Allerheiligen

Die Anfänge eines gemeinsamen Gedächtnistages für alle Märtyrer liegen im vierten Jahrhundert, als die Zahl der Gedenktage stark gewachsen war. Ephräm der Syrer bezeugt ein solches Fest in Ostsyrien für den 13. Mai, Johannes Chrysostomus für Antiochien und das byzantinische Reich am Sonntag nach Pfingsten. Der Ostersieg Christi spiegelt sich in der österlichen Vollendung der Heiligen. Rom übernimmt zunächst den Termin am 13. Mai, der an die Kirchweihe des Pantheons, zuvor ein Tempel zu Ehren aller Götter, erinnert. Ausgehend von Irland und England, verlagert sich das Allerheiligengedächtnis zunehmend vom Osterfestkreis auf den 1. November, den einstigen Winteranfang im keltischen Kalender. An diesem Tag gedenkt die Kirche aller in Christus Vollendeten, nicht allein der kanonisierten Heiligen. Im angelsächsischen Bereich wird der Vorabend des Festes Halloween genannt; sein Brauchtum verbindet heidnische und christliche Elemente der Ahnen- und Heiligenverehrung miteinander.

Fra Angelico (Die Vorläufer Christi mit Märtyrern und Heiligen, 1423/24)

Heilige sind keine Superhelden. Heilige sind Menschen wie du und ich, mit Zweifeln und Fragen, mit Alltagssorgen und beruflichen Problemen, mit Krankheiten und Ängsten. Und sie leben oft unerkannt, mitten unter uns. Paulus nennt in seinen Briefen alle, die auf den Namen Christi getauft wurden, Heilige. Heute feiern wir die vielen namenlosen Heiligen, die in ihrem Leben an Christus geglaubt und auf ihn vertraut haben und die ihre Vollendung schon erreicht haben. Sie dürfen Christus bereits schauen von Angesicht zu Angesicht. Wir sind noch auf dem Weg zu ihm.

Allen Lesern von „Bildungsethik“ einen gesegneten Allerheiligenfeiertag,

Ihr Axel Bernd Kunze

Buchankündigung: Menschenwürde im Intensivstaat?

Oleg Dik, Jan Dochhorn, Axel Bernd Kunze: Menschenwürde im Intensivstaat? Theologische Reflexionen zur Coronakrise (Philosophie interdisziplinär; 54), Regensburg: S. Roderer vorauss. 2023.

Der Band soll voraussichtlich Ende 2023 erscheinen. Rezensionsexemplare können Sie gern  mit E-Mail an Kunze-Bamberg@t-online.de bei mir vormerken lassen.

Inhaltsübersicht:

Einführung: Von einer Tagesordnung zu der anderen (Jan Dochhorn)

1. Gesprächsstörungen. Eine sozial- und bildungsethische Ursachensuche im Angesicht der Coronakrise (Axel Bernd Kunze)

2. Paradoxologia Theologica. Ansätze zu einer Gesellschaftskritik aus theologischer Sicht angesichts der Coronakrise (Jan Dochhorn)

 3. Die zerrissene Menschenwürde. Corona als Symptom einer theologischen Krise (Oleg Dik)

4. Intensivstaat und zivilgesellschaftliche Staatsbedürftigkeit. Sozial- und freiheitsethische Betrachtungen zum Staatsverständnis (nicht nur) in Coronazeiten (Axel Bernd Kunze)

Zur Idee und Konzeption des Bandes:

Am 7. April 2023 ist in Deutschland der rechtliche Rahmen für die letzten noch verbliebenen Coronaschutzmaßnahmen ausgelaufen. Eine Zeit gravierender Grundrechtseingriffe und erbitterter impfpolitischer Debatten liegt hinter uns. Doch beendet ist das Thema keineswegs. Die Politik der Impfnötigung und versuchten allgemeinen Impfpflicht ist in Wahlkämpfen weiterhin präsent. Die damit verbundene gesellschaftliche Polarisierung dauert fort. Eine umfassende juristische und politische Aufarbeitung des Geschehenen steht noch aus. Brandenburg ist bisher das einzige Bundesland, in dem zwei parlamentarische Ausschüsse dabei sind, die Coronamaßnahmen zu untersuchen.

Für nicht wenige bleibt die Coronazeit eine einschneidende Erfahrung; selten wurden staatliche Maßnahmen derart existentiell empfunden. Mit dem politischen Kursschwenk Richtung Impfdruck und Impfpflicht, der im August 2021 offen eingeleitet wurde, ist eine rote Linie überschritten worden: In rascher Folge wurden immer stärkere Eingriffe in die individuelle Freiheit angedroht und vorgenommen. Selbst der eigene Körper sollte nicht mehr tabu sein. In der Folge gingen Montag für Montag – trotz kommunaler Verbote – Menschen am Abend spazieren. Die Wiedererweckung der Montagsspaziergänge war ein stiller Protest gegen eine aus guten Gründen als affekt- und ressentimentgeleitet wahrgenommene Politik, die nicht mehr gewillt war, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und die freie Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen zu achten. Und es war zugleich ein stiller Protest gegen eine öffentliche Stimmung im Land, in der nicht mehr frei und fair, unvoreingenommen und differenziert diskutiert werden konnte.

Wer kritische Fragen an die Coronapolitik stellte, musste sich als Coronaleugner, Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker titulieren lassen. Wer die freie Impfentscheidung verteidigte, wurde mangelnder Solidarität bezichtigt. Mit dem – selbst von Virologen bestrittenen – Narrativ einer „Pandemie der Ungeimpften“ war ein Sündenbock schnell gefunden. Doch Personen, die sich nach sorgfältiger Abwägung nicht impfen lassen, treffen eine ethisch verantwortliche Entscheidung, die der freiheitliche Rechts- und Verfassungsstaat zu achten hat. Diesem sind aus guten Gründen Grenzen gesetzt. Eine Schutzverantwortung des Staates, welche die personale Freiheit der Einzelnen nicht achtet, liefe auf das Gegenteil von Schutz für den Einzelnen hinaus. Auch wenn staatliche Schutzpflichten gern als Freiheitsgewinn angepriesen werden, muss klar bleiben: Politische Freiheitsrhetorik darf niemals die konkrete Freiheit des Einzelnen verdrängen.

Mit dem geplanten WHO-Pandemievertrag droht die Entscheidung über gravierende Grundrechtseingriffe in biopolitischen Krisensituationen zum Automatismus zu verkommen, ohne nennenswerte nationale Willensbildung und Entscheidungsfindung. Freiheit sieht anders aus, sollte im freiheitlichen Rechts- und Verfassungsstaat anders aussehen. Was in den Coronajahren geschehen ist, muss aufgearbeitet werden. Es darf nicht zum Testlauf für weitere schwere Verletzungen der körperlichen Selbstbestimmung bei künftigen Krisen werden.

Die Theologie im Land, die ansonsten gern von Gerechtigkeit und Befreiung, Anerkennung und Respekt spricht, blieb (und bleibt) angesichts dieser Entwicklungen auffällig stumm. Die amtlichen Kirchen trugen die Coronapolitik nahezu widerspruchslos mit. Dabei hätte es mindestens (aber nicht nur) sozialethisch eine Menge zu sagen gegeben angesichts des mehr als schlampigen Umgangs mit Grundrechten und angesichts einer Infektionsschutzpolitik, die mit differenzierter Abwägung und rationaler Gesundheits- und Krisenvorsorge vielfach nur noch wenig zu tun hatte. Doch aus den theologischen Fakultäten und Kirchen war, von einzelnen Stimmen abgesehen, vor allem Schweigen zu vernehmen.

Drei Theologen, die sich aus dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit kannten, erfüllte diese Wahrnehmung mit Unbehagen. Sollten Theologen nicht mehr zu sagen haben angesichts einer Politik, die unser Menschenbild und Staatsverständnis, unser Freiheitsbewusstsein und Moralverständnis, unser Leibverhältnis und unsere Personwürde deutlich herausfordert? Und schnell wurden in den gemeinsamen Gesprächen und Suchbewegungen zwei Annahmen deutlich: Zum einen geht es nicht allein um sozialethische Fragen. Die Coronakrise verlangt nach einer tiefergehenden Reflexion, die theologisch breiter angelegt sein muss. Zum anderen bleibt es wichtig, diese Debatte nicht allein tagesaktuell zu führen, sondern mit einem längeren Atem. Die Idee zum vorliegenden Band war geboren.

Das theologische Schweigen soll gebrochen werden. Hierzu will der Band einen Beitrag leisten. Dieser ist zunächst einmal ein Gesprächsangebot an die eigene Zunft. Aber er richtet sich genauso nach außen, angesichts eines geistigen Klimawandels im Land, der allenthalben spürbar ist: Als im Dezember 2021 die neue Bundesregierung vereidigt wurde, verzichtete eine bemerkenswert hohe Zahl an Kabinettsmitgliedern auf die religiöse Eidesformel, darunter auch der Bundeskanzler. Zwar haben auch zuvor immer wieder Politiker auf die religiöse Bekräftigung ihres Amtseides verzichtet, durchaus auch Politiker mit christlicher Überzeugung. Mittlerweile geht es aber um mehr: um deutliche Verschiebungen in der politischen Rhetorik und in den geistigen Orientierungen unseres Zusammenlebens.

Ja, es bleibt im liberalen, weltanschaulich neutralen Rechts- und Verfassungsstaat das freie Recht des Einzelnen, ob er die Anrufung Gottes hinzufügt oder nicht. Aber es zeigt sich: Eine politische Kultur, die zunehmend vom Religiösen Abstand nimmt, wird nicht freiheitlicher. Vielmehr wachsen säkulare Wahrheits- und Machtansprüche. Die religiösen Elemente unserer Verfassungsordnung sind doch mehr als nur überkommener politischer Zierrat.

Nach dem Willen des Souveräns sollen die Regierungsmitglieder ihr politisches Amt „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ ausüben. Ein solches Bewusstsein kann vor politischer Hybris bewahren – oder anders ausgedrückt: vor einer Amtsauffassung, die „keine roten Linien“ kennt. Bundeskanzler Scholz hat diese Formulierung, die wohl Entschlossenheit demonstrieren soll, zu Beginn seiner Amtszeit gleich mehrfach wiederholt. Aber ein Bundeskanzler, der keine roten Linien kennt, überschreitet eben gerade jene Grenzen, welche die Verfassung staatlicher Gewalt zieht.

Es geht um deutlich mehr als eine politische Stilfrage. Wo keine roten Linien mehr gelten sollen, sind auch Menschenwürde und Selbstbestimmung des freien Subjekts nicht mehr geschützt. Gewiss doch: Gegen Politiker, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, für Entscheidungen einzustehen und auch bei Kritik Prinzipienfestigkeit beweisen, ist nichts zu sagen. Wir brauchen Politiker mit Pflichtgefühl und Verantwortungsethik, die mehr sein wollen als „Pragmatiker des Augenblicks“, immer frei nach dem Motto: Hier stehe ich, ich kann auch jederzeit anders … Was wir allerdings nicht brauchen, sind Politiker mit Erlösungsversprechen, Machbarkeitsphantasien oder Selbstüberschätzung.

Der Verfassungsgesetzgeber hat mit der Gottesformel eine wichtige Wertvorentscheidung getroffen, die alle staatliche Gewalt bindet, eben rote Linien zieht. Dabei geht es um jene letzte Grundlage, die uns überhaupt moralisch handeln lässt. Es geht um ein Bekenntnis, dass wir noch einer anderen Instanz, Gott und Gewissen, gegenüber verpflichtet sind. Es geht um eine Rückversicherung gegenüber totalitären Tendenzen und einer Selbstüberschätzung des Menschen. Die Gottesformel wehrt das Verständnis eines Staates ab, der sich absolut setzt. Sie steht gegen jedwede Form des Materialismus, der den Menschen in letzter Konsequenz nur mehr als Funktionär der sozialen Verhältnisse betrachtet, ihm aber letztlich keine höheren geistigen Antriebe, Interessen oder Ziele zuzugestehen vermag. Die hier vorgelegten theologischen Reflexionen reagieren auf die Erfahrungen der Coronakrise, bleiben aber keinesfalls darauf beschränkt. Ihr Horizont und ihre Kritik an aktuellen Entwicklungen im gesellschaftlichen Zusammenleben sind deutlich weitergespannt.

Die Verfasser, die sich zusammengefunden haben, kommen aus unterschiedlichen konfessionellen Traditionen und aus verschiedenen theologischen Disziplinen. Der Bogen reicht von der Exegese über die Sozialethik bis zur Religionssoziologie. Jeder Autor verantwortet seinen eigenen Beitrag selbst. Aus den verschiedenen Zugängen formt sich trotz aller Unterschiede ein gemeinsamer theologischer Blick auf das, was in den Coronajahren erlebt und erfahren wurde. Aus diesem Bestreben heraus wurde auf die Zuweisung einer Herausgeberrolle bewusst verzichtet.

Zwischenruf: Es geht angesichts der jüngsten Bildungsstudien nicht allein um mangelnde Deutschkompetenzen

Der neueste, im Oktober veröffentlichte IQB-Bildungstrend hat die schon zuvor desaströsen Deutschkenntnisse auch für ältere Jahrgänge bestätigt. Fünfzehn Prozent der Neuntklässler verfehlen die Mindeststandards für einen einfachen, dreiunddreißig Prozent für einen mittleren Bildungsabschluss. Hier entstehen Folgeprobleme, die das Bildungs- und Arbeitsmarktsystem deutlich belasten werden. Aber auch der öffentliche Diskurs im Land wird von unzureichenden Deutschkenntnissen nicht unberührt bleiben.

In der Folge wurde darüber diskutiert, welche Rolle die coronabedingten Schulschließungen an den Ergebnissen haben. Seien die Deutschkenntnisse zurückgegangen, hätten sich diese im Fach Englisch durchaus verbessert, so die Bildungsforscher. Eine Folge des in Coronazeiten gestiegenen Medienkonsums, etwa englischsprachiger Serien?, wird gefragt. Politisch liegt es nahe, die Ergebnisse vor allem coronapolitisch zu interpretieren; denn die entsprechenden Coroanmaßnahmen sind mittlerweile ausgelaufen.

Anders hingegen sieht es mit den Folgen einer faktischen (und in starkem Maße ungeregelten) Einwanderungsgesellschaft aus. Das deutsche Bildungssystem erweist sich zunehmend überfordert angesichts einer immer größer werdenden Zahl an Schülern, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult werden. Da hilft auch kein markiges „Wir schaffen das“: das Gegenteil politischer  Gestaltung. Die Folgen dieser Entwicklung unvoreingenommen zu diskutieren, hieße zunächst einmal, sich politisch ehrlich zu machen. Denn die Beherrschung der Landes- und Verkehrssprache ist ein zentrales Mittel gesellschaftlicher Integration, wenn das Land nicht in Parallelgesellschaften zerfallen soll. Zu lösen sein, werden die Integrationsprobleme, die sich auch im aktuellen IQB-Bildungstrend widerspiegeln, nicht allein mit Geld. Es muss ehrlich über die Folgen ungeregelter Einwanderung, die Chancen und Grenzen schulischer Integrationsfähigkeit, über die vorherrschenen Bildungskonzepte und einen Verlust an Leistungsorientierung, über das Verschwinden erzieherischer Fragestellungen aus schulpädagogischen und erziehungs­wissenschaftlichen Debatten diskutiert werden. Was sich in den Bildungsstudien zeigt, sind nicht allein Kompetenzdefizite, sondern beginnende kulturelle Verteilungskämpfe. Doch darüber möchten die wenigsten Akteure sprechen.

Auffällig an den Studien ist nicht allein der Kompetenzrückgang in Deutsch. Gesprochen werden muss auch darüber, dass Deutsch zu einem unbeliebten Fach geworden ist. Auch hier dürften die Gründe vielfältig sein. Was schwerfällt, wo Lernerfolge ausbleiben, was anstrengt und nicht unmittelbar Lustgewinn verspricht, ist nahezu zwangsläufig unbeliebt. Schule determiniert nicht den gesamten Lebenslauf. Aber viele, die in der Schulzeit keinen Zugang zur Freude am Lesen  und zum differenzierten Umgang mit Texten gefunden haben, werden solches auch im weiteren Leben nicht vermissen.

Es wird aber auch zu fragen sein, welche kulturellen Faktoren Deutsch zu einem unbeliebten Fach machen. Einer Gesellschaft, die integrieren will, muss es daran gelegen sein, junge Menschen für ihre Kultur und Herkunft, für ihre Geschichte und Literatur, für ihre Identität und ihre Werte zu begeistern. Doch gerade darum ist es in Deutschland erkennbar schlecht bestellt. Sollte sich zunehmend eine englischsprachig geprägte, globalistisch orientierte Mainstreamkultur an den Schulen und darüber hinaus ausbreiten, wird dies kulturelle Verteilungskämpfe in einer immer hetrogener werdenden Gesellschaft deutlich begünstigen. Sprache und Literatur des eigenen Landes bleiben ein wichtiger Faktor für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gesellschaftliche Stabilität.

Zu fragen sein, wird aber auch, warum es dem Deutschunterricht immer weniger zu gelingen scheint, Freude an deutscher Sprache und Literatur, Dichtung und Kultur zu wecken. Könnte es sein, dass eine zunehmende politische und moralisierende Instrumentalisierung der Sprache den Schülern gerade die Freude daran nimmt? Das von den Universitäten und Medien vorangetriebene Gendern zerstört die Schönheit der Sprache, politisiert den Umgang damit und entstellt das zentrale Kulturgut der deutschen Sprache zu einem Kampfplatz moralisierender Auseinandersetzungen. Ein falsches Wort, und man steht im Fettnäpfchen. Angehende Lehrer, die im Germanistikstudium vornehmlich kulturwissenschaftliche Ideologiebildung vermittelt bekommen, tragen diese im Schulunterricht in die gesellschaftliche Breite, begeistern aber nicht mehr für die Sprache Goethes und Schillers. Die schlechten Deutschergebnisse sollten auch Fachdidaktik und Lehrplantheorie herausfordern. Werden curricular die Gewichte richtig gesetzt? Werden Schüler im Deutschunterricht tatsächlich angemessen an die Traditionsbestände, die Ästhetik und die kulturellen Orientierungswerte unseres literarisch-sprachlichen Erbens herangeführt? Der ehemalige Bamberger Direktor des Instituts für bildungswissenschaftliche Längsschnittstudien, Hans-Peter Blossfeld, konnte auf einem Bildungskongress 2008 unwidersprochen erklären, es sei für Textkompetenz vollkommen unerheblich, ob Schüler diese an Goethes Erlkönig oder an einer Taschenrechneranleitung erlernten.

Es steht zu befürchten, dass diese – sicherlich auch schmerzhaften und unbequemen – Fragen nicht gestellt werden. Einmal mehr dürften sich die Antworten auf die neuesten Bildungsstudien in einer technokratischen Maßnahmenpädagogik und im Ruf nach mehr Geld erschöpfen. Oder wie es Bundesbildungsministerin Anja Karliczek getan hat: im Ruf nach einer forcierten Digitalisierung der Schulen. Wer alle Vorgänge in Schulen digitalisiert, sollte sich am Ende nicht wundern, wenn die Lesefähigkeiten schwächer werden.

Und damit sind wir bei einem letzten Punkt: Schulen sollen sich immer stärker einer digitalen (Verwertungs- und Effizienz-)Logik anpassen, noch forciert durch Weiterentwicklungen in der Künstlichen Intelligenz. Pädagogik, Menschenbild und Ethik sollen nachziehen. Nach den Folgen für Lese- und Lernfähigkeit wird nicht gefragt. Dabei müsste es anders heraum sein: Schule muss befähigen, mit der Digitalisierung umzugehen. Keine Frage. Aber dies gelingt nur, wenn nicht die Digitalisierung den pädagogischen Takt vorgibt, sondern pädagogische Entscheidungen getroffen werden, wie und in welcher Form die erweiterten Möglichkeiten der Digitalisierung schulisch sinnvoll genutzt werden können – und wo nicht. Es braucht eine pädagogische Ethik der Digitalisierung, damit wir die neuen technischen Möglichkeiten auch verantwortlich nutzen, auch und gerade im Sinne der heranwachsenden Generation.

Herzliche Glückwünsche: Karl Gabriel feiert achtzigsten Geburtstag

Der Münsteraner Sozialethiker Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Karl Gabriel ist am 18. September 2023 achtzig Jahre alt geworden. Das Institut für Christliche Sozialwissenschaften der vormaligen Westfälischen Wilhelms- Universität Münster ehrt seinen ehemaligen Direktor (1998 bis 2009) am 31. Oktober 2023 mit einer Festakademie. Prof. Gabriel war Zweitgutachter meiner andragogischen Diplomarbeit.

„Bildungsethik“ gratuliert dem Jubilar zum runden Geburtstag und wünscht Kollegen Gabriel alles Gute, Gesundheit, weiterhin wissenschaftliche Schaffenskraft sowie Gottes Segen.

Nachruf: Studentenhistoriker Harald Seewann verstorben

Am 19. Oktober 2023 verstarb der Grazer Studentenhistoriker Harald Seewann, das Begräbnis fand am 27. Oktober 2023 in der steiermärkischen Landeshauptstadt statt. Harald Seewanns Hauptforschungsgebiet waren die jüdischen Korporationen, denen er sein Forscherleben gewidmet hatte. Seine verdienstvolle Arbeit wurde von der Republik Österreich mit dem Professorentitel und von der Stadt Graz mit der Ehrenbürgerwürde gewürdigt. Der Verstorbene fand seinerzeit lobende Worte für die Erinnerungsschrift der Leipziger Burschenschaft Alemannia zu Bamberg zu ihrem hundertfünfzigsten Stiftungsfest. Der Arbeitskreis der Studentenhistoriker würdigt Seewanns Schaffen mit einem ausführlichen Nachruf auf seinen Internetseiten. R. I. P.

Neuerscheinung: Dokumentation der 82. deutschen Studentenhistorikertagung von 2022

Jetzt druckfrisch erschienen:

Sebastian Sigler (Hg.): Die Vorträge der 82. deutschen Studentenhistorikertagung Würzburg 2022 (Beiträge zur deutschen Studentengeschichte; 37), München: Akademischer Verlag München.

Inhaltsverzeichnis:

Bestellmöglichkeit:

Neuerscheinung: Freundschaft und Lebensbund

„Theologen sprechen von Gnade. An ihr hat die Freundschaft zwischen den Menschen einen nicht geringen Anteil. Und daher öffnet uns die Freundschaft eine Tür in die Unendlichkeit, in die Ewigkeit. Gespräch und Hochherzigkeit, Eintracht und vernünftige Einsicht, Treue und Trost – ich wünsche uns allen, dass wir das immer wieder in unseren Verbindungen erfahren. Ja, dies dürfen wir auch immer wieder unseren Kritikern entgegenhalten: Wir sind hier versammelt zu löblichem Tun!“

Axel Bernd Kunze: Freundschaft und Lebensbund,

in: Sebastian Sigler (Hg.): Die Vorträge der 82. deutschen Studentenhistorikertagung Würzburg 2022 (Beiträge zur deutschen Studentengeschichte; 37), München: Akademischer Verlag München, S. 360 – 364.

Aufarbeitung unerwünscht: Wissenschafler kritisieren coronapolitische Zensur in Evangelischer Zeitung

„Wir wollen lesen“ – unter diesem Motto kritisieren fünfunddreißig Wissenschaftler in einem Offenen Brief, den das Magazin Tichys Einblick veröffentlicht hat, eine Zensurmaßnahme der Evangelischen Zeitung (EZ). Eine faire und transparente Aufarbeitung der Coronapolitik ist heute immer noch nicht gewünscht. Es geht nicht darum, ob alle Argumente im gelöschten Beitrag aus der EZ überzeugen. Es geht darum, ob sich die Leser ein eigenständiges, unabhängiges Urteil bilden können – und dazu müssen auch coronapolitisch kritische Beiträge veröffentlicht werden dürfen:

Der Offene Brief wurde auch vom „Christlichen Forum“ übernommen:

Das „multipolar-Magazin“ berichtet über den Vorgang:

https://multipolar-magazin.de/artikel/false-balance-impfschaden

Appell: BeA neuer Unterstützer von „#NeustartBildungJetzt“

Bundesverband evangelischer Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik unterstützt den Appell #NeustartBildungJetzt

Im März 2023 hat ein breiter Kreis aus Stiftungen, Gewerkschaften und Verbänden einen Appell an den Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder veröffentlicht. Angesichts der gravierenden Probleme im deutschen Bildungssystem fordern sie einen Nationalen Bildungsgipfel als Initialzündung für einen grundlegenden gesamtgesellschaftlichen Reformprozess.

Der Nationale Bildungsgipfel soll der Auftakt sein zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess gemeinsam mit Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendministern von Bund und Ländern, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie Eltern, Kindern und Jugendlichen.

Dem Appell haben sich mittlerweile über hundert Organisationen angeschlossen. Der Appell mitsamt der Liste der unterstützenden Organisationen ist auf der zentralen Website www.neustart-bildung-jetzt.de zu finden. Auf Social Media laufen die Aktivitäten unter #NeustartBildungJetzt.

Musikalische Elementarbildung: Wichtig für die gesamte Bildungsbiographie …

„Wir gehen davon aus, dass nur jemand, der fundierte Kenntnisse über das Musizieren mit Kindern besitzt und der selber die eigene Musikalität entdecken konnte, in der Lage ist, musikalischer Bezugspunkt für die Kinder zu werden.“

So heißt es in der Konzeption für unseren Profilbereich „Singen mit Kindern“, den wir dank der sehr guten Kooperation mit der gleichnamigen Stiftung anbieten können. Mit unseren praxisorientierten Profilfächern möchten wir den Auszubildenden unserer Fachschule ermöglichen, individuelle Interessen und Kompetenzen auszubauen und für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen fruchtbar zu machen. Ihr wiederholter Besuch heute bei uns, ist ein wertvolles Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung, für unsere Auszubildenden, für unsere Fachkonferenz Musik/Rhythmik und für unsere Fachschule. Wir freuen uns darüber sehr, im Namen der Schulleitung und des Kollegiums herzlichen Dank für Ihr Kommen. Und wir freuen uns darauf, auch künftig mit Ihnen und Ihrer Stiftung Pädagogische Fachkräfte ausbilden zu können, die zu wichtigen „musikalischen Bezugspunkten“ für die ihnen anvertrauten Kinder werden. Musikalische Früherziehung und Elementarbildung ist sehr wichtig für die gesamte weitere Bildungsbiographie – und darüber hinaus.

Ihnen, liebe Schülerinnen, die Sie heute ihre Urkunden in Empfang nehmen durften, im Namen der Schulleitung und des Kollegiums noch einmal ganz herzliche Glückwünsche und Anerkennung für Ihre Leistung. Wir wünschen Ihnen künftig viel Freude beim Singen mit Kindern, wo immer Sie auch beruflich tätig werden.

(aus einem Grußwort der Schulleitung zur feierlichen Urkundenverleihung an Absolventinnen des Profilfaches „Singen mit Kindern“ im Beisein der Stiftungsvorsitzenden)