Rezension: Vorsehung neu denken

„Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, / der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, / der dich erhält, / wie es dir selber gefällt. / Hast du nicht dieses verspüret?“ Bis heute werden diese vom reformierten Joachim Neander im siebzehnten Jahrhundert gedichteten Zeilen gern gesungen, nicht zuletzt in feierlichen Dankgottesdiensten. Hier drückt sich ein Glaube aus, der darauf vertraut, dass Gott am Ende alles zum Guten führen wird. Der Vorsehungsglaube ist christliches Allgemeingut, wurde aber von Johannes Calvin besonders stark betont: Die Schöpfung werde permanent durch Gott gelenkt, in allem könne der Christ Gottes verborgenen Ratschluss erkennen.

Die Zeitenwende 1989/90 war noch einmal eine Hochzeit des Vorsehungsglaubens sowie der theologischen Geschichtsinterpretation. Der Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems schien vielen zu bestätigen, dass Gott die Bäume des Bösen in der Geschichte nicht in den Himmel wachsen lässt – so war es in Predigten seinerzeit zu hören. Das Lied „Vertraut den neuen Wegen“, ursprünglich als Hochzeitslied entstanden, brachte die damalige Stimmung für viele treffend zum Ausdruck und wurde schnell populär. Wir dürfen der neuen Zeit vertrauen, weil Gott schon alles ordnet und lenkt: „Der uns in frühen Zeiten / das Leben eingehaucht, / der wird uns dahin leiten, / wo er uns will und braucht.“ Mittlerweile ist Ernüchterung eingekehrt, nicht allein im politischen Alltag der Gemeinden oder im Erleben der Einzelnen. Auch in der Theologie ist es mitlerweile wieder still geworden um das Konzept göttlicher Vorsehung. Vielerlei Gründe spielen hierfür eine Rolle, wie Christoph J. Amor im Einleitungsbeitrag zu „Vorsehung und Handeln Gottes“ ausführt.

Wie sehr die Fragen zum Verhältnis von göttlichem Willen und menschlicher Autonomie gegenwärtig wieder nach oben dringen, zeigt sich darin, dass zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Bände der Reihe „Quaestio disputata“ sich diesem theologischen Problemfeld widmen. Beide Bände werden im aktuellen Heft der Zeitschrift CONCILIUM besprochen:

Axel Bernd Kunze: Vorsehung neu denken: Klugheit – Freiheit – Intention, in: Concilium 59 (2023), H. 3, S. 342 – 347.

Besprochen werden:

Christoph Böttigheimer, Alexis Fritz (Hgg.): Ein sinnvoller Plan Gottes? Von der Teleologie des göttlichen Willens (Quaestiones disputatae; 330), Freiburg i. Brsg.: Herder 2023, 352 Seiten.

Simon Maria Kopf, Georg Essen (Hgg.): Vorsehung und Handeln Gottes. Analytische und kontinentale Perspektiven im Dialog (Quaestiones disputatae; 331), Freiburg i. Brsg.: Herder 2023, 343 Seiten.

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