist aber nicht parteipolitisch, so als könnten aus ihm eins zu eins Forderungen für die Tagespolitik abgeleitet werden. Das Kreuz in öffentlichen Gebäuden kann das harte Ringen um eine an Recht und Gerechtigkeit orientierte Politik in Verantwortung vor Gott und den Menschen nicht ersetzen. Vor dieser Aufgabe stehen Christen wie Nichtchristen gleichermaßen. Und das Kreuz in öffentlichen Gebäuden ersetzt auch nicht ein lebendiges religiöses Leben. Wie die Kirchen in Deutschland geistlich wieder vitaler werden können, bleibt eine brennende Anfrage an alle, die sich auch persönlich zur religiösen Bedeutung des Kreuzes bekennen.

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