Leserbrief in der TAGESPOST vom 29. Juni 2023, S. 32:
Ludwig Spaenle wärmt einmal mehr die Forderung nach einem Familienwahlrecht auf (Die Tagespost vom 15. Juni 2023) und begeht damit einen gefährlichen Tabubruch: Das Wahlrecht darf nicht um bestimmter Ziele oder Inhalte willen manipuliert oder die Wählerschaft so zusammengesetzt werden, daß am Ende ein politisch erwünschtes Ergebnis herauskommt. Der Zweck heiligt hier keineswegs das Mittel, zumal es eine unbewiesene Behauptung bleibt, dass Eltern tatsächlich im Interesse ihrer Kinder abstimmen würden. Überdies werden mit einem Familienwahlrecht die in langen historischen Kämpfen errungenen Prinzipien gleicher und geheimer Wahl in Frage gestellt. Wer Familien politisch mehr Einfluss geben will, der sollte ihre politische Handlungsfähigkeit verbessern: über politische Interessenvertretung, eine Mitarbeit in Parteien oder die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen. Dieser Weg bleibt mühsam. Manipulationen am Wahlrecht dagegen sind entweder naiv oder sogar gefährlich.
Axel Bernd Kunze